Starke Schwäche
Allianz startet mit starkem Quartal ins Jahr 2016: So titelt der Konzern über seiner Mitteilung zu den Geschäftsergebnissen, die er an die Investoren verschickte. Der Aktionär wird sich gefreut, sich dann aber die Augen gerieben haben. Denn direkt unter der Überschrift wird von einem sinkenden Gesamtumsatz und einem fallenden operativen Ergebnis berichtet. Ein Fall von Schönfärberei?Gemach. Klar, über einen Rückgang des Geschäfts freut sich prima vista niemand. Daher überraschte es schon, dass der Aktienmarkt bei der vorzeitigen Veröffentlichung der Eckdaten Anfang Mai die Allianz zum Dax-Tagessieger kürte. Verantwortlich war der Verkauf von Assets, der den Nettogewinn steil nach oben trieb. Der Witz allerdings ist: Die wahre Stärke der Allianz zeigt sich keinesfalls in diesem Einmaleffekt eines Anteilsverkaufs in China, den der Kapitalmarkt honorierte. Die eigentliche Übermacht demonstriert der europäische Branchenprimus dort, wo er schwach zu sein scheint: in der Sparte, die primär für den Beitrags- und Gewinnrückgang verantwortlich ist – der Lebensversicherung.Dabei sind ihr Beitragsminus von 11 % und ihr Einbruch des Gewinns um 16 % nicht von Pappe. Es könnte als Glück für den Konzernvorstand erscheinen, dass er die Schaden- und Unfallversicherer zu alter Stärke geführt hat und damit die Einbußen der Lebensversicherung großteils ausgleichen kann. Doch auch isoliert betrachtet liefert die Lebensparte hervorragende Arbeit. Denn: Sie packt ein Problem, das das Nullzinsumfeld schafft, endlich beherzt an, statt sich wegzuducken und das Geschäft einzudampfen bei noch hohen Renditen für einige Zeit. Zudem gilt: Die Einbußen sind großteils Einmaleffekten geschuldet und überschaubar angesichts der Tatsache, dass die Allianz-Lebensversicherer ihr Geschäft komplett umkrempeln.Mit dem Aussortieren der kapitalintensiven Garantie-Lebensversicherungen hätten die Gesellschaften ihre Existenzberechtigung am Markt komplett verlieren können. Stattdessen akzeptieren die Kunden die Ersatzprodukte. Ökonomisch rechnet sich die Umstellung – die auch Portfolioverkäufe etwa in Korea umfasst – für die Allianz, denn die Neugeschäftsmarge steigt.Wichtig allerdings ist: Die Kunden müssen ebenfalls auf ihre Kosten kommen. Die Verlagerung von Kapitalmarktrisiken auf den Policenkäufer darf nicht übertrieben werden. Garantien wie etwa der Beitragserhalt bleiben ein Markenkern der Assekuranz. Die Allianz hat dies erkannt, indem sie fondsgebundene Verträge nicht einseitig forciert. Derartige Geschäfte können Vermögensverwalter besser.