LEITARTIKEL

Sorry, es geht uns supergut

Ach, was geht es uns schlecht! Wer ohne intime Vorkenntnisse manche Berichte über den Zustand der deutschen Kreditwirtschaft liest, kann den Eindruck gewinnen, das Ende sei nah. Das gilt nicht nur für Interpretationen seitens der Medien. Auch...

Sorry, es geht uns supergut

Ach, was geht es uns schlecht! Wer ohne intime Vorkenntnisse manche Berichte über den Zustand der deutschen Kreditwirtschaft liest, kann den Eindruck gewinnen, das Ende sei nah. Das gilt nicht nur für Interpretationen seitens der Medien. Auch namhafte Beratungshäuser fühlen sich – allzu durchschaubar um Mandate heischend – berufen, Lage und Perspektiven der Branche in düstersten Farben zu malen. Und keine Geringere als die Bundesbank geht seit Jahr und Tag mit ihrer Klage über eine “Ertragsschwäche” der Banken und Sparkassen hausieren. Die Folge ist eine gravierende Wahrnehmungsschieflage, an der allerdings weite Teile des Gewerbes selbst nicht ganz unschuldig sind.Eine Erklärung für die weit verbreitete Fehleinschätzung liegt darin, dass namentlich Teile der Presse bei der Analyse der Branche den Blick auf Deutsche Bank und Commerzbank verengen. Dass diese beiden Adressen während der Finanz- und Staatsschuldenkrise nicht übermäßig durch Erfolgsgeschichten aufgefallen sind und jede Menge Kapital ihrer Aktionäre verbrannt haben, unterliegt ja nicht dem Bankgeheimnis. Aber Deutschlands Kreditwirtschaft besteht nicht nur aus zwei börsennotierten Großbanken. Sie setzt sich vor allem zusammen aus den Finanzgruppen der Sparkassen sowie der Volks- und Raiffeisenbanken, die in nonchalanter Verkürzung, aber nicht völlig zu Unrecht gerne von sich behaupten, sie stünden kumuliert für 80 % Marktanteil.Die beiden Verbünde sind es nun, die sich in der angelaufenen Bilanzsaison wortreich gleichsam dafür entschuldigen, dass es ihnen supergut geht. So klar sagt das natürlich keiner. Vielmehr bleibt die Klage der Gruß auch des Bank- und Sparkassenkaufmanns, und das Jammern, ohne zu leiden, gehört weiter zur hohen Kunst der Kommunikation. Aber die Repräsentanten der Institute und Verbände fühlen sich durchaus bemüßigt zu erklären, warum der schon nach dem Maya-Kalender längst überfällige Weltuntergang entgegen den meisten Prognosen auch durch Niedrig-, Null- und Negativzinsen sowie sonstige geldpolitische Absurditäten bisher nicht eingetreten ist. Das Publikum hat die seit fünf, sechs Jahren von Trübsal durchzogenen Prognosen schließlich noch im Sinn – oder zumindest im Zeitungsarchiv. War das also alles interessengeleiteter Alarmismus?Die Realität sieht jedenfalls so aus, dass die Institute in der Breite die Zinspolitik der EZB zwar tatsächlich Jahr für Jahr schmerzhafter zu spüren bekommen, die Auswirkungen auf ihre Erfolgsrechnungen aber in weiten Teilen ausgleichen oder sogar überkompensieren können. So ist es den gut 400 Mitgliedsbanken des Genossenschaftsverbandes gelungen, den Zinsüberschuss 2017 sogar leicht zu steigern, wenn auch weit unterproportional zum Bilanzwachstum. Bei den Sparkassen, deren Regionen bisher über das abgelaufene Jahr berichtet haben, sieht es kaum schlechter aus. Glatt erfunden und erlogen waren die Horrorszenarien dennoch nicht. Das konjunkturgetrieben enorme, zum Beispiel bei den Sparkassen im Südwesten rekordhohe Kreditwachstum, das die Zinserträge rettet, konnte niemand vorhersehen. Zugleich hat man bei den Ausblicken der vergangenen Jahre sicher etwas zu stark auf die unter Druck stehende Aktivseite abgehoben. Bilanzen haben aber auch eine Passivseite, auf der – abgesehen von den mehr und mehr abschmelzenden Altbeständen – Einlagen bestenfalls noch zum Gotteslohn vergütet werden.Derweil fahren die Institute langsam, aber sicher ihre Provisionsergebnisse hoch. Es wird munter an sämtlichen Preisschrauben gedreht, und die um ihre Altersvorsorge bangenden Kunden weichen zunehmend auf Wertpapieranlagen aus. Unterdessen ist die Aufwandsseite dank des meist sanften Filial- und Beschäftigungsabbaus gut unter Kontrolle. Kommt der Durchschnittskunde nur noch einmal pro Jahr in die Zweigstelle, ist eine behutsame Anpassung der Präsenz – nicht “Rückzug aus der Fläche” – eben kein Riesenaufregerthema. Die Verbünde machen schlicht ihre Hausaufgaben. Hinzu kommt, dass im aktuellen Wirtschaftsumfeld die Auflösung von Risikovorsorge mehr die Regel als die Ausnahme ist. Über Kernkapitalquoten in der Gegend von 18 oder 20 % muss man sich dann nicht wundern. Das alles ist schon recht nahe an der besten aller Welten.Übrigens ist die mindestens robuste Verfassung kein Spezifikum von Sparkassen und Volksbanken. Ein anderes Beispiel: Die filiallose und nach wie vor gebührenfreie ING-DiBa hat gerade ihr fünftes Rekordergebnis in Folge hingelegt. Bankenkrise? Welche Bankenkrise? —–Von Bernd WittkowskiDie Banken und Sparkassen müssen – und können – erklären, warum der Weltuntergang trotz der Zinspolitik der EZB bisher ausgeblieben ist.