Steiniger Weg für Chinas Großbanken
Von Norbert Hellmann, Schanghai Chinas staatlich dominierte Banken stehen unter dem latenten Druck, marktgerechtere Zinsen zahlen zu müssen, und sie haben wachsende Kreditrisiken zu verarbeiten. Bei den vier größten Banken im Reich der Mitte zeigt die absolvierte Ergebnisvorlage für das Geschäftsjahr 2012, dass die Zeit der spektakulären Gewinnzuwächse in einer Größenordnung von 30 bis 40 % endgültig passé sein dürfte. Sie sind aber dennoch erstaunlich gut über die Runden gekommen.Beim Branchenführer Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), dem nach Bilanzsumme, Börsenwert und Ertragshöhe weltgrößten Kreditinstitut, ist der Gewinn nach Steuern noch einmal um knapp 15 % auf gewaltige 239 Mrd. Yuan (rund 30 Mrd. Euro) geklettert. Auch Konkurrenten wie China Construction Bank (CCB) und Bank of China (BOC), die ein sehr ähnliches Geschäftsmodell fahren, kommen mit Steigerungen um 14 beziehungsweise 12 % noch auf zweistellige Gewinnzuwächse. Die Analystenmeinungen sind geteilt, ob man dies als eine äußerst komfortable Ertragsentwicklung oder aber eine spektakuläre Erosion der Gewinndynamik zu verstehen hat. Von wegen MargendruckTatsache ist allerdings, dass die ersten Versuche der chinesischen Regierung und Zentralbank, Bewegung in das rigide Zinsgefüge zu bringen, das den Instituten satte Margen garantiert, zumindest bei den Großbanken wenig Eindruck hinterlassen haben. Im Versuch, einen stärkeren Konditionenwettbewerb anzuregen, wurde die zulässige Schwankungsbreite für Kredit- und Einlagenzinsen gegenüber den Leitsätzen bei 6 und 3 % erhöht. Dies hätte im Prinzip zu wettbewerbsbedingt niedrigeren Kreditzinsen für Unternehmen und höheren Sparsätzen für Einlagenkunden führen und die Margen fühlbar einengen sollen.Tatsächlich aber ist es Branchenprimus ICBC gelungen, die Nettozinsmarge von 2,61 auf 2,66 % auszudehnen, die CCB verzeichnet eine Ausweitung um ebenfalls 5 Basispunkte auf 2,75 %, Bank of China lag mit 2,15 nach 2,12 % ebenfalls leicht verbessert. Lediglich die in ländlichen Regionen besonders stark vertretene Agricultural Bank of China (2,81 nach 2,85 %) scheint das neue Zinsregime stärker zu spüren bekommen zu haben. Sie konnte den Jahresgewinn aber dennoch kräftiger um 19 % steigern.Dass Chinas Großbanken ein weniger flottes Gewinntempo vorlegen, liegt eher daran, dass der über weite Strecken des Jahres 2012 manifeste Konjunkturabschwung die Kreditnachfrage der Staatsunternehmen gedrosselt hat. Gleichzeitig haben sich die Banken auf Druck der Regulatoren hin bei Neukreditvergabe an chinesische Kommunen und deren Infrastrukturvehikel sowie an Immobilienentwickler stärker zurückhalten müssen, um einen Anstieg von Klumpenrisiken zu verhindern.Was allerdings die Sorge angeht, dass die chinesischen Banken zwangsläufig mit hohen Kreditausfällen zu rechnen haben, gibt es noch immer keine konkreten Anzeichen. So zeigen die Institute auch mit den Jahresabschlüssen für 2012 noch immer verdächtig niedrige und sogar noch rückläufige Kreditausfallquoten. Bei ICBC, CCB und Bank of China ist der Anteil der faulen Kredite am Gesamtportefeuille auf unter 1 % und damit historisch niedrige Werte gesunken. Dass die Bilanzen erhöhtem Stress ausgesetzt sein dürften, erkennt man allerdings daran, dass sich das Volumen der neuerdings nicht bedienten Kredite bei allen Großbanken erhöht. BonitätssorgenDarin dürfte sich vor allem eine verschlechterte Bonität im Unternehmenssektor widerspiegeln, nachdem sich in zahlreichen Branchen eine deutlich schwächere Ertragsentwicklung und rasante Verschuldungszunahme manifestiert hat. Bei den Kommunalkrediten wiederum sind die Banken einer möglichen Welle von Zahlungsausfällen vor allem durch Tilgungsstreckungen entgangen. Damit werden die Risiken freilich nicht aus der Welt geschafft. Allerdings tragen die Banken der Situation Rechnung, indem sie trotz optisch niedriger Ausfallquoten stillschweigend die Risikovorsorge kräftig aufstocken. Die verstärkte Polsterbildung ist ein wesentlicher Grund, warum im Jahr 2012 die Gewinne nicht mehr in den Himmel wuchsen. Dieser Trend dürfte auch im laufenden Jahr anhalten.