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Spaniens Banken bereiten sich auf neue Fusionswelle vor

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 13.11.2015 Auf Pressekonferenzen und Tagungen der spanischen Finanzwelt kommt seit ein paar Monaten regelmäßig ein Thema zur Sprache: Wird es demnächst eine weitere Fusionswelle geben? Angestoßen hatte die...

Spaniens Banken bereiten sich auf neue Fusionswelle vor

Von Thilo Schäfer, MadridAuf Pressekonferenzen und Tagungen der spanischen Finanzwelt kommt seit ein paar Monaten regelmäßig ein Thema zur Sprache: Wird es demnächst eine weitere Fusionswelle geben? Angestoßen hatte die Debatte im Sommer der Vizegouverneur des Banco de España, Fernando Restoy, als er über die Notwendigkeit einer weiteren Konsolidierung der Branche angesichts der schwachen Ertragslage und des andauernden Niedrigzinsumfeldes sinnierte.Dabei sind einige Institute immer noch mit dem Verdauen der letzten Konsolidierung beschäftigt, die Spaniens Bankenlandschaft radikal verändert hat. Im Zuge der langen und schweren Krise nach dem Platzen der heimischen Immobilienblase 2008 hat sich die Zahl der Geldhäuser von rund 50 auf nunmehr 14 große und mittlere Banken, die der Aufsicht der EZB unterstehen, reduziert. Von den ehemaligen Sparkassen, die einst die Hälfte des Marktes beherrschten, sind nur noch zwei übrig, die sehr kleine Caixa Pollença auf Mallorca und Caixa Ontinyent in Valencia. BBVA und Santander vornAngeführt wird die Branche nach wie vor von Santander und BBVA, die Einzigen, die international breit aufgestellt sind und den Großteil ihres Geschäfts im Ausland machen. Dahinter folgen die ehemalige katalanische Sparkasse La Caixa und die verstaatlichte Bankia, vor Banco Popular und Banco Sabadell. Die restlichen acht Institute sind schon bedeutend kleiner. Alle Geldhäuser haben in den letzten Jahren milliardenschwere Aufwendungen zum Abbau der Altlasten aus der Immobilienblase aufgebracht, oft zulasten des Gewinns. Die Risikovorsorge wird von Quartal zu Quartal geringer, und der Anteil notleidender Kredite nimmt ebenso ab wie die verbleibenden Aktiva aus der Stein-und-Mörtel-Branche. Dank der sinkenden Rückstellungen konnten die meisten spanischen Banken zuletzt akzeptable Gewinnsprünge vorzeigen. Trügerisches BildDoch dahinter verbirgt sich ein trübes Bild. Denn trotz der konjunkturellen Wiederbelebung in Spanien ist die Ertragslage der Banken schwach. Der Zinsüberschuss der zehn größten Banken ist im dritten Quartal des Jahres gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben, und die Provisionen sind nur leicht gestiegen. Der Saldo der Kredite ist rückläufig, da die Vergabe neuer Darlehen bei fast allen Banken den fortschreitenden Abbau der Lasten aus dem Immobilienboom noch nicht ausgleicht.Neben den niedrigen Zinsen und einigen Gerichtsentscheidungen zulasten der Banken tobt in Spanien auch ein extrem harter Wettbewerb um neue Kunden, was die Rentabilität drückt. Dies bestätigen die Analysten von Citi in einer neuen Studie zum spanischen Markt.Manuel Romera, Leiter der Abteilung Finanzbranche der IE Business School in Madrid, hält weitere Zusammenschlüsse in der spanischen Kreditwirtschaft für möglich und wünschenswert. “Es gibt ganz offensichtlich ein Problem bei der Rentabilität, angesichts von Eigenkapitalrenditen unter 10 % im Jahr. Hinzu kommen die Anforderungen zur Stärkung der Solvenz aus Basel”, so der Experte.Bankvorstände sagen, dass nach der kräftigen Reduktion des Filialnetzes und dem Abbau von Mitarbeitern im Zuge der Konsolidierung der letzten Jahre das Potenzial für Kosteneinsparungen so gut wie ausgeschöpft sei. In den vergangenen zwölf Monaten ist, den Quartalszahlen von September zufolge, die Zahl der Außenstellen konstant geblieben. Romera glaubt aber, dass noch mehr geht. “Spanien hat die meisten Filialen pro Einwohner in Europa, aber die Mehrheit davon sind eher kleine. Wir bräuchten weniger Filialen, aber mit mehr Angestellten”, kommentierte der Finanzmarktfachmann. Er kann sich vorstellen, dass in Zukunft nur noch sechs Banken übrig bleiben.In Madrid wird nun eifrig darüber spekuliert, wer mit wem zusammengehen könnte. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Fusionen unter Gleichen oder die Übernahme der Kleinen durch die Großen geeigneter für das Finanzsystem des Landes sind. “Die spanische Finanzkrise hat gezeigt, dass Zusammenschlüsse nicht immer die beste Lösung für die Institute sind”, urteilte die Ratingagentur Moody’s in einem Bericht. “Nur die Deals, bei denen ein Großer einen Kleinen übernommen hat, haben funktioniert, nicht aber die Fusionen unter Gleichen”, so die Experten. Bankia als BelegEin Beleg für diese These ist Bankia, die aus dem politisch motivierten Zusammenschluss von sieben Sparkassen entstanden war, bevor sie für 23 Mrd. Euro vom Staat gerettet werden musste. Manchmal stehen auch die Egos der Vorstände potenzieller Partner im Wege. Der Vizegouverneur des Banco de España Restoy mahnte daher im Sommer, dass “Aspekte der Personen die geringstmögliche Relevanz” bei Fusionen haben sollten.Das ist bei Übernahmen durch große Geldhäuser selbstverständlich kein Problem. Wenn von der neuen Konsolidierungswelle die Rede ist, richten sich alle Blicke auf La Caixa in Barcelona. Die Holding von Caixabank hat zuletzt Banca Cívica, Banco de Valencia und das spanische Filialnetz von Barclays gekauft und hat offenbar noch nicht genug. “Ich sitze wie die Katze vor dem Mauseloch”, sagte der Vorsitzende Isidré Fainé im April der “Financial Times”. Das Kaufinteresse der Katalanen dürfte kaum abgenommen haben, nachdem im Sommer der Versuch scheiterte, den portugiesischen BPI komplett zu übernehmen.Auch BBVA schlug beim Verkauf der zuvor geretteten Geldhäuser zu und übernahm unter anderem Catalunya Banc. Doch ebenso wie der Erzrivale Santander beschränkt man sich beim Thema Übernahmen gewöhnlich auf die Standardaussage, dass man immer die Augen offen halte. Fraglich ist auch, was mit den beiden Banken passiert, die noch in staatlicher Hand sind. Die Regierung will die kleine BMN, deren Rettung 1,6 Mrd. Euro kostete, bald wieder loswerden. Mehr Zeit erfordert dagegen die Reprivatisierung von Bankia. Deren Geschäftsführer José Sevilla erklärte kürzlich, dass er sich eher einen stückweisen Verkauf am Markt vorstellen könnte, anstatt den 62 %-Anteil des Staates einem einzelnen Bieter zu übertragen.Sevillas Chef, der Vorsitzende von Bankia, José Ignacio Goirigolzarri, gehört zum Lager der Banker, die versichern, dass diese neue Fusionswelle noch Zeit brauche. Auch der Gouverneur der Notenbank, Luis María Linde, sagte, dass die nächste Konsolidierung “nicht schon morgen” stattfinden werde. Klar ist allen Beteiligten, dass vor 2016 nichts mehr passieren dürfte. “Es wird wohl kaum jemand vor den Parlamentswahlen am 20. Dezember die Karten aufdecken”, meint Romera.