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Sparkassen hängen Kreditgenossen im Zertifikatemarkt ab

Von Jan Schrader, Frankfurt Börsen-Zeitung, 27.2.2019 Noch ist die Zeit an der Spitze der DekaBank für Konzernchef Michael Rüdiger nicht vorbei, doch ein wesentliches Erbe steht bereits fest: Der Manager, der im Dezember sein Ausscheiden für dieses...

Sparkassen hängen Kreditgenossen im Zertifikatemarkt ab

Von Jan Schrader, FrankfurtNoch ist die Zeit an der Spitze der DekaBank für Konzernchef Michael Rüdiger nicht vorbei, doch ein wesentliches Erbe steht bereits fest: Der Manager, der im Dezember sein Ausscheiden für dieses Jahr bekannt gab, hat die Bank und Fondsgesellschaft der Sparkassen in den vergangenen Jahren als Zertifikateschmiede aufgestellt – und damit den deutschen Markt tiefgreifend verändert. 2013 stieg die Bank im Frankfurter Trianon-Hochhaus unter Rüdigers Führung in das Geschäft ein. Seit dem gestrigen Dienstag ist bekannt, dass der Konzern die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Kreditgenossen, im Vertrieb an private Sparer vom Thron gestoßen hat. 12,3 Mrd. Euro per Jahresende führt die DekaBank im Bestand, wie der Deutsche Derivate Verband (DDV) berichtet. Während das Sparkassenhaus im Schlussquartal, als die Börsen weltweit in die Knie gingen, das Volumen dennoch ausbauen konnte, gab der Bestand der DZ Bank deutlich auf 11,1 Mrd. Euro nach. Gerade kapitalmarktnahe Produkte haben gelitten.Strukturierte Wertpapiere gibt es in alle möglichen Varianten. Zinsbasierte Zertifikate mit Kapitalschutz zählen ebenso zum Sortiment wie am Aktien- oder Anleihenmarkt ausgerichtete Instrumente. Die DZ Bank setzte hier beispielsweise im Jahr 2017 – jüngere Zahlen gibt es nicht – einen einstelligen Milliardenbetrag ab. Dabei wurde sie aber wie im Vorjahr von der DekaBank überboten, wie aus den Geschäftsberichten der beiden Häuser hervorgeht.Darüber hinaus sind meist über Online-Plattformen auch spekulative Hebelprodukte zu haben. Dieses Segment bedienen jedoch fast ausschließlich private Adressen, vorneweg Commerzbank und Deutsche Bank. Insgesamt erreicht das Volumen der Zertifikatebranche per Jahresende geschätzt 68,5 Mrd. Euro, wovon allein DDV-Verbandsmitglieder 63,0 Mrd. Euro halten.Ähnlich wie bei anderen Finanzprodukten hängt der Verkauf von Zertifikaten an den Vertriebskosten. Die Emittenten beteiligen die Vermittler mittels Provisionen und Ausgabeaufschlägen. So werden Expresszertifikate, die an einen Aktien- oder Indexkurs gekoppelt sind und je nach Kursentwicklung eine vorzeitige Rückzahlung vorsehen, sowohl in Sparkassen als auch in Genossenschaftsbanken rege verkauft und erreichen branchenweit einen Bestand von 14,8 Mrd. Euro. Im Durchschnitt erhält der Vertrieb hier 0,48 % pro Jahr, wie eine DDV-Studie von Ende 2017 zeigt. 0,26 % kommen als kalkulierte Marge hinzu, wovon die Emittenten leben.Ansonsten ist die Produktauswahl je nach Finanzfamilie verschiedenen: Sparkassenkunden bekommen häufig Aktienanleihen angeboten, im Prinzip also einen Hybrid aus Aktie und Anleihe. Kreditgenossenschaften setzen hingen stärker auf Discount-Zertifikate, ein weiteres Zwitterprodukt, sowie Bonus-Papiere, die statt einer Dividende bei bestimmter Kursentwicklung einen Extra-Betrag vorsehen. Auch bei den Zertifikaten mit Kapitalschutz gibt es Unterschiede zwischen den Gruppen. Nichts für Unerfahrene Während Fonds eine langfristige Anlage in Aussicht stellen, sind viele Zertifikate als Ergänzung gedacht. Sparer bereiten sich damit auf eine bestimmte Marktentwicklung vor. Damit verlangen die Produkte ihnen viel ab, denn Marktprognosen sind bekanntlich schwer. Zertifikate werden laut DDV eher an Anleger verkauft, die bereits in Fonds investiert haben und erfahren sind.Ob Kunden eher Fonds oder Zertifikate angeboten werden, beantworten die Vertriebsverantwortlichen der beiden Finanzgruppen unterschiedlich. Die jüngste Schwäche der Kreditgenossen im Zertifikatemarkt ist jedenfalls keine Folge mangelnder Vertriebskraft. Im Fondsgeschäft mit Privatleuten haben sie mit ihrer Tochter Union Investment die DekaBank bereits mehrfach abgehängt. Das Sparkassenhaus hat hingegen im vergangenen Jahr bis Ende September 4,3 Mrd. Euro Zertifikate im Massengeschäft abgesetzt und sich damit der Größenordnung des Fondsneugeschäfts angenähert. Hinzu kommen die Landesbanken: Nachdem die Helaba 2012 das Zertifikategeschäft von der gescheiterten WestLB geerbt und anschließend zurechtgestutzt hatte, legte sie zuletzt wieder zu. Die LBBW zählt bereits seit Jahren zu den größeren Emittenten, die BayernLB ist in zweiter Reihe dabei. Gemeinsam kommen die öffentlich-rechtlichen Häuser auf rund 50 % Marktanteil.Einen Dämpfer haben die Institute schon weggesteckt: Nachdem die Finanzaufsicht BaFin unter der Exekutivdirektorin und ehemaligen DekaBank-Chefjuristin Elisabeth Roegele zeitweise ein Vertriebsverbot für bonitätsabhängige Schuldverschreibungen ins Auge gefasst hatte, kam ihr die Branche Ende 2016 mit einer umfassenden Selbstverpflichtung zuvor. Seither ist das Segment der an Anleihen angelehnten Papiere um knapp ein Drittel auf 4,1 Mrd. Euro geschrumpft, was vor allem LBBW und DekaBank trifft. Noch stärker wiegt in der Gesamtstatistik aber der Rückzug privater Adressen nach der Finanzkrise. Seit 2007 halbierte sich das Volumen von damals 139 Mrd. Euro. Auch die Sparkassen können die Lücke bislang nicht füllen.