GASTBEITRAG

Solvency II rückt Schritt für Schritt näher

Börsen-Zeitung, 28.3.2013 Ursprünglich bat mich die Börsen-Zeitung, einen Artikel mit dem Titel "Solvency II: die unendliche Geschichte" zu schreiben. Es ist zwar richtig, dass es sich bei Solvency II um ein langwieriges Projekt handelt, mit dessen...

Solvency II rückt Schritt für Schritt näher

Die EU sieht sich derzeit mit einem überholten und fragmentierten Regulierungsrahmen für die Versicherungsbranche konfrontiert (Solvency I). Dieser krankt an fehlender Risikosensibilität, stellt nur sehr wenige qualitative Anforderungen an Risikomanagement und Governance und liefert den Aufsichtsbehörden keine adäquaten Informationen über die Risiken der Versicherer. Als Folge wurden die nationalen Rahmenwerke um verschiedene Elemente erweitert, um so mit den Marktentwicklungen Schritt halten zu können. Gefahr durch VerzögerungIn seinem jüngsten Programm zur Bewertung des Finanzsektors (Financial Sector Assessment Program) in der EU kommt der IWF zu dem Schluss, dass erstens weitere Verzögerungen bei der Umsetzung von Solvency II für Schwachstellen innerhalb des Versicherungssektors sorgen könnten, da kein risikosensibles Regime vorhanden ist, und zweitens die Schwächen der Versicherungsaufsicht in mehreren EU-Ländern ohne Solvency II weiter Bestand haben werden. In diesem Zusammenhang dürften sich die verschiedenen Anspruchsgruppen völlig darüber im Klaren sein, dass 2013 ein entscheidendes Jahr für Solvency II ist.Nachdem sich die politischen Institutionen innerhalb der EU geeinigt hatten, lancierte die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) das Long-Term Guarantee Assessment (LTGA oder auch Auswirkungsstudie), mit dem diverse Maßnahmen, die während der politischen Verhandlungen diskutiert wurden, getestet werden sollen. Die EIOPA unterstützt diesen Ansatz, da es für den Schutz der Versicherten und die finanzielle Stabilität wichtig ist, dass Solvency II die langfristige Finanzposition sowie das Risikoexposure von Gesellschaften, die langfristige Versicherungsaktivitäten verfolgen, angemessen berücksichtigt.Der Schwerpunkt des Assessments liegt auf der Auswertung der folgenden zentralen Merkmale (einzeln und zusammen): Verwendung der adaptierten, maßgeblichen risikoneutralen Zinsstrukturkurve (“antizyklische Prämie”), Extrapolation, Matching Adjustment (“klassisch” und “erweitert”), Übergangsmaßnahmen sowie die Ausweitung der “Recovery-Periode”.Wir brauchen einen robusten Rahmen, der alle vertraglichen Optionalitäten korrekt bewertet und die tatsächliche ökonomische Realität der Aktiv/Passiv-Position der Versicherer berücksichtigt. Wir müssen uns damit abfinden, dass Garantien nicht umsonst zu haben sind.Ermutigend ist die hohe Beteiligung in den einzelnen Mitgliedsländern: Über 500 große, mittlere und kleinere Unternehmen durchlaufen die Prüfung. Im Juni sollen die LTGA-Ergebnisse sowie unsere eigenen Schlussfolgerungen vorgestellt werden. Ich bin zuversichtlich, dass die unabhängige aufsichtliche Beurteilung durch die EIOPA eine verlässliche Basis für eine informierte politische Entscheidung über die langfristigen Garantiemechanismen bildet, welche Solvency II beinhalten soll.Neben dem LTGA hält die EIOPA einen konsistenten und konvergenten Ansatz bei der Vorbereitung von Solvency II für immens wichtig. Was genau tun wir also? Nach unserer Stellungnahme im Dezember 2012 werden wir Richtlinien herausgeben, die gewährleisten, dass die nationalen Aufsichtsbehörden bestimmte zentrale Aspekte des neuen risikobasierten Aufsichtsansatzes ab dem 1. Januar 2014 umsetzen werden.Die Richtlinien fallen unter Artikel 16 der EIOPA-Regulierung und unterstützen die entsprechenden Bestimmungen der Solvency-II-Direktive. Sie werden verschiedene grundlegende Bereiche im Zusammenhang mit einer effektiven Vorbereitung auf Solvency II abdecken, wie z. B. das Governance-System, einschließlich Risikomanagement, die vorausschauende Einschätzung des Eigenrisikos des Unternehmens (basierend auf dem Own Risk and Solvency Assessment, ORSA), die Bereitstellung von Informationen an die nationalen Aufsichtsbehörden sowie die Anwendung interner Modelle.Die nationalen Aufsichtsbehörden bestimmen selbst, wie sie die EIOPA-Richtlinien durch eine entsprechende Integration in ihren Regulierungs- und Aufsichtsrahmen erfüllen können. Während der Vorbereitungsphase soll außerdem eine angemessene Proportionalität gewahrt werden, die sich in den Richtlinien niederschlägt. Gute Vorbereitung zentralWir wollen Solvency II nicht vorgreifen, sondern vielmehr Aufsichtsbehörden und Unternehmen konsequent auf das neue Regime vorbereiten. Wir arbeiten eng mit der Europäischen Kommission und der Insurance and Reinsurance Stakeholder Group der EIOPA zusammen. Außerdem können alle interessierten Parteien ihr Feedback zu den Richtlinien während der im April beginnenden öffentlichen Konsultation vorbringen. Bis zum Herbst dieses Jahres wollen wir die Richtlinien dann fertiggestellt haben.Diese Reform ist wichtig und nötig. Indem die notwendigen Schritte konsequent und konvergent gegangen werden, kommen wir auf dem Weg zu einer angemessenen Grundlage für einen besseren Schutz der Versicherungsnehmer und eine Stärkung der finanziellen Stabilität einen weiteren Schritt voran.