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Spanien erwartet neue Konsolidierungswelle der Banken

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 8.9.2020 Am Dienstag vor einer Woche hatte der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Luis de Guindos, gemahnt, dass durch die Coronakrise Kosteneinsparungen im Banksektor "noch dringender" würden....

Spanien erwartet neue Konsolidierungswelle der Banken

Von Thilo Schäfer, MadridAm Dienstag vor einer Woche hatte der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Luis de Guindos, gemahnt, dass durch die Coronakrise Kosteneinsparungen im Banksektor “noch dringender” würden. “Fusionen auf nationaler oder europäischer Ebene können daher nützlich sein. Diese Konsolidierung sollte zügig und dringend vollzogen werden”, erklärte der frühere spanische Wirtschaftsminister.Zwei Tage später machten Caixabank und Bankia, die Nummer 3 und 4 in Spanien, bekannt, dass sie Verhandlungen für eine Fusion führen. Durch den Zusammenschluss entstünde ein neuer Marktführer in Spanien mit einer Bilanzsumme von rund 564 Mrd. Euro. Das Geschäft der portugiesischen Tochter BPI der Caixabank käme noch hinzu.Noch ist der Deal nicht in trockenen Tüchern und die diversen Aufsichtsbehörden müssen zustimmen. Doch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez kann der Operation “sehr positive Aspekte” abgewinnen, wie er am Montag erklärte. Die Nachricht der Fusionsgespräche zwischen den beiden Kreditinstituten wurde am Markt als Startschuss für die seit langem erwartete neue Konsolidierungswelle gewertet, mit Auswirkungen über die Landesgrenzen hinaus, insbesondere in Italien.Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie litten Spaniens Geldinstitute unter der schwindenden Ertragskraft, unter anderem wegen der anhaltenden Negativzinsen. Die Branche war durch die Immobilienblase im vergangenen Jahrzehnt völlig überdimensioniert, was Filialen und Mitarbeiter anbelangte.Im Zuge der Finanzkrise von 2008 verschwanden Dutzende Kreditinstitute, fast ausschließlich Sparkassen. Caixabank und Bankia sind selbst Produkt dieser Konsolidierung. Caixabank verleibte sich acht kleinere Geldinstitute ein sowie das Spanien-Geschäft von Barclays. Bankia ist aus dem Zusammenschluss der ehemaligen Cajamadrid mit zehn weiteren Sparkassen entstanden.Doch trotz der Konsolidierung und eines umfangreichen und für die Betroffenen schmerzhaften Abbaus des Filialnetzes und der Angestellten aller Banken sind die Kosten weiter zu hoch. Die Pandemie hat zudem für einen starken Schub für die Digitalisierung der Kunden gesorgt, die viel mehr über das Internet ihre Bankgeschäfte erledigen und weniger in die Filiale gehen. Wer ist die nächste?Seit geraumer Zeit kursieren in Madrid Spekulationen und halboffizielle Informationen über Gespräche in der Branche. Nach der Ankündigung von Caixabank und Bankia richten sich nun alle Blicke auf Banco Sabadell, die nach der Fusion der Konkurrenten als Nummer 4 im Markt weit abgeschlagen wäre. Die Bank aus Katalonien, zu der auch TSB in Großbritannien gehört, hatte vor Monaten nach Medienberichten selbst Kontakte mit Bankia gehabt. Auch eine Übernahme der kleineren Kutxabank hatten die Katalanen demnach schon einmal ausgelotet.Ausgerechnet die Analysten von Banco Sabadell wagten sich nun mit der Aussicht auf ein mögliches Gegenangebot von BBVA für Bankia hervor. Seit geraumer Zeit hält sich in Spanien die Version einer Übernahme durch den Bankriesen. Bei dieser Konstellation gäbe es jedoch ein Problem. Denn der Staat würde über seinen Anteil von 61,8 % an Bankia bei einem Verkauf zum größten Aktionär von BBVA werden, was den Aufsehern nicht gefällt.Der Branchenprimus Santander spielt in dem Fusionspoker keine Rolle. Die Analysten glauben den Worten des Vorstands, der stets beteuert, dass man immer noch an der Übernahme von Banco Popular vor drei Jahren zu kauen und daher kein Interesse an weiteren Zukäufen auf dem Heimatmarkt habe. Wie BBVA macht Santander den Großteil ihres Geschäfts im Ausland, im Rest Europas und in Amerika.Ansonsten stellt sich in Spanien die Frage nach der Zukunft der Banken in der zweiten Riege. Unicaja und Liberbank hatten im letzten Jahr erfolglos über eine Fusion verhandelt. Kaum jemand zweifelt an der Notwendigkeit, dass die spanischen Geldinstitute durch Zusammenschlüsse effizienter werden. Doch die Sorgen um den Wettbewerb auf dem umkämpften spanischen Retailmarkt nehmen mit der schwindenden Zahl der Anbieter zu. Verbraucherschützer warnten in diesem Sinne vor dem Zusammenschluss zwischen Caixabank und Bankia, und das Linksbündnis Unidas Podemos, der kleine Koalitionspartner des Sozialisten Sánchez, befürchtet gar ein Oligopol. So weit ist es nach Ansicht des spanischen Notenbankchefs Pablo Hernández de Cos jedoch noch nicht.Dennoch machen die Aufseher beim Banco de España keinen Hehl daraus, dass sie lieber einen ausländischen Käufer für Bankia sehen würden, da so die Zahl der Mitbewerber gleich bliebe. Doch die spanische Bankbranche weckt offenbar kein Interesse im Ausland. Schließlich fallen bei solchen Operationen nur geringe Synergieeffekte an. Früher einmal waren mehrere der großen europäischen Banken in Spanien stark vertreten. Heute ist die Deutsche Bank das letzte internationale Kreditinstitut mit einem nennenswerten Netz von 230 Filialen. Grenzübergreifende Fusionen in Europa seien “sehr komplex”, hatte der Vorsitzende von Bankia, José Ignacio Goirigolzarri, schon im Juni zu Protokoll gegeben.