Streit um Negativzins geht voraussichtlich nach Karlsruhe
Streit um Negativzins geht nach Karlsruhe
Commerzbank setzt sich gegen Verbraucherzentrale Hamburg durch – Revision am Bundesgerichtshof wahrscheinlich
jsc Frankfurt
Auf die deutsche Kreditwirtschaft kommt voraussichtlich bald ein neues Urteil aus Karlsruhe zu – diesmal zu Negativzinsen: Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt das Verwahrentgelt der Commerzbank als zulässig eingestuft hat, denkt die Verbraucherzentrale Hamburg laut über eine Revision am Bundesgerichtshof nach.
Der Streit über die Zulässigkeit von Negativzinsen dürfte in Kürze den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigen. Nach einem Urteil zugunsten der Commerzbank am Oberlandesgericht Frankfurt am Main zielt die klagende Verbraucherzentrale Hamburg auf eine Revision: Zwar treffen die Verbraucherschützer erst im Laufe der kommenden Woche dazu eine "endgültige Entscheidung", wie Sandra Klug, Abteilungsleiterin der Verbraucherzentrale für Geldanlage, Altersvorsorge und Versicherungen, am Donnerstag kurz nach dem Frankfurter Urteil sagte. "Ich gehe aber stark davon aus, dass der BGH über die Verwahrentgelte auf Sparbüchern entscheiden wird."
Zuvor hatte das Oberlandesgericht den Negativzinssatz der Commerzbank für Bankkonten als zulässig eingestuft und das vorherige Urteil des Landgerichts Frankfurt im Wesentlichen aufgehoben (Az. 3 U 286/22). Die Bank hatte, ähnlich wie etliche andere Geldhäuser auch, ein "Verwahrentgelt" von 0,5% pro Jahr jenseits eines Freibetrags eingeführt. Neukunden stimmten dabei in einer Rahmenvereinbarung dem Negativzinssatz zu, während die Bank mit einer vorformulierten Vereinbarung auf Bestandskunden zuging und diese Klausel "zur Diskussion stellte", wie es in der Mitteilung des Gerichts heißt.
Neue Rückforderungen
Derzeit erhebt die Commerzbank keine Negativzinsen mehr. Auch in der gesamten deutschen Kreditwirtschaft ist das Verwahrentgelt seit der Zinswende Mitte 2022 nicht mehr üblich. Relevant ist der Rechtsstreit für die Branche aber gleichwohl: Die Verbraucherzentrale Hamburg empfiehlt Kunden, Belege für das entrichtete Verwahrentgelt aufzuheben, um später das Geld zurückfordern zu können. Je nach Ausgang des Rechtsstreits kommen also womöglich Rückforderungen auf die Kreditwirtschaft zu.
Bisher haben Gerichte unterschiedlich geurteilt. Das Landgericht Berlin entschied im Oktober 2021 laut Verbraucherzentrale, dass die Sparda-Bank Berlin für die Verwahrung von Einlagen auf Giro- und Tagesgeldkonten kein Entgelt verlangen dürfe und unrechtmäßig erhobene Negativzinsen erstatten müsse. Ähnlich entschied das Landgericht Düsseldorf im Fall der Volksbank Rhein-Lippe. Auch in speziellen Fällen – für Kontokorrentkonten, Riester-Sparpläne und Geldanlageverträge – sind Negativzinsen laut diversen Urteilen unzulässig. Das Oberlandesgericht Dresden hat aber für die Sparkasse Vogtland entschieden, dass ein Verwahrentgelt für Neuverträge möglich sei.
Detailfragen mit Gewicht
In der juristischen Bewertung zählt laut dem jüngsten Frankfurter Urteil erstens, ob es sich bei der Klausel um eine sogenannte Preishauptabrede handelt, also um eine Vereinbarung zwischen Kunde und Bank über eine Hauptleistung in Sparverträgen, oder aber um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die ein Gericht im Rahmen einer "Inhaltskontrolle" genauer überprüfen kann. Anders als zuvor das Landgericht geht das Oberlandesgericht Frankfurt von einer Preishauptabrede aus. Diese Lesart kommt der Kreditwirtschaft entgegen, weil eine AGB-Inhaltskontrolle in diesem Fall entfällt, die Klauseln also nicht mit gleicher Strenge bewertet werden.
Doch auch wenn zweitens die Klausel als AGB eingestuft werden sollte, wäre der Negativzins nach Auffassung des Oberlandesgerichts zulässig. Die Klauseln seien "weder intransparent noch überraschend", die Kunden erklärten sich "klar und unmissverständlich" mit ihrer Unterschrift einverstanden. Auch handele es sich nicht um einen Darlehensvertrag, bei dem der Kunde einer Bank das Geld quasi als Kredit ausreicht und Negativzinsen dem Grundgedanken der Vereinbarung zuwiderlaufen. Eine Revision lässt das Gericht "wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache" aber ausdrücklich zu.