Vermögensverwalter in der Schweiz

So verlieren Privatbanken ihre Unschuld

Julius Bär, die größte Schweizer Privatbank, hat in der vergangenen Woche 15% ihres Börsenwertes eingebüßt. Die Investoren nehmen im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Kreditgeschäften mit dem österreichischen Immobilien-Tycoon René Benko offensichtlich gravierende Szenarien vorweg.

So verlieren Privatbanken ihre Unschuld

So verlieren Privatbanken ihre Unschuld

Hintergründe zum mutmaßlichen Benko-Exposure von Julius Bär und zu der scharfen und nachhaltigen Börsenreaktion

Julius Bär, die größte Schweizer Privatbank, hat in der vergangenen Woche 15% ihres Börsenwertes eingebüßt. Die Investoren nehmen im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Kreditgeschäften mit dem österreichischen Immobilien-Tycoon René Benko offensichtlich gravierende Szenarien vorweg.

dz Zürich

Wie kommt eine vermeintlich konservative Privatbank dazu, einem einzelnen Kunden Kredite in Höhe von Hunderten von Millionen Franken zu gewähren? Spätestens seit dem 20. November, als sich Julius Bär gezwungen sah, Wertberichtigungen auf das Kreditportfolio in Höhe von 82 Mill. Franken zu kommunizieren. treibt die Frage den Schweizer Finanzplatz um.

Kaum jemand zweifelt noch ernsthaft daran, dass die Wertberichtigungen zum großen Teil einer Geschäftsbeziehung mit dem österreichischen Immobilien-Tycoon René Benko entspringen. Zwar hat sich Julius Bär noch nie zu dem vermuteten Engagement geäußert. Doch das hindert die Investoren nicht daran, ein krasses Szenario vorwegzunehmen.

Fast 15% oder rund 1,8 Mrd. sfr hat die größte Schweizer Privatbank seit der verhängnisvollen Kommunikation über die im Kreditportefeuille schlummernden Verlustrisiken an Börsenwert eingebüßt. Die schlechte Nachricht hat die Aktionäre von Julius Bär dreimal mehr Geld gekostet, als die Bank gemäß den bisher wildesten medialen Spekulationen über die Höhe eines Benko-Exposures (600 Mill. sfr) überhaupt verlieren kann.

Gewiss, es ist nicht unplausibel, dass sich die Bank beim Abschluss der mutmaßlichen Kreditgeschäfte mit ungenügenden Sicherheiten abspeisen ließ. Das Schweizer Finanzportal „Insideparadeplatz.ch“ zitierte diese Woche einen Insider, nachdem die Bank einen 250-Millionen-Kredit durch luftige Aktien von Benkos Signa Holding decken ließ. Ein ehemaliger Privatbank-CEO, der als Berater weiterhin in der Branche tätig ist, hält die Spekulation des Finanzblogs für zutreffend, wie er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagte.

Benko werde im Kreditportefeuille von Julius Bär wahrscheinlich ein Einzelfall bleiben, glaubt der Branchenkenner zwar zu wissen. Doch es sei Fakt, dass größere Vermögensverwaltungsbanken in den Negativzinsjahren von Anfang 2015 bis Herbst 2022 das Kreditgeschäft auf bisweilen ungesunde Niveaus ausgebaut hätten.

Der Ausbau des Kreditgeschäfts lässt sich bei vielen Banken verifizieren und bestätigen. Auch Julius Bär hat das eigene Kreditportefeuille zwischen Ende 2014 und Ende 2022 um fast ein Drittel erhöht, während die Kundeneinlagen in dieser Zeit nur um etwas mehr als ein Fünftel zunahmen. In der Differenz blieben absolut gesehen dennoch 5 Mrd. sfr mehr Kundengelder als Kredite in der Bär-Bilanz hängen. Zeitweise repräsentierten die bilanzierten Kundengelder ein Fünftel oder mehr aller bei Julius Bär verwalteten Vermögen.

Das ist zu viel. Denn lukrativ ist das Geschäft mit der Vermögensanlage nur, wenn Banken die Gelder ihrer Kunden so investieren können, dass sie auch Provisionen generieren. Dieser Druck war während des Negativzinsregimes noch größer als sonst. Die Banken zahlten die Strafzinsen auf die nicht investierten Einlagen ihrer Kunden teilweise noch aus der eigenen Kasse. Ein Ausbau des Kreditgeschäftes konnte etwas Abhilfe schaffen.

Allerdings gehört die Vergabe von Immobilien- oder Firmenkrediten nicht zum Kerngeschäft von Vermögensverwaltungsbanken. Diese beschränken sich in aller Regel auf das wertpapierbesicherte Lombardkreditgeschäft. Doch seit Mitte 2021 ist die Nachfrage nach Lombardkrediten stark rückläufig. Vor dem Hintergrund des eingetrübten Investitionsklimas steht auch der betuchten Klientel in Asien der Sinn weniger nach schuldenfinanzierten Börsenwetten.

Dass das Umfeld die Vermögensverwaltungsbanken zur Inkaufnahme größerer Kreditrisiken motiviert hat, ist zwar bloß These. Doch diese erscheint umso plausibler, als der regulatorische Spielraum für Julius Bär und alle Schweizer Vermögensverwalter im grenzüberschreitenden Geschäft seit Jahren enger wird. Die internationale Steuertransparenz, die im Nachgang zur Finanzkrise zur Realität wurde, verfehlt ihre Wirkung ebenso wenig wie die Sanktionspolitik in einer konfliktträchtigeren Welt. Die Investoren zeigen mit ihrer scharfen Reaktion auf die schlechten Nachrichten von Julius Bär, dass die Banken in diesem schwieriger werdenden Umfeld nicht glaubwürdig eine anhaltende Steigerung ihrer Profitabilität versprechen können, ohne ihre Unschuld als sichere und konservative Unternehmen teilweise preiszugeben.  

Von Daniel Zulauf, Zürich
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