RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HEINER HUGGER

Strafrechtlicher Druck gegen Steuersünder

Verjährungsfristen sollen auf zehn Jahre angehoben werden

Strafrechtlicher Druck gegen Steuersünder

– Herr Dr. Hugger, am 3. Mai hat der Bundesrat einen Gesetzesentwurf beschlossen, nach dem die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung von Steuerhinterziehung in allen Fällen auf zehn Jahre angehoben werden soll. Begründet wird das damit, dass eine wirksame Bekämpfung der Steuerhinterziehung eine Angleichung der Verjährungsfrist im Steuerstrafrecht an die Verjährungsfrist im Steuerrecht erfordere. Die Verjährungsfrist im Steuerstrafrecht beträgt derzeit in der Regel fünf Jahre, während die Verjährungsfrist im Steuerrecht zehn Jahre beträgt. Wie sehen Sie das?Die Begründung überzeugt mich schon aus zwei Gründen nicht: Erstens würde selbst der Gesetzentwurf in den wenigsten Fällen tatsächlich zu einer völligen Angleichung der Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht und Steuerrecht führen. Denn in beiden Rechtsgebieten folgen Beginn, Unterbrechung oder Hemmung der Verjährungsfristen vollkommen unterschiedlichen Regeln. Zweitens ist es im deutschen Rechtssystem ohnehin nicht unüblich, dass für Vorschriften aus verschiedenen Rechtsgebieten Unterschiede bei den Verjährungsfristen auch dann bestehen, wenn sie denselben Sachverhalt betreffen.- Inwiefern?So sind zum Beispiel die Verjährungsfristen für Strafvorschriften zu Schädigungshandlungen wie Betrug oder Untreue einerseits und zivilrechtliche Vorschriften zu Schadenersatz andererseits unterschiedlich. Wenn man tatsächlich eine Angleichung von Verjährungsfristen erreichen möchte, sollte eher die bereits seit dem Jahr 2008 auf zehn Jahre angehobene steuerstrafrechtliche Verjährungsfrist für besonders schwere Steuerhinterziehung wieder an die fünfjährige Verjährungsfrist für einfache Steuerhinterziehung und andere vergleichbare Wirtschaftsstraftaten angeglichen werden. Ich befürchte allerdings, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ohnehin nur vorgeschoben sein könnte.- Was ist denn nach Ihrer Ansicht der wahre Grund für den Gesetzentwurf?Tatsächlich könnte es vor allem darum gehen, den Fiskus bei der Durchsetzung seiner Steueransprüche langfristiger durch strafrechtlichen Druck zu unterstützen als andere Opfer von Wirtschaftsstraftaten.- Wodurch kommen Sie auf diese Einschätzung?In der Gesetzesbegründung klingt an, durch die Fristverlängerung solle auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei einer Selbstanzeige der “Steuersünder” lediglich wegen Steuerstraftaten reinen Tisch machen muss, die nach Steuerstrafrecht noch nicht verjährt sind, also derzeit in der Regel für die letzten fünf Jahre. Damit bestehe das Risiko, dass den Finanzbehörden eine möglicherweise erforderliche Korrektur der Steuerfestsetzung für die fünf Jahre davor mangels Informationen nicht ebenso leicht möglich sei, auch wenn die Verjährungsfrist für die Steuerfestsetzung zehn Jahre beträgt.- Ist es denn kein legitimer Zweck, durch den Gesetzentwurf die Steuerfestsetzung erleichtern zu wollen?Selbstverständlich ist es ein legitimer Zweck, Steuern einzutreiben. Der Zweck heiligt aber nicht alle Mittel. In unserer Rechtsordnung muss Gleiches grundsätzlich gleich geregelt werden. Unterschiedliche Regelungen bedürfen eines sachlichen Grundes.- Und dies sehen Sie hier in dem Fall nicht gewährleistet?Meines Erachtens ist es sachlich nicht gerechtfertigt, wenn der Staat sich bei der Durchsetzung seiner Steueransprüche gegenüber anderen Opfern von Wirtschaftsstraftaten bevorzugt, indem er langfristigeren strafrechtlichen Druck aufbaut. Der Staat bedarf bei Steuerstraftaten meines Erachtens keines stärkeren Schutzes als Einzelpersonen und Unternehmen, die durch andere Straftaten geschädigt werden. Auch deshalb sollte meines Erachtens die steuerstrafrechtliche Verjährungsfrist für besonders schwere Steuerhinterziehung wieder von zehn auf fünf Jahre herabgesetzt werden.—-Dr. Heiner Hugger ist Partner im Frankfurter Büro der Anwaltssozietät Clifford Chance. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.