GASTBEITRAG

Solvency II spricht für Wandelanleihen

Börsen-Zeitung, 22.3.2016 Nach langjähriger Verzögerung ist zum 1. Januar 2016 die Solvency-II-Regulierung für Versicherungsunternehmen in Kraft getreten. Die europäische Versicherungswirtschaft muss nun nach einem einheitlichen Aufsichtssystem...

Solvency II spricht für Wandelanleihen

Nach langjähriger Verzögerung ist zum 1. Januar 2016 die Solvency-II-Regulierung für Versicherungsunternehmen in Kraft getreten. Die europäische Versicherungswirtschaft muss nun nach einem einheitlichen Aufsichtssystem Bericht erstatten über ihre Finanzanlagen, Risiken und zahlreiche wesentliche Geschäftsbereiche. Solvency II soll Aufsichts- und Frühwarnsystem zugleich sein, damit Versicherer bei etwaigen neuen Krisenereignissen nicht in Schieflage geraten.Eine besondere aufsichtsrechtliche Sollgröße für den geforderten Kapitalpuffer innerhalb von Solvency II sind die Solvenzkapitalanforderungen (SCR). Die Eigenmittel einer Versicherung dürfen die SCR nicht unterschreiten, sonst kann die Aufsichtsbehörde entsprechende Maßnahmen vom Versicherungsunternehmen verlangen. Für die verschiedenen Anlageklassen sind innerhalb von Solvency II unterschiedliche Eigenkapitalunterlegungen festgelegt. Gegenüber Aktien im VorteilHier kommen Wandelanleihen ins Spiel. Insbesondere gegenüber Aktien sind die SCR bei Wandelanleihen deutlich tiefer. Beispielsweise erfordern Aktien aus OECD-Ländern eine Kapitalabdeckung von 39 %, Aktien aus Nicht-OECD-Ländern sogar von 49 %. Aufgrund der Damper-Regel, wonach die Entwicklung des Aktienmarktes der vergangenen drei Jahre berücksichtigt wird (Symmetric Adjustment), können die Werte noch bis zu 10 % nach oben oder unten abweichen. Dagegen ist für ein vergleichbares hybrides Investment-Grade-Wandelanleihenportfolio nur die Hälfte der Eigenkapitalunterlegung erforderlich.Um herauszufinden, mit wie viel Solvenzkapital ein Wandelanleihenportfolio im Standardmodell unterlegt werden muss, haben wir anhand unseres Solvency-II-Rechners verschiedene Wandel- und Unternehmensanleiheportfolios analysiert. Für die Wandelanleihen-SCR-Berechnung kommen vier Stressfaktoren zum Tragen: das Aktien-, Zins-, Spread- und Währungsrisiko. Außen vor bleibt die Volatilität. Die Haupttreiber sind dabei Aktien- und Spread-Risiken. Das Zinsrisiko ist eher untergeordnet, da die Wandelanleihe oft eine recht kurze Zinssensitivität hat.Ein mit “A-” geratetes Portfolio, das ausschließlich aus Investment-Grade-Anleihen besteht, ein Aktien-Delta von 46 hat und einen Credit-Spread von 140 Basispunkten aufweist, kommt bei einer Zinssensitivität von drei auf eine Gesamt-SCR von 16 %. Fährt man das Kreditrisiko stark nach oben, ändert sich die SCR nur gering. Denn im Wandelanleihenbereich wird das Kreditrisiko aufgrund der niedrigen Zinssensitivität und einer Anomalie im “nicht gerateten Bereich” nicht so stark bestraft – etwa 40 % der Wandelanleihen im Anlageuniversum sind nicht geratet. Nicht bewertete Unternehmensanleihen erfordern eine Kapitalhinterlegung im Ratingbereich zwischen “BBB” und “BB”. Davon profitieren Anleihen im High-Yield-Bereich. Niedrige AnforderungenGeht man fünf Aktienpunkte nach oben und mischt dem Investment-Grade-Wandelanleihenportfolio 50 % High Yield bei, so dass das Aktien-Delta bei 51 und der Credit-Spread bei 230 liegt, kostet das nicht viel. Der SCR-Score beträgt dann 22 %. Das ist aber noch immer deutlich niedriger als die Eigenmittelanforderungen für ein vergleichbares reines Aktienportfolio aus 90 % OECD-Titeln und 10 % aus anderen Staaten, für das sich eine SCR von mehr als 40 % ergäbe. Die relativ geringen Kapitalanforderungen sind also das Argument für Wandelanleihen. Vor allem Versicherer, die nur ein knappes SCR-Budget haben, dürften künftig entsprechend in Wandelanleihen investieren.Auch die Anforderungen für Assetmanager sind in der Vorbereitung auf die Umsetzung von Solvency II merklich gestiegen. Dies gilt nicht nur bei der Ausgestaltung der Anlagestrategien für Versicherungsunternehmen, sondern auch für die Aufbereitung der hohen Datenmenge bezüglich Reportingpflichten der Versicherungen auf “Look-through-Basis”. So hat bereits im Verlauf des vergangenen Jahres die Nachfrage nach maßgeschneiderten Fondslösungen von Versicherungskunden stark zugenommen. Spezialfonds eignen sichDie Berücksichtigung der Anlagen und Verbindlichkeiten für die Gesamtrechnung der SCR der Versicherungen führte im gesamten Prozess dazu, dass eine geringe Kapitalanforderung der Anlagen nicht allein relevant für Versicherer ist. Immer häufiger stehen bei den Versicherungsunternehmen auch Vorgaben zur Duration und zur Kreditqualität der Portfolios im Vordergrund. Mit dem Vehikel Spezialfonds sind, im Gegensatz zum Publikumsfonds, diese Vorgaben zeitnah und flexibel umsetzbar.Ein Beispiel dafür ist das Duration-Matching. Gemäß dem Solvency-II-Standardmodell der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) gilt der Grundsatz: je kürzer die Duration und je höher die Kreditqualität der Anlagen, desto geringer sind die SCR. Dies kann aus Sicht der Gesamtrechnung zu falschen Anreizen führen. Deshalb profitiert die Versicherung mehr, wenn sie die Duration der Anlagen der Duration der Verbindlichkeiten angleicht.Dadurch können die Kapitalanforderungen auf beiden Seiten ausgeglichen werden (Netting). Es kann dabei sogar von Vorteil sein, eine längere Duration bei den Anlagen anzustreben, obwohl diese für sich gesehen eine höhere Kapitalanforderung verlangen. Im Falle einer Lebensversicherung mit einer hohen Duration auf den Verbindlichkeiten ist damit in der Kombination eine wesentlich tiefere Kapitalanforderung notwendig. Aus diesem Blickwinkel bieten Wandelanleihen eine besondere Möglichkeit der Optimierung, welche mit keiner anderen Anlageklasse zu erzielen ist. Auch Volatilität zähltDas Solvency-II-Standardmodell berücksichtigt nur die Risikofaktoren Aktien, Zinsen, Kreditqualität und Währung der Wandelanleihen. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass die größeren Versicherungen interne Modelle verwenden, die auch den Risikofaktor Volatilität bei den Anlagen beachten. Dadurch bietet das Wandelanleihenportfolio mit der günstigen und langlaufenden Optionskomponente (Volatilität), zusammen mit einem aktiv gemanagten stabilen Delta, das ideale und fast einzige Anlageinstrument, um das Volatilitätsexposure der Verbindlichkeiten der Versicherung auszugleichen.Last but not least sind Wandelanleihen nicht nur aus regulatorischer Sicht interessant, sondern auch aus Performancegründen. Dazu dient der langfristige Vergleich mit Aktien und Unternehmensanleihen. Dieser zeigt, dass Wandelanleihen von Dezember 1996 bis Ende Februar 2016 eine durchschnittliche Jahresrendite von 6,40 % ausweisen (Thomson Reuters Global Convertible Index, EUR hedged). Erst dahinter folgt mit 5,91 % jährlicher Performance der Aktienindex MSCI World AC (LOC). Mit 5,22 % durchschnittlichem Jahresertrag sind Unternehmensanleihen an Position 3 (Merrill Lynch Global Broad Market Corporates Index, EUR hedged). Rendite ist ein weiteres Argument für das Segment der Wandelanleihen – unabhängig von sämtlichen Regularien.—-Andy Gehrig, Leiter Risk Management Fisch Asset Management