LEITARTIKEL

Steinreich und grundsolide

Seit Jahren steht es im Fenster, jetzt soll es bald so weit sein - das Gebäudeensemble am Potsdamer Platz, eine der bekanntesten Immobilien Berlins, soll verkauft werden. Genannt werden als Preis mehr als 1,4 Mrd. Euro - und damit mehr, als der...

Steinreich und grundsolide

Seit Jahren steht es im Fenster, jetzt soll es bald so weit sein – das Gebäudeensemble am Potsdamer Platz, eine der bekanntesten Immobilien Berlins, soll verkauft werden. Genannt werden als Preis mehr als 1,4 Mrd. Euro – und damit mehr, als der offene Immobilienfonds SEB ImmoInvest 2008 Daimler für den Komplex aus Büros, Einzelhandel und Kinos gezahlt hatte.Der Deal wäre symptomatisch für die Lage am Berliner Immobilienmarkt. Der boomt nämlich wie verrückt, wie die Zahlen für die ersten drei Quartale dieses Jahres zeigen. Mit 5 Mrd. Euro Transaktionsvolumen hat sich die Bundeshauptstadt an die Spitze aller deutschen Großstädte katapultiert – mit deutlichem Abstand zu Frankfurt. Das ist eine Entwicklung, die noch vor wenigen Jahren kaum denkbar war. Damals galt Berlin als industriearmer Verwaltungsstandort mit schwachen wirtschaftlichen Aussichten. Heute verfügt die Stadt über eine lebendige Gründerszene und gilt nicht zuletzt bei Ausländern wie zum Beispiel Israelis und US-Amerikanern als hip.Das große Interesse des Auslands an deutschen Gewerbeimmobilien zeigt sich auch am Potsdamer Platz. Mal heißt es, chinesische Investoren hätten sich gemeldet. Mal ist es mit Brookfield ein kanadisches Unternehmen, das exklusiv mit der Fondsgesellschaft des SEB ImmoInvest verhandeln soll. Auf jeden Fall wurden immer ausländische Adressen als potenzielle Käufer genannt. Das passt nicht nur gut zum Berliner Markt, sondern auch zum deutschen Gewerbeimmobilienmarkt insgesamt. Denn die Welt möchte nicht nur zu Gast in Deutschland sein, sondern auch ein Stück Deutschland besitzen. Etwas mehr als die Hälfte des Transaktionsvolumens von Januar bis Ende September entfiel auf ausländische Kapitalquellen.Sieht man sich die niedrigen Renditen an – bei Büroimmobilien im Schnitt etwas über 4 %, in Frankfurt schon deutlich darunter, im Einzelhandel, bei Logistik und Hotels ist mehr zu holen – stellt sich die Frage, warum diese Adressen sich mit diesen niedrigen Werten zufriedengeben. Deutschland gilt als sicherer Hafen ohne große Ertragsausreißer – nach oben, aber auch nach unten. Deshalb ist das Interesse ungebrochen, ja es dürfte sogar noch weiter zunehmen, so zumindest der Eindruck auf der Immobilienmesse Expo Real, die gestern in München zu Ende ging. Ausländische Pensions- und Staatsfonds, aber auch internationale Private-Equity-Fonds greifen gerne bei großvolumigen Objekten wie eben dem Potsdamer Platz, aber auch bei ganzen Portfolien zu. Bei Portfolien können es gerne auch paneuropäische sein, in denen ein wichtiger Teil auf Deutschland entfällt.Asiatische Investoren fallen zwar immer wieder durch spektakuläre Transaktionen auf. Das Volumen ist aber immer noch vergleichsweise klein. Da mag es bei dem einen oder anderen Bestandshalter noch am Vertrauen in die stringente Verhandlungsführung und zuverlässige Ausführung eines Deals geben. Dieses Problem dürfte aber durch den verlängerten Track Record recht bald keins mehr sein.Der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt steuert 2015 auf einen Rekord zu. Die Dealpipeline für das Schlussquartal ist sehr gut gefüllt. Auch auf der Expo Real gab es dazu intensive Gespräche. Thema waren dort aber auch Wohnimmobilien. Denn auch hier zeichnet sich für dieses Jahr ein Rekord ab. In den ersten drei Quartalen wurden Wohnanlagen und -pakete für rund 18 Mrd. Euro ge- und verkauft, fast doppelt so viel wie im Vergleichszeitraum 2014. Im Unterschied zum Gewerbemarkt dominieren hier allerdings nationale Player sowohl als Bestandshalter als auch als Käufer.Ein Ende des Booms ist hierzulande nicht abzusehen. Das Wachstum dieses Jahres dürfte weder im Gewerbe noch bei Wohnen auch 2016 zu erwarten sein, hieß es unisono auf der Messe. Eher ist mit einer Konsolidierung auf hohem Niveau zu rechnen – nicht weil die Nachfrage nachlassen würde, sondern weil das hochklassige Angebot zu noch akzeptablen Preisen immer knapper wird. Gerade im gewerblichen Bereich dürfte die Rendite noch weiter sinken, wenn auch nicht viel. Angesichts des extrem niedrigen Zinsniveaus im Euroraum stört das nicht weiter. Und Zinserhöhungen sind mit Blick auf die EZB vorerst, und das dürfte zumindest 2016 noch einschließen, nicht zu erwarten. Immobilien bleiben also für den langfristigen Investor unverzichtbar – und wer solide Erträge mit wenig Risiko will, der kommt am steinreichen und grundsoliden Deutschland nicht vorbei.——–Von Thomas ListDas Transaktionsvolumen am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt steuert 2015 auf einen Rekord zu. Das liegt am steigenden Interesse ausländischer Adressen.——-