Bankenaufsicht

Stresstest schürt falsche Erwartungen

Nach dem guten Stresstest-Ergebnis rufen Banken bereits nach Entlastung. Dabei bietet die Übung keine gute Basis für politische Forderungen.

Stresstest schürt falsche Erwartungen

Solide kapitalisiert“, „hohe Resilienz“, „Risikotragfähigkeit recht gut“ – wer Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling zuhört, muss zum Eindruck gelangen, dass die deutsche Aufsicht zufrieden mit der Kapitalausstattung der Banken ist. Auch BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler hält eine Krise für beherrschbar. Optimistische Töne zu den Folgen einer Zinswende kommen hinzu. So viel Lob hat die Kreditwirtschaft wohl nicht erwartet. Damit schürt die Aufsicht Erwartungen.

Natürlich sind die Chefaufseher der Banken klug genug, um ihr positives Fazit zu relativieren. Der übliche Verweis auf die Unsicherheit der Szenarien, auf einige Problemfälle in der Bankenzunft und auf Mängel hie und da fehlt freilich nicht. „Professionelle Sorgenfalten“ nennt Wuermeling die unverzichtbare Skepsis der Aufseher, und Röseler mischt mit seiner Warnung vor einem womöglich „perfekten Sturm“ für das Wirtschaftsgeschehen auch noch ein paar dramatische Töne unter. Eine Bankenkrise oder Kreditklemme erwartet die Aufsicht aber nicht – beziehungsweise, Vorsicht muss sein, „aktuell“ nicht. Damit ist das Resümee trotz der eingeschobenen Molltöne positiv.

Es wird nicht lange dauern, bis der Ruf nach einer Entlastung für die Institute lauter wird. Die zusätzlichen Kapitalaufschläge, die vor einigen Monaten wegen der bereits damals wackeligen Konjunktur und der stark gestiegenen Immobilienpreise eingeführt worden waren, lassen sich mit einem positiven Resümee zur Kapitalausstattung nicht mehr so geschmeidig begründen wie zuvor – obwohl doch Krieg, Inflation, Energiekrise und Rezession genug Stoff für Warnungen böten. Die Deutsche Kreditwirtschaft als Sprachrohr der Branche forderte nach Veröffentlichung der Ergebnisse, dass Aufseher die individuellen Kapitalquoten von Banken „mit Bedacht“ wählen sollen. Absehbar ist auch eine Forderung nach einer Entlastung im Meldewesen, denn allein der Stresstest brachte eine Excel-Datei mit hunderten Datenfeldern mit sich. Die Aufsicht, so machte BaFin-Mann Röseler deutlich, wünscht sich aber eher mehr Stresstests, um mit den Annahmen nicht so sehr hinterher zu sein wie in der aktuellen Runde. Die laufende Re­form des Meldewesens soll es möglich machen. Eine gute Kapitalausstattung ist eine Steilvorlage für Kritiker, das Vorhaben in Frage zu stellen.

Der aktuelle Stresstest zeigt einmal mehr, dass die Übungen einen politischen Charakter haben. Fallen sie schlecht aus, sorgt die Aufsicht für Unruhe und baut Druck auf. Sind die Ergebnisse solide, wird der Ruf nach Entlastung laut. An der Grundüberlegung ändert sich aber unabhängig vom Stresstest nichts: Kapitalpolster schützen vor Bankpleiten, regelmäßige Stresstests geben Aufsehern ein Gespür für Risiken.

Die Aussage zur Lage der gesamten Kreditwirtschaft ist hingegen begrenzt. Das Ergebnis hängt auch von Modellannahmen ab – das macht die Testergebnisse unvermeidbar willkürlich. Risiken für eine gesamte Branche sind im komplexen Finanzwesen schwer messbar, verlässliche Aussagen erlaubt die detailreiche Abfrage eher für einzelne Institute oder für Teilsegmente. Der Stresstest ist eine Rechenübung, die Aufsehern eine Orientierung gibt und die Sensibilität der beaufsichtigen Häuser schärft. Mehr nicht.

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