LEITARTIKEL

Sparkassenglück

Die Finanzkrise war ein Glücksfall für die deutschen Sparkassen. Abwegig? Nicht wirklich. Das Desaster an den Finanzmärkten könnte den Öffentlich-Rechtlichen die dauerhafte Existenz gerettet haben. Man blicke mal kurz in die Zeit vor 2007. Da hatten...

Sparkassenglück

Die Finanzkrise war ein Glücksfall für die deutschen Sparkassen. Abwegig? Nicht wirklich. Das Desaster an den Finanzmärkten könnte den Öffentlich-Rechtlichen die dauerhafte Existenz gerettet haben. Man blicke mal kurz in die Zeit vor 2007. Da hatten alle Schlaumeier dieser Welt schon das Sterbeglöcklein für die Häuser mit dem roten “S” bimmeln lassen. Bundesbank, Bundesregierung, Wirtschaftsforscher, nicht zuletzt der Internationale Währungsfonds, von den privaten Wettbewerbern gar nicht zu reden, brandmarkten das Dreisäulensystem der hiesigen Kreditwirtschaft als rückständig und verkrustet, mahnten die Lockerung des Regionalprinzips der Sparkassen an, legten diesen ans Herz, über andere Rechtsformen nachzudenken, riefen zu säulenübergreifenden Fusionen auf, forderten den Rückzug des Staates aus dem Geldgewerbe etc. pp. Der letztlich am Protest der Bürger gescheiterte Verkauf der Sparkasse Stralsund an private Interessenten, darunter die später selbst teilverstaatlichte Commerzbank, wurde gleichsam zur Schicksalsfrage für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des deutschen Bankensystems hochstilisiert.Wäre nicht die Krise dazwischengekommen, hätte es die von angelsächsischen Ideologien geprägte Phalanx der Systemveränderer irgendwann geschafft, den nationalen Branchenchampion zu zerlegen. Doch plötzlich, etwa von 2008 an, durften sich die Sparkassen als Hort der Stabilität feiern – und feiern lassen. Viele, für die bis dahin ein streng kapitalmarktorientiertes Finanzsystem das allein Seligmachende war, konvertierten zum Glauben an die stärker realwirtschaftlich und am Gemeinwohl ausgerichteten, dezentral aufgestellten Anbieter, zumindest aber an ein Modell der Diversität, in dem im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse unterschiedliche Geschäftsphilosophien ihren Platz haben. Im Lichte der Fälle IKB, Hypo Real Estate und Commerzbank sah die Welt eben auf einmal ganz anders aus. Kleiner Schönheitsfehler für die Sparkassen: Unter all den kolossalen Schieflagen während der Finanz- und der sich nahtlos anschließenden Staatsschuldenkrise fielen nicht zuletzt ihre regionalen Spitzeninstitute, die Landesbanken, reihenweise höchst unangenehm auf – höchst unangenehm vor allem für die Steuerzahler.Dies ist denn auch der Hauptgrund dafür, dass Heinrich Haasis die Malaise mitnichten als persönlichen Glücksfall auffassen kann. Als er vor sechs Jahren sein Amt als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) antrat, konnte er nicht ahnen, was da auf ihn zurollen würde. Doch der Krisenmanager, der den Stab am Dienstag an seinen Nachfolger, den früheren bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon, übergibt, hat die epochalen Herausforderungen für die S-Familie bravourös gemeistert. Unter seiner Führung – wobei der Präsident eines Verbundes selbständiger dezentraler Unternehmen ja bekanntlich kein Konzernchef ist – präsentieren sich die 426 Sparkassen mitten in der Krise und trotz beinharten Wettbewerbs, sicher unterstützt vom zumindest 2011 noch kräftigen konjunkturellen Rückenwind, cum grano salis in vortrefflicher Verfassung, was etwa Geschäftsentwicklung, Rentabilität und Kapitalausstattung angeht.Obendrein wurden unter Haasis wichtige strategische Weichen gestellt: Neben dem zwar bis an die Schmerzgrenze teuren, doch für die Gruppe elementaren Erwerb der Landesbank Berlin, durch den eine sparkassenfreie Zone just in der Hauptstadt verhindert wurde, gehören dazu zum Beispiel die erfolgreiche Abwehr Brüsseler Attacken auf den Schutz des Namens “Sparkasse” und auf das System der Institutssicherung sowie zuletzt die volle Übernahme der DekaBank, die womöglich neue strategische Optionen eröffnet. Alles in allem lässt sich bilanzieren, dass (auch) der DSGV-Präsident Haasis ein Glücksfall für die Sparkassen war.Seinem Nachfolger übergibt der 67-Jährige ein, so gut es die Krise zuließ, wohlbestelltes Haus. Ein leichtes Erbe tritt Fahrenschon derweil nicht an. Die Landesbanken sind trotz unbestreitbarer Erfolge bei den Reparatur- und Abbauarbeiten in weiten Teilen nach wie vor eine Großbaustelle. Geradezu eine unendliche Geschichte ist daneben das weite Feld der Regulierung, auf dem es zu verhindern gilt, dass mittelständisch geprägte Institute (und damit indirekt deren Kunden) durch zu wenig aufgefächerte, ihrer spezifischen Ausrichtung und den Besonderheiten dezentraler Verbünde nicht gerecht werdende Anforderungen unter die Räder kommen. Und nicht zuletzt muss der siebte Präsident in der Nachkriegsgeschichte des DSGV darauf gefasst sein: Die nächste Krise kommt bestimmt. Aus welcher Ecke, weiß er so wenig, wie es Haasis bei seinem Amtsantritt wusste.——–Von Bernd Wittkowski ——- Der scheidende DSGV-Präsident Heinrich Haasis übergibt seinem Nachfolger Georg Fahrenschon am Dienstag ein, so gut es die Krise zuließ, wohlbestelltes Haus.