Souverän auf dem internationalen Parkett

Herausforderungen bei multijurisdiktionalen Projekten in Wirtschaftskanzleien

Souverän auf dem internationalen Parkett

Dr. Christian Schefold, LL.M.Partner bei DentonsWarum loggen sich unsere Mitarbeiter aus Mexiko nicht in unser Konzerntool zum Personalmanagement ein? Die nutzen ja immer noch Papierformulare!” Dieser oder ähnliche Ausrufe verzweifelter Führungskräfte sind oft ein Kick-off für multijurisdiktionale Herausforderungen in einer disruptiven IT-Welt, die auch das Personalmanagement nicht verschonen. Der Konzern mit Sitz in einer bekannten deutschen Industrieregion hat sich für eine Personalverwaltungssoftware begeistert, die den strengen Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung entspricht – aber auf dem internationalen Parkett außerhalb der EU nicht mehr so recht begeistert. Selbst der deutsche Mittelstand ist außerhalb der Europäischen Union geschäftlich sehr aktiv: China, Russland sind bereits bekannte Märkte – aber auch Australien und einige lateinamerikanische Staaten wie eben Mexiko, Brasilien aber auch Kolumbien sind attraktiv. Derzeit kommt auch Afrika wieder in den Fokus und damit Zweigniederlassungen und Mitarbeiter in Marokko, Senegal und Südafrika. Was haben diese Staaten gemeinsam? Auch diese Länder haben ein mittlerweile weit entwickeltes Datenschutzrecht sowie hohe rechtliche Anforderungen an Arbeitgeber.Nicht nur die Europäische Union schützt die personenbezogenen Daten ihrer Bürger und schottet sich gegen Märkte mit anderen Datenschutzvorgaben ab. Mittlerweile tun dies viele Staaten und verlangen von internationalen Konzernen die strikte Compliance mit ihren jeweiligen Vorgaben. Es sollen ja nicht nur die deutschen oder europäischen Anforderungen erfüllt sein, ein Weltunternehmen will und soll sich auch an die Standards in anderen Erdteilen halten.Hier helfen international ausgerichtete Wirtschaftsanwälte, idealerweise mit einem Team von Kolleginnen und Kollegen, die in all den Staaten präsent sind, in denen ein Mandant mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder auch nur Mitarbeitern präsent ist. Gut, wenn schnell, einfach und auch zu vernünftigen Kosten Rechtsrat aus den entferntesten Teilen der Welt zusammengetragen werden kann. Rechtskulturen sind so unterschiedlich wie Landessprachen: Hier bedarf es Erfahrung sowie auch Übersetzungskunst – nicht nur hinsichtlich der Sprache, sondern auch des Rechtsverständnisses.Der Ausruf des Personalchefs muss zunächst für die Kollegen in Mexiko konkretisiert werden: Ist das Tool auf dem Laptop oder gar auf dem Mobiltelefon verfügbar? Wo sind die Datenserver? Wo gelangen personenbezogene Daten hin – nur in die EU oder auch in das Werk in den USA? Gibt es besondere Zustimmungen – etwa für Datentransfers außerhalb der Europäischen Union? Liegt ein Selbstzertifikat nach EU U.S. Privacy-Shield-Anforderungen beim US-Provider vor? Nicht zuletzt: Wie steht der Konzernbetriebsrat in Deutschland zu dem neuen Personalverwaltungs-Tool? Das will der Datenschutzbeauftragte im Werk in Mexico City unbedingt wissen. Gut, wenn Anwaltsteams weltweit häufig zusammenarbeiten und auch in einer Kanzlei verbunden sind. Hier sind keine mühsamen “Konfliktchecks” mehr nötig. Mandatsvereinbarungen liegen vor und auch das Profil des Mandanten sowie das Wissen um die Bedeutung bestimmter Fragen ist vorhanden.In Zeiten von abflauender Konjunktur und Unsicherheit durch globale Handelskonflikte sind Kostenaspekte wieder in den Vordergrund gerückt. Effizienz im Unternehmen, ein Shared-Services-Konzept, Arbeitsteilung im Konzern, Zentrierung einheitlicher Aufgabenbereiche von Compliance bis Zeitwirtschaft führen zu innerbetrieblichen Maßnahmen, die weltweite Kooperation erfordern. Wehe, wenn ein Betriebsteil nicht mitspielen kann oder gar will.Hindernisse im rechtlichen Bereich kann ein multijurisdiktional arbeitendes Team aus Wirtschaftsjuristen ausgleichen. Es gelingt aber oft noch mehr. Häufig werden die Besonderheiten des lokalen Rechts auch dazu genutzt, in der Unternehmensgruppe auch andere Positionen durchzusetzen. Die Personalabteilung in Mexiko-Stadt soll reduziert werden? Das neue mexikanische Datenschutzrecht könnte einen Grund dazu liefern, dass die Aufgaben nicht in das zentrale Shared-Service-Center nach Deutschland ausgelagert werden. Wenn Mitarbeiterdaten nur in Mexiko verarbeitet werden dürfen, dann muss die Funktion dort erhalten bleiben. Nun können Rechtsnormen strikt oder eher liberal ausgelegt werden. Wenn eine Kanzlei hier keine verlässlichen Kollegen vor Ort in Mexiko hat, können übertriebene rechtliche Argumente erhebliche Auswirkungen auf das Effizienzprogramm des Konzerns haben.Nicht nur die Mexikaner haben Vorbehalte gegen das neue Tool. Es meldet sich die Vertriebsniederlassung aus St. Petersburg: “Russische personenbezogene Daten dürfen nur in Russland verarbeitet werden!” Lokalisationsanforderungen werden gerade im internationalen Datenschutz immer häufiger. Der Datenschutz könnte bald eine neue Dimension von Handelshemmnissen darstellen, die gerade die moderne Welt der IT immer weniger global erscheinen lässt. Was früher einfache Export- oder Importverbote, dann übermäßige Zölle und später Produkt- oder Serviceanforderungen bewerkstelligten, kann heute ein übermäßiger Datenschutz darstellen, der Schutzanstrengungen anderer Länder als ungleichwertig diskreditiert oder gleich eine Verortung von Daten verlangt.Es bedarf profunder Kenntnisse des lokalen Rechts, verbunden mit einem regen Austausch über Anwendungsbeispiele und Methoden sowie einer globalen Erfahrung an Tipps und Tricks, die eine multijurisdiktionale Kanzlei mit der Fähigkeit auszeichnet, auch Lösungen für komplexe Vorgänge und Anforderungen zu finden. Es ist die Königsdisziplin globaler Anwaltsteams, einheitliche Konzernlösungen mit lokaler Anwendbarkeit zu finden und dann mit dem Mandanten auch gemeinsam weltweit umzusetzen. Nur globale Kanzleien schaffen hier die idealen Voraussetzungen für diese Erfolge, die ihren Mandanten effiziente und effektive Einheitslösungen im Konzernverbund sichern helfen. So kann das Lokalisationsgebot erfolgreich durch eine Umgestaltung der Prozesse der Personalverwaltung erfüllt und das Tool uneingeschränkt genutzt werden.Die Zusammenarbeit in Teams ist Grundvoraussetzung für die optimale Betreuung globaler Mandanten. Dabei kann der Schwerpunkt nicht auf einer Rechtsordnung liegen: Die Welt ist weder allein deutsch noch amerikanisch oder chinesisch. Multijurisdiktionalität lässt sich nur bei gegenseitiger Achtung und Anerkennung leben: Inklusion wird großgeschrieben. Somit kann ein optimaler und dabei auch kostengünstiger Erfolg nicht von einer Fachkraft aus einer bestimmten Rechtsordnung heraus betrieben werden. Es sind Anwälte aus allen betroffenen Rechtsordnungen erforderlich, die im gemeinsamen Austausch und auch mit Respekt für die unterschiedlichen Rechtsordnungen Lösungen erarbeiten. Gerade der gleichberechtigte Austausch ermöglicht Lösungsfindungen, die mit dem Blick auf nur eine Hauptrechtsordnung ausgeschlossen bleiben. Hier liegt der Vorteil polyzentrischer, globaler Kanzleien.Sprachkenntnisse sind unabdingbar. Oft reicht das Beherrschen einer Weltsprache alleine nicht mehr aus. Es erleichtert die Kommunikation innerhalb der Kanzlei und mit den Mandanten, wenn Anwaltsteams mehrsprachig kommunizieren und auch handeln können. Sprachen eröffnen zudem Kulturen – und auch das Verständnis für fremde Rechtsordnungen.Neben der Rechtsordnung, in der die juristische Erstausbildung erfolgte, ist ähnlich wie bei der Mehrsprachigkeit auch die Kenntnis weiterer Rechtsordnungen hilfreich. Das kann ein Zusatzstudium bewerkstelligen oder ein längerer, beruflich orientierter Auslandsaufenthalt. Ein erster Schritt ist die enge Zusammenarbeit mit ausländischen Kollegen zu Fachthemen. Oft kann so bereits durch Erfahrung und Übung ein Grundwissen über fremde Rechtsordnungen erreicht werden.Ferner hilft ein Gespür für die Sensibilitäten fremder Kulturen. Dazu müssen Rechtskulturen nicht exotisch sein; auch innerhalb der Europäischen Union ist häufig ein interkulturelles Fingerspitzengefühl für den Mandatserfolg unabdingbar.Kenntnisse des internationalen Kollisionsrechts führen einmal zu Problembewusstsein, dann aber auch zu gut anwendbaren Beratungsergebnissen. Was hilft eine sorgfältige Analyse mit Blick auf die eine Rechtsordnung, wenn zwar die Rechtsberatung stimmig ist, das Ergebnis im Ausland aber nicht durchgesetzt werden kann? Gerade in Zeiten eher national orientierter Politik erfolgt eine Gesetzgebung häufig nach den eigenen Maßstäben. Dabei wird die hohe Integration der Weltwirtschaft missachtet. Das jeweilige Recht kann oft schon in der Nachbarjurisdiktion nicht mehr angewandt werden; jeglicher Wirtschaftsaustausch wird von Unsicherheiten überschattet. Zwar wird ein multijurisdiktionales Anwaltsteam gewiss sichere Lösungen finden – hätte aber ein rechtsvergleichender und -integrierender Ansatz des lokalen Gesetzgebers hier nicht von vornherein Probleme vermeiden können?Der Erfolg global agierender Unternehmen wird von multijurisdiktional ausgerichteten Wirtschaftskanzleien unterstützt – im stärkeren Maße ist aber auch eine lokale Politik mit Blick auf globale Wirtschaftsgegebenheiten erforderlich. Der multijurisdiktionale Ansatz sollte sich nicht allein auf Beratung beschränken, er ist bereits bei der Gesetzgebung zu beachten. Nur so kann ein globaler Erfolg der lokalen Wirtschaft ermöglicht und gesichert werden.