Strukturierte Produkte haben großen Aufschwung erlebt

Das umfangreiche Sortiment kann in die Kategorien Schutz, Optimierung, Partizipation und Hebel eingeteilt werden

Strukturierte Produkte haben großen Aufschwung erlebt

Niedrige Zinsen und hohe Kursschwankungen an den Finanzmärkten sowie niedrige Budgets für risikobehaftete Anlagen sind für Privatanleger wie auch für professionelle Anleger eine große Herausforderung. Bei institutionellen Investoren erschweren außerdem die wachsenden regulatorischen Anforderungen die Umsetzung von Investmentstrategien. Nur durch die kreative Kombination einer Vielfalt von Anlageinstrumenten können Investoren heute in jeder Marktlage die für ihre Bedürfnisse richtige Antwort finden. Als alles begannNachdem 1990 das erste Indexzertifikat aufgelegt wurde und 1995 das erste Discount-Zertifikat sein Debüt feierte, haben strukturierte Produkte wie Zertifikate, Aktienanleihen und Hebelprodukte einen großen Aufschwung erlebt. Nicht zuletzt dank der Innovationskraft der Emissionshäuser haben sich die verbrieften Derivate in Deutschland als Finanzinstrumente etabliert, mit denen Investoren präzise dem individuellen Risikoprofil und der individuellen Risikotoleranz entsprechend eine Strategie implementieren können. Im Laufe der vergangenen Jahre ist das Angebot auf mehr als 1,2 Millionen strukturierte Produkte gewachsen, in denen die Banken Anlegergelder in Höhe von rund 80 Mrd. Euro verwalten. Deutschland ist – gemessen an der Produktzahl – der größte Markt in Europa. Bezogen auf die Assets under Management von 189 Mrd. Euro ist die Schweiz der größte europäische Markt.Die große Zahl an Produkten kann grob in die Kategorien Schutz, Optimierung, Partizipation und Hebel eingeteilt werden. Anleger mit geringer Risikotoleranz finden Produkte, die einen teilweisen oder vollen Schutz des investierten Kapitals bieten. Hier sind als Beispiele Bonus-Zertifikate und Kapitalschutz-Papiere zu nennen, mit denen Anleger sehr gut asymmetrische Chance-Risiko-Profile abbilden können.Das Produktangebot umfasst auch Anlagezertifikate, mit denen Investoren mit moderater bis hoher Risikotoleranz die Rendite optimieren können, selbst wenn die Märkte seitwärts tendieren. Dazu zählen Discount-Zertifikate, Express-Papiere oder auch Aktienanleihen.Anleger mit mittlerer bis hoher Risikoakzeptanz finden ebenso Strukturen, die die Kursentwicklung von Märkten, Rohstoffen, Devisen oder auch Aktien eins zu eins abbilden – wie es beispielsweise Index- und Partizipationszertifikate tun. Für Investoren mit einer hohen Risikotoleranz werden Hebelinstrumente angeboten, mit denen sie mit einem geringen Kapitaleinsatz überproportional von der Kursentwicklung des Basiswertes profitieren oder das Portfolio absichern können. Dazu zählen neben Optionsscheinen auch Knock-out-Produkte und Faktor-Zertifikate.Im Unterschied zu den Differenzkontrakten, den Contracts for Difference (CFD), bleibt der Maximalverlust auf den Einsatz beschränkt. Als die Schweizer Notenbank den Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro am 15. Januar überraschend aufgab, mussten viele Anleger von CFD erkennen, dass trotz Stop-Loss-Order Verluste von mehr als dem eingesetzten Kapital möglich sind. Die Anleger wurden nach der Freigabe des Schweizer Franken mit erheblichen, in einigen Fällen sogar ruinösen Mar-gin-Nachforderungen seitens der CFD-Anbieter konfrontiert. Verbriefte Derivate sind hingegen so konstruiert, dass niemals eine Nachschusspflicht besteht. Das maximale Verlustrisiko ist somit immer auf den Kapitaleinsatz beschränkt. Niedrige KostenDas große Produktangebot ermöglicht es den Anlegern, in Märkte, Themen oder auch Rohstoffe zu investieren, die ansonsten schwer zugänglich sind. Und das zu niedrigen Kosten: Eine Studie von 2013 zeigt, dass die durchschnittliche Emittentenmarge bei lediglich 0,46 % pro Jahr liegt – deutlich weniger als bei vielen anderen Finanzprodukten. Den vom Emittenten geschätzten Wert, den Issuer Estimated Value, weisen die Emittenten in den Produktinformationsblättern seit dem vergangenen Jahr aus.Bei Zertifikaten und strukturierten Anleihen handelt es sich rechtlich um Inhaberschuldverschreibungen. Je nach Produktkategorie sind diese Produkte neben dem allgemeinen Marktrisiko auch dem Ausfallrisiko des Emittenten ausgesetzt. Das unterscheidet sie vom Sondervermögen der Fonds. Vorsichtige Anleger haben die Möglichkeit, das sogenannte Emittentenrisiko durch pfandbesicherte Produkte zu minimieren. Beliebteste Papiere sind die mit COSI (Collateral Secured Instruments) besicherten Zertifikate. Das Emittentenrisiko wird vermindert, indem ausgewählte Sicherheiten wie Anleihen, Cash oder Aktien beim Zentralverwahrer hinterlegt werden. Sollte der Emittent bei Verfall des Produkts Zahlungs- oder Lieferschwierigkeiten haben oder die geforderten Sicherheiten nicht rechtzeitig oder nur mangelhaft leisten, werden die hinterlegten Sicherheiten umgehend verwertet und zum Marktwert verkauft.In dem großen Angebot befinden sich Produkte, die sich auf Basiswerte beziehen, die nur an ausländischen Börsen gehandelt werden, deren Basiswerte in anderen Zeitzonen oder unterschiedlichen Währungen notieren oder auch nur für definierte Anlegergruppen zugänglich sind wie beispielsweise in China. Klare Regularien verpflichten die Banken und Emissionshäuser, für ihre Produkte während der normalen Handelszeiten laufend An- und Verkaufskurse mit Mindestangebotsmengen zu stellen, um den Handel jederzeit zu ermöglichen. Mit der Preisfeststellung beauftragte Spezialisten sorgen auch in volatilen Marktphasen für eine faire Preisbildung, die zudem von der Handelsüberwachungsstelle der Börse kontrolliert wird.Investoren kommen zudem über Börse Frankfurt in den Genuss einer Qualitätskontrolle, die es in dieser Form bei den außerbörslichen Handelsplattformen nicht gibt. Das Automatic Trade Control (ATC) sichert Anlegern ein hohes Maß an Sicherheit, Transparenz und Qualität der Ausführungen. Dieses in Europa einmalige Kontrollsystem unterzieht den Börsenhandel mit Anlage- und Hebelprodukten einer automatischen Kontrolle. Die Orders werden durch das ATC nach ihrer Ausführung in Echtzeit einer Prüfung durch verschiedene Routinen unterzogen. Diese umfangreichen Analysen des Handelskontrollsystems sind in der Lage, Auffälligkeiten bei der Preisbildung zu entdecken. Das Automatic-Trade-Control-System kann somit Emittenten und Anleger gleichermaßen vor unerkannten Fehlorders bewahren.Die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 war sicherlich eine Zäsur für den Markt der strukturierten Produkte. Doch die Branche hat das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen können, indem die Emittenten seitdem die Transparenz ihrer Produkte verbessert und durch den sogenannten “Fairness-Kodex” eine Selbstregulierung vorgenommen haben, die es in dieser Form in anderen Bereichen der Finanzproduktindustrie nicht gibt. Die Einhaltung der Regeln wird von einem wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Derivate Verbandes, der Interessenvertretung der Branche, überwacht.Mit der Produktklassifizierung in Form einer Derivate-Liga, der Festlegung einheitlicher Fachbegriffe, den Muster-Produktinformationsblättern für alle Zertifikate-Typen, aussagekräftigen Risikokennzahlen für die meisten strukturierten Produkte und den Zertifikate-Indizes, die einen Leistungsvergleich mit anderen Produkten ermöglichen, besitzen Zertifikate mittlerweile eine größere Transparenz als fast alle anderen Finanzprodukte. Zahlreiche SuchtoolsDamit sich die Anleger in der Produktvielfalt zurechtfinden, stehen auf den Finanzportalen zahlreiche Suchtools zur Verfügung. Außerdem werden Webinare und Seminare für Einsteiger und Fortgeschrittene angeboten, unter anderem von den Online-Brokern und der Börse Frankfurt Zertifikate AG. Gute Informationsmöglichkeiten bieten weiterhin die in verschiedenen deutschen Großstädten stattfindenden Börsentage sowie die beiden größeren Messen, die World of Trading in Frankfurt und die Invest in Stuttgart.—Simone Kahnt-Eckner, Vorstand Börse Frankfurt Zertifikate AG