Sprachpflege fördert die Wertpapierkultur
Die Börsencourtage ist out, das Handelsplatzentgelt ist in. Schon falsch! Denn “in” und “out” stehen, wenn es nach den Sprachpflegern der Kreditwirtschaft geht, vermutlich ebenso auf dem Index wie der “Indexdisclaimer”. Den gibt es künftig gar nicht mehr, und wir werden zum Glück nie erfahren, was mit diesem fürwahr überflüssigen Begriff überhaupt gemeint war, während sich schon der einfache, auch in sonst weitgehend deutschen Texten inflationär verwendete “Disclaimer” in “Wichtige Hinweise” verwandelt. Wie aus dem Kupon der Zinssatz, aus dem Leverage der Hebel und aus “Intraday” “innerhalb eines Tages” wird, aber – insoweit nicht ganz schlüssig – aus einer Kreditspanne ein Credit Spread.Eine große Koalition von Banken- und Sparkassenverbänden, Deutschem Derivate Verband, Verbraucherzentralen, Anlegerschützern (DSW) und – als Initiator – Bundesverbraucherschutzministerium hatte sich vorgenommen, die Verständlichkeit der Produktinformationsblätter für Finanzinstrumente zu verbessern. “Weg mit dem Fachlatein”, hieß das Motto. Jede Fachsprache lasse sich übersetzen, und selbst Texte, die strengen juristischen Vorgaben genügen müssen, könnten so geschrieben werden, dass sie von Nichtfachleuten verstanden werden. Einfach, verständlich, vergleichbar und transparent sollen die Informationen sein. Dafür wurde ein Glossar entwickelt und kürzlich veröffentlicht, an dem sich alle, die Produktinformationsblätter schreiben, fortan orientieren können. Kommunikationsspezialisten hatten 340 Informationsblätter verschiedener Produktgattungen wie z. B. Aktien, Anleihen, Zertifikate oder Pfandbriefe untersucht. Nahezu 500 fachsprachliche Begriffe wurden herausgefiltert, 258 davon, wie es in einer Broschüre heißt, “einer strengen Prüfung und anschließend 66 einem qualitativen Probandentest unterzogen”. Die in dem Heftchen gestellte Frage “Geht’s nicht auch verständlicher?” lässt sich hier ohne Weiteres mit “Ja” beantworten, nämlich etwa so: “258 Begriffe wurden näher hinterfragt und 66 davon an Testpersonen überprüft.”Letztlich fand man 131 Begriffe, die von den Emittenten “in der Regel” nicht mehr verwendet werden sollen. Ferner wurden 61 Begriffe festgelegt, die zu erklären sind, und es wurden 66 standardisierte Begriffserläuterungen entwickelt. Dabei zeigte sich wieder einmal, dass weniger mitunter mehr sein kann. So lässt sich das Emittentenrisiko statt äußerst umständlich auf 21 Zeilen auch knackig auf (im Originaltext) dreieinhalb Zeilen erklären, ohne dass substanzielle Informationen verloren gehen: “Anleger sind dem Risiko der Insolvenz, das heißt einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der xy Bank AG ausgesetzt. Ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals ist möglich.”Der Versuch, die Anleger durch Pflege der deutschen Sprache besser darüber aufzuklären, in welche Finanzprodukte sie investieren, ist gelungen. Bis Anfang Dezember, so empfehlen die Verbände, sollen Banken und Sparkassen die Vorgaben des Glossars umsetzen – ein kleiner, aber nicht unwichtiger Beitrag zur dringend notwendigen Förderung der Wertpapierkultur.