GASTBEITRAG

Sustainable Finance braucht Raum zum Wachsen

Börsen-Zeitung, 16.6.2018 Mit dem Aktionsplan "Financing Sustainable Growth" und der Vorlage der ersten Legislativvorschläge durch die Europäische Kommission hat die Diskussion über eine nachhaltige Ausgestaltung des Finanzsystems enorm an Tempo...

Sustainable Finance braucht Raum zum Wachsen

Mit dem Aktionsplan “Financing Sustainable Growth” und der Vorlage der ersten Legislativvorschläge durch die Europäische Kommission hat die Diskussion über eine nachhaltige Ausgestaltung des Finanzsystems enorm an Tempo zugelegt. Die privaten Banken begrüßen diese Entwicklung ausdrücklich, insbesondere mit Blick auf die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens. Die Kommission hat mit dem Aktionsplan eine zeitlich und inhaltlich sehr ambitionierte Agenda aufgestellt. Bereits bis Mitte 2019 sollen die wichtigsten Vorhaben auf den Weg gebracht werden. Doch bei aller Begeisterung und Aufbruchsstimmung dürfen die vielfältigen und komplexen Wechselwirkungen mit anderen Regulierungsbereichen nicht unterschätzt werden. Was heißt das konkret? Wichtig ist vor allem, die einzelnen Maßnahmen in der richtigen Schrittfolge umzusetzen. Als Erstes brauchen wir eine Klärung der Begrifflichkeiten, die sogenannte Taxonomie. Ist dies erfolgt, sollte eine Bestandsaufnahme vorgenommen werden. Und erst dann – als dritten Schritt – gilt es, die richtigen regulatorischen Rückschlüsse zu ziehen. Dabei müssen die Grundsätze der Finanzmarktstabilität auch für den Sustainable-Finance-Ansatz gelten. Mögliche Risiken von nachhaltigen Finanzierungen dürfen nicht ausgeblendet werden. Doch zurück zum ersten Schritt: Um nachhaltige Anlageprodukte und Finanzierungen erfolgreich zu platzieren, sind verlässliche Rahmenbedingungen und Definitionen unabdingbar. Mit der von der Europäischen Kommission angekündigten “Sustainability-Taxonomie” wird zwar der richtige Weg eingeschlagen. Die bereits angelaufenen Diskussionen hinsichtlich Flexibilität und Detailtiefe zeigen aber eines deutlich: Praxistaugliche Lösungen wird es nur bei einer sorgfältigen Vorgehensweise geben.Dies gilt auch für die Vielzahl weiterer Vorschläge, die im Aktionsplan enthalten sind. Ausgereifte Ansätze aus einem Guss – sei es bei der Schaffung von neuen Labels, der Bewertung von Klimarisiken oder der Weiterentwicklung der nichtfinanziellen Berichterstattung – gibt es nun einmal nicht vom Reißbrett; dafür ist die Datenlage häufig noch zu eingeschränkt bzw. zu stark fragmentiert. Umsicht und Genauigkeit sind daher erforderlich. Deshalb ist es wichtig, als zweiten Schritt eine umfassende Analyse vorzunehmen. Durch den von der Kommission aufgebauten Zeitdruck drohen allerdings regulatorischer Aktionismus und eine Überfrachtung bereits existierender Vorschriften, die die Umsetzung von Sustainable Finance erschweren. Unausgegorene Lösungen wären bedauerlich, weil Sustainable Finance schon heute ein sehr dynamisches Marktsegment ist. Etablierte Produktgruppen wie Green Bonds oder nachhaltige Investmentfonds zeigen das eindrucksvoll: Seit Jahren weisen sie hohe Wachstumsraten aus. Allein bei Green-Bond-Emissionen wird weltweit in diesem Jahr mit einem Anstieg um 60 % auf 250 Mrd. Dollar gerechnet. Seit 2005 beträgt die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bei nachhaltigen Fonds und Mandaten in Deutschland nach Berechnungen des Forums Nachhaltige Geldanlagen rund 30 %. Diese Marktdynamik sollte aufrechterhalten und nicht durch ein Übermaß an vorschneller Regulierung eingeschränkt werden. Die deutsche Bankenlandschaft ist im Übrigen schon heute hervorragend aufgestellt, um ein nachhaltiges Angebotspaket für Kunden zu schnüren. Nicht zuletzt die privaten Banken und ihre Tochtergesellschaften engagieren sich bereits seit mehreren Jahren im Bereich Sustainable Finance. Die Leistungen fangen an bei der Energieeffizienzberatung und der Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten und reichen über die Unterstützung von Unternehmen bei der Strukturierung und Emission von nachhaltigen Anleihen bis hin zur Berücksichtigung von ökologischen, ethischen oder sozialen Aspekten bei der Kreditvergabe. Zusammenarbeit mit der KfWEin gutes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): Im Jahr 2017 waren die privaten Banken der wichtigste Vertriebskanal für die Förderprogramme der KfW Mittelstandsbank in den Bereichen Umwelt, Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien und Energieeffizienz.Auch im globalen Handel setzen sich die privaten Banken in Deutschland für nachhaltiges Wirtschaften ein. Als zentraler Finanzierungspartner der deutschen Exportwirtschaft – 88 % des deutschen Außenhandels laufen über private Institute – stehen sie mit ihrer Expertise den Unternehmen beratend zur Seite. Die privaten Banken verfügen über umfassende Leitlinien und Rahmenwerke, die sicherstellen, dass international praktizierte und anerkannte Standards zu Umwelt- und Sozialbelangen – wie z. B. die “Zehn Prinzipien des UN Global Compact” oder die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen – berücksichtigt werden. Auch an der Entwicklung der “Green Bond Principles” im Rahmen der International Capital Market Association haben private Banken aus Deutschland mitgewirkt. Im vergangenen Jahr begleiteten deutsche Institute mehrere großvolumige Green-Bond-Emissionen. Es zeigt sich deutlich: Banken nutzen bereits heute die Chancen, die sich im Rahmen einer nachhaltigen Finanzwirtschaft ergeben. Noch ist Sustainable Finance aber ein zartes Pflänzchen, das genügend Platz zum Wachsen braucht. Um diesen Platz zu erhalten, ist die richtige Schrittfolge entscheidend. Die Kommission darf nicht gleich im Übereifer wieder unnötig zurechtstutzen, was gerade erst zu blühen begonnen hat. Ansonsten wird die Ernte spärlich ausfallen. Dementsprechend behutsam sollten die Regulatoren den Sustainable-Finance-Aktionsplan umsetzen.—-Christian OssigHauptgeschäftsführer Bundesverband deutscher Banken