Sparkassen brauchen ein Spitzeninstitut
Die Sparkassenorganisation muss sich auf den Weg machen, ihren Verbund in die Zukunft zu führen. Ein neues Spitzeninstitut, bestehend aus der Landesbank Berlin Holding AG, der DekaBank Deutsche Girozentrale und der Landesbank Hessen-Thüringen, wäre auf diesem Weg ein Meilenstein. Notwendigkeiten und Rahmenbedingungen lassen sich in zehn Punkten skizzieren.Einheitlicher Verbund – ein Wettbewerbsvorteil: Die Volks- und Raiffeisenbanken sind der wichtigste Wettbewerber der Sparkassen. Sie haben bereits eine weitgehend einheitliche Verbundstruktur aufgebaut. Die Fusion von DZ Bank und WGZ Bank wirkte wie der letzte Schienenstrang für eine Hochgeschwindigkeitsstrecke. Mit dieser Verbundeinheit werden die Genossenschaftsbanken ihr Tempo erhöhen, um ihre Marktposition zu verbessern. Die Sparkassenorganisation sollte also nicht noch länger zögern, ihre strukturellen Nachteile im Verbund zielgerichtet zu bearbeiten.Handlungsspielraum jetzt nutzen: Die Sparkassen sind Alleineigentümer der Landesbank Berlin Holding AG und der DekaBank Deutsche Girozentrale. Außerdem sind sie mit rund 83 % Mehrheitseigentümer der Landesbank Hessen-Thüringen. Diese drei Finanzkonzerne sollte man zu einem Institut verschmelzen. Sie gehören demselben institutsbezogenen Sicherungssystem an. In der dafür erforderlichen Risikobetrachtung sind sie für Sparkassen schon heute wie ein Gesamtgebilde zu berücksichtigen.DekaBank als Ausgangspunkt: Aufnehmendes Institut wäre die DekaBank, dauerhafter und einziger Sitz Frankfurt. Der neue Konzern hätte eine Bilanzsumme von ca. 350 Mrd. Euro und wäre damit auf Platz 24 in der Europäischen Union und auf Platz 63 weltweit. Das wäre wahrlich kein sich der Steuerung entziehender Gigant. Das neue Institut hätte die klassischen Girozentrale-Funktionen: Liquidität, Zahlungsverkehr, Gemeinschaftskreditgeschäft, Wertpapiergeschäft, gewerbliche Immobilienfinanzierung. Gemeinsam mehr ChancenKraft der Gemeinsamkeit: Das Verbesserungspotenzial wäre bemerkenswert. Beispiel 1: Deutschland ist Exportweltmeister. Der Marktanteil der Sparkassen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr entspricht dem nicht annähernd. Beim Dokumentengeschäft (Akkreditive) sieht es kaum anders aus. Ein zusammengefasstes Institut hätte größere Marktchancen. Beispiel 2: Bei der gewerblichen Immobilienfinanzierung besteht für die Einzelinstitute zurzeit keine Möglichkeit, gemeinsam festzulegen, welcher Risikoappetit besteht. Die Wettbewerbssituation will es so, dass es zurzeit zu einem gegenläufigen Arbeiten von Berlin Hyp, Helaba und DekaBank kommen kann.Klarheit bei der Vertikalisierung: Die beiden Großsparkassen in Berlin und Frankfurt, bislang Bestandteile der Landesbank Berlin Holding AG bzw. der Landesbank Hessen-Thüringen, sollen selbstständige Sparkassen an ihren Standorten bleiben. Sie werden nicht vertikal integriert.Dreifache Kosten: Die drei genannten Institute sind gut geführte Institute unter der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank. Deswegen haben sie beispielsweise dreimal ein einwandfreies Meldewesen, eine ordnungsgemäße Compliance-Organisation und institutsspezifische IT. Sie erstellen drei komplexe Jahresabschlüsse, die jeweils geprüft werden. Sie geben Gutachten zu oft ähnlichen Fragen in Auftrag, sie machen dreimal Öffentlichkeitsarbeit. Das ist sehr teuer. Sparkassen brauchen neben Exzellenz auch Effizienz.Interne Konkurrenz beenden: Kostenintensive, gegenseitige Konkurrenz in der Sparkassenorganisation, z. B. im Spezialfondsgeschäft oder im Zertifikategeschäft, käme auf den Prüfstand. Gute Projekte wie S-Kreditpartner oder S-Servicepartner könnten sich schneller und besser durchsetzen. Veränderung anpackenMotiv zur Veränderung: Die Frage, warum sich die Sparkassenorganisation nicht auf den Weg macht, ist kaum betriebswirtschaftlich zu beantworten. Die drei Konzerne haben über 20 Vorstandsmitglieder und Generalbevollmächtigte. Herzblut für eine Verschmelzung ist nur a) bei einer klaren Auftragslage und b) einer gewissen Übereinstimmung mit der persönlichen Lebensplanung zu erwarten. Hinzu kommt: Die jetzige Struktur mit drei Instituten bedarf zurzeit eines Apparates mit über 300 Positionen in Trägerversammlung, Verwaltungsräten, Aufsichtsräten und den rechtlich notwendigen Ausschüssen dieser Organe. Manche Mandatsträger nehmen bei den drei Konzernen in Person eine zweistellige Zahl von Posten wahr. Es fällt leicht, festzuhalten: Das ist nicht förderlich für Veränderungen.Rücksichtnahme bremst: Wer öffentliche Quellen studiert, erkennt schnell parteipolitisches sowie landsmannschaftliches Einfühlungsvermögen und versteht, dass spürbar Rücksicht genommen wird auf das Stimmverhalten bei anstehenden innerorganisatorischen Wahlterminen. Diese Rücksichtnahme ist nicht notwendig, die Sparkasseneinheit hingegen schon. Genau deshalb ist es in der aktuellen Phase bisher nicht gekannter Herausforderungen für das dezentrale Sparkassenwesen zwingend, entschlossen Beiträge zu liefern und jede einzelne Sparkasse noch wirksamer als bisher durch gute Verbund- und Verbandsarbeit zu unterstützen. Zur deutschen Sparkasseneinheit gehört Verbundeinheit.Return on Investment: Sparkassen haben im Jahr 2007 den Erwerb der Landesbank Berlin Holding AG mit 6,4 Mrd. Euro gestemmt. 2011 waren es 2,4 Mrd. Euro für den Kauf des 50-prozentigen Anteils der Landesbanken an der DekaBank. Hinzu kam 2012 die Kapitalerhöhung in Höhe von 750 Mill. Euro für die Helaba. In Summe sind das nahezu 10 Mrd. Euro. Viel Geld, um alles so zu belassen, wie es ist. Geschieht jetzt nichts, verpassen Sparkassen die Chance, diese Investitionen in Strukturen für die Zukunft zu wandeln.—-Dr. Rolf Gerlach ist Präsident des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare führender Vertreter der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Rolf GerlachRücksichtnahme auf parteipolitische Interessen ist nicht notwendig, die Sparkasseneinheit hingegen schon.——-