LEITARTIKEL

So was wie die gute Seele

Nationaler Champion der Kreditwirtschaft gesucht? Gibt es schon. In Hamburg, wo vor 241 Jahren mit der Gründung einer "Ersparungsklasse" durch philanthropisch orientierte Bürger ein Grundstein für diese Säule der Branche gelegt wurde, ist er beim...

So was wie die gute Seele

Nationaler Champion der Kreditwirtschaft gesucht? Gibt es schon. In Hamburg, wo vor 241 Jahren mit der Gründung einer “Ersparungsklasse” durch philanthropisch orientierte Bürger ein Grundstein für diese Säule der Branche gelegt wurde, ist er beim 26. Deutschen Sparkassentag zu besichtigen. Es bedarf dazu nicht mal einer neuen “Superlandesbank”. Auch in der heutigen Aufstellung sind die Sparkassen schon “super”, bilden sie doch mit ihren Landesbanken, der Deka, Berlin Hyp und zahlreichen anderen Verbundunternehmen die größte kreditwirtschaftliche Gruppe sogar in Europa: 2,8 Bill. Euro Geschäftsvolumen, um die 160 Mrd. Euro Eigenkapital – fast dreimal so viel wie jenes der Deutschen Bank – und rund 300 000 Beschäftigte. Nicht zuletzt: Die Gruppe arbeitet anständig profitabel.14:30 Uhr, alle Handykameras an, die Kanzlerin kommt! Und natürlich hat Angela Merkel jede Menge Streicheleinheiten zu verteilen. Dass Deutschland sich weiter das bewährte Dreisäulensystem aus öffentlich-rechtlichen, privaten und genossenschaftlichen Instituten leisten solle, hört die versammelte Familie mit dem roten “S” immer wieder gerne. Das Petitum, dass bei der Regulierung im Interesse der kleineren Banken und Sparkassen die Proportionalität zu wahren sei, ist gerade in diesen Zeiten höchst willkommen. Dass die Regierungschefin die “schwierige Lage” der einen oder anderen Landesbank “jetzt mal nicht vertiefen will”, wird mit dankbarer Erleichterung aufgenommen. Und dass die Sparkasse “schon noch so was wie die gute Seele einer Region oder eines Ortes bleiben” müsse, geht den 2 500 Sparkässlern, Landesbankern, Bürgermeistern, Landräten und anderen Gästen runter wie Öl. Vor diesem Auditorium hat Merkel stets ein Heimspiel.”Gemeinsam allem gewachsen” heißt das von Mut und Selbstbewusstsein zeugende Motto dieses Sparkassentages. Doch der Kongress findet in einer Zeit statt, in der es, wie die Kanzlerin nachgerade beschwörend mahnt, schwer ist, auf globaler Ebene überhaupt Gemeinsamkeiten zu finden und in politische Entscheidungen umzusetzen. Dabei wäre die Bewältigung der 2007 ausgebrochenen Finanzkrise ohne enge Zusammenarbeit in der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer doch in der Tat kaum denkbar gewesen. Heute aber ist aus gegebenem weltpolitischen Anlass ausdrücklich von der Gefahr eines Krieges die Rede, wobei keineswegs “nur” Handelskriege gemeint sind. Derweil muss man Gemeinsamkeiten sogar in Europa oft mit der Lupe suchen, gerade wenn es um kreditpolitische Themen geht. Die Europawahl fest im Blick, bekennen sich alle deutschen Banken- und Sparkassenverbände mit Nachdruck zu Europa. Doch weisen alle auch deutlich auf Europas Schwach- und mögliche Bruchstellen hin. Die Sparkassen etwa warnen zu Recht davor, “die großartige europäische Idee” für die Verschiebung von Lasten und Verantwortung zu missbrauchen. Das zielt, wie bei den parallel in Berlin tagenden Kreditgenossen, klar auf die fortdauernden Versuche, die Haftung für unter nationaler Ägide eingegangene Bankrisiken per europäischer Einlagensicherung zu vergemeinschaften und neue Fonds zur Umverteilung von Steuergeldern zu etablieren. So wird man die eh schon EU- und euroverdrossenen Bürger fürwahr nicht für Europa gewinnen.Inwieweit die Sparkassen-Finanzgruppe selbst “gemeinsam allem gewachsen” ist, nicht nur den äußeren politischen, auch zinspolitischen, und regulatorischen Herausforderungen sowie der digitalen Revolution, sondern vor allem auch den intern zu erledigenden Hausaufgaben, bleibt noch abzuwarten. Die Privatisierung der HSH Nordbank und die Stützungsaktion für die Nord/LB hat sie gemeinsam gewuppt – die vorstellbaren Alternativen waren ja auch noch weniger erbaulich. Aber gerade das Thema Nord/LB ist noch nicht durch, ein Abwicklungsszenario nicht vom Tisch. Dass die Hannoveraner angeblich zunehmend mit Kampfkonditionen in fremden Revieren wildern, kommt dort gar nicht gut an.Die Idee von Sparkassenpräsident Helmut Schleweis, ein Spitzeninstitut aus Landesbanken, Deka und Berlin Hyp zu bauen, ist in Hamburg zwar allgegenwärtiges Gesprächsthema. Würde darüber abgestimmt, könnte der DSGV als Dachverband der Gruppe sich einer klaren Mehrheit gewiss sein. Allein: Der Sparkassentag fasst keine Beschlüsse, die Entscheidungen über eine von den Sparkassen getragene neue Zentralbank fallen auf anderen Ebenen, nicht zuletzt in den Landeshauptstädten. Sie werden nicht kurzfristig fallen. —-Von Bernd WittkowskiDie Worte der Kanzlerin gehen den Sparkässlern runter wie Öl. Ob sie wirklich “gemeinsam allem gewachsen” sind, bleibt indes noch abzuwarten.—-