Sustainable Finance - von der Nische zum Mainstream

Finanzbranche wird gesellschaftlich sinnvolle Rolle einnehmen und den Trend zur Nachhaltigkeit forcieren

Sustainable Finance - von der Nische zum Mainstream

Nachhaltigkeit, Klimaschutz und verantwortungsvolles Bankgeschäft – diese Themen nehmen in der Finanzbranche an Bedeutung zu. Die gesellschaftliche Debatte rund um “Fridays for Future”, die politische Entwicklung in Deutschland mit dem kürzlich veröffentlichten Klimaschutzplan der Bundesregierung und die erneute Debatte um die Rolle des Klimawandels nach dem zweiten Hitzesommer in Folge sind dabei nur einige Symptome einer breiteren Veränderung, die schrittweise politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge erfasst.Das Finanzsystem befindet sich inmitten dieser Veränderung, das Schlagwort lautet: “Sustainable Finance”. Unter dem Begriff wird eine Menge subsumiert. Im Frühjahr 2018 hat die Kommission der Europäischen Union (EU) ihren Aktionsplan “Financing Sustainable Growth” vorgelegt. Er beinhaltet insgesamt zehn Maßnahmen, um Europa zum Vorreiter beim Klimaschutz zu machen. Den Schlüssel sieht die Kommission dabei in der Finanzbranche. Kapitalflüsse sollen in nachhaltige Investitionen umgelenkt werden, damit die Wirtschaft im Sinne des Pariser Klimaabkommens und der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (SDG) umgestaltet wird.Auch auf nationaler Ebene zeichnet sich ab, dass die Politik einen größeren Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit im Finanzsystem legen wird. Im Sommer 2019 hat die Bundesregierung einen Sustainable-Finance-Beirat installiert, der unter anderem eine Sustainable-Finance-Strategie für die Bundesregierung erarbeiten soll.Die komplexe und langwierige politische Debatte macht deutlich, wie herausfordernd ein gemeinsames Verständnis des Themas Nachhaltigkeit ist. Einige Aspekte sind dabei weitgehend unumstritten als “nachhaltig” einzustufen, wie die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen. Die Commerzbank hat bereits in den 1980er Jahren begonnen, erste Projekte in diesem Bereich zu finanzieren. 2003 wurde ein eigenes Kompetenzzentrum in Hamburg gegründet, das heute, mit einem Kreditvolumen von rund 5 Mrd. Euro in Projektfinanzierungen und 900 Mill. Euro in Unternehmensfinanzierungen, zu den größten Finanzierern erneuerbarer Energien in Europa zählt.Aus dem Kompetenzzentrum werden weltweit die wesentlichen Marktteilnehmer wie Hersteller, Entwickler und Investoren aus einer Hand betreut. Dabei spielen Projektfinanzierungen für Wind- und Solarenergie die Hauptrolle. Die global zu beobachtende Verlagerung der Wachstumsdynamik in neue Märkte zusammen mit der aktuellen Schwäche des deutschen Marktes hat zu einer zunehmenden Internationalisierung beigetragen. Wesentliche Projekte in 2019 waren in den aufstrebenden asiatischen Energiemärkten wie auch in den etablierten Regionen Nordamerikas festzustellen. Bei Solarenergieprojekten, deren Zubaudynamik insbesondere von weiter fallenden Gestehungskosten profitiert, steigt der Anteil internationaler Abschlüsse ebenso wie im stabil wachsenden Wind-Onshore-Geschäft. Geschäft mit Green BondsNeben der Finanzierung erneuerbarer Energien ist die Commerzbank im Geschäft mit nachhaltigen Anleihen – sogenannten Sustainable oder Green Bonds – stark engagiert. Ihr Marktvolumen legt Jahr für Jahr kräftig zu. Nach anfänglicher Zurückhaltung, als die Europäische Investitionsbank (EIB) 2007 erstmals eine solche Anleihe platzierte, zeigte sich schnell der Erfolg dieses Modells. Von 2015 bis 2017 hatte sich das jährliche Emissionsvolumen mehr als verdreifacht. 2018 hat sich die Dynamik etwas verlangsamt. Für das Jahr 2019 erwarten unsere Experten global Neuemissionen mit einem Volumen von 190 bis 200 Mrd. Euro, was einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von rund 45 % entsprechen würde.Green Bonds können unter anderem sowohl als weiteres Instrument für die Kommunikation der Nachhaltigkeitsstrategie des Emittenten genutzt werden, zur weiteren Investorendiversifikation beitragen sowie zu Effizienzsteigerungen von unternehmensinternen Prozessen führen. Die Commerzbank ist auf drei Seiten im Green-Bond-Markt aktiv. Als Vermarkter (“Bookrunner” oder “Lead Arranger”) für andere Emittenten – dies tut die Bank bereits seit der EIB-Anleihe von 2007 und vermehrt seit 2014, als wir Mitglied der Green Bond Principles wurden, dem international akzeptierten Marktstandard für Green Bonds.Im Oktober 2018 hat die Commerzbank ihren ersten eigenen Green Bond auf den Markt gebracht. Das Emissionsvolumen lag bei 500 Mill. Euro. Die Anleihe mit einer Laufzeit von fünf Jahren dient der Refinanzierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien. Darüber hinaus investiert die Bank im Rahmen ihrer Liquiditätssteuerung vermehrt in diese Anlageklasse und baut ein eigenes Green-Bond-Portfolio in ihrem Liquiditätsbestand auf. CO2-EmissionsrechteEines der zentralen Instrumente zur effektiven und kosteneffizienten Reduktion von CO2-Emissionen ist der Handel mit Emissionsrechten. Die Commerzbank ist seit mehr als 15 Jahren im Emissionshandel aktiv und berät Unternehmen und Staaten bei der Beschaffung von Emissionsrechten und -zertifikaten sowie beim Risikomanagement und der Umsetzung der Handelsstrategien beim Kunden.Als weiteres Produkt mit ökologischem Nutzen dienen Kompensationszertifikate, mit denen Kunden ihre CO2-Emissionen ausgleichen können. Die Commerzbank selbst praktiziert das bereits seit 2015. Alle unvermeidbaren CO2-Emissionen, rund 100 000 Tonnen jährlich, werden mit hochwertigen Zertifikaten kompensiert. Bei der Auswahl der Projekte, in die die Zertifikate investieren, wird Wert auf einen Bezug zum Kerngeschäft der Bank gelegt, beispielsweise in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Da der Bank aber auch der Erhalt der Biodiversität ein Anliegen ist, können in geringerem Umfang Waldprojekte beigemischt werden.Von unseren Erfahrungen am freiwilligen Kompensationsmarkt können auch unsere Kunden profitieren. Wir bieten neben einem direkten Marktzugang und guten Einkaufskonditionen individuelle Beratung und Unterstützung bei der Suche nach Partnern zur Berechnung des eigenen CO2-Ausstoßes.Eine vergleichsweise neue Produktkategorie sind sogenannte Sustainability Linked Loans, mitunter auch als Positive Incentive Loans bekannt. Bei dieser Art von Konsortialkredit werden die Konditionen an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft. Typischerweise erfolgt dies anhand von unternehmensspezifischen Kennzahlen aus dem Nachhaltigkeitsbericht oder einem unabhängigen ESG-Rating des Unternehmens. Die Funktionsweise ist denkbar einfach: Je besser sich das ESG-Rating oder die Kennzahlen des Unternehmens während der Kreditlaufzeit entwickeln, desto geringer fallen die Zinsen aus – und vice versa. ESG-Ratings werden von speziellen auf Nachhaltigkeit fokussierten Ratingagenturen erstellt, die Aspekte in den Bereichen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) bewerten.Die Nachhaltigkeitsperformance wird vom Konsortialführer des Bankenkonsortiums anhand des zugrunde liegenden ESG-Ratings oder der im Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichten Kennzahlen in der Regel einmal im Jahr überprüft. Die Verwendung des Kredites ist dabei für das Unternehmen nicht notwendigerweise an einen bestimmten Zweck gebunden. Die Commerzbank begleitet Kunden unterschiedlichster Branchen bereits seit mehreren Jahren bei der Arrangierung, Strukturierung und Platzierung solcher Konsortialkredite. Mehr als politische DebatteAusblick: Die Vielzahl der bereits bestehenden Produkte zeigt, dass Sustainable Finance mehr als eine politische Debatte um das Setzen der richtigen Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Finanzmarkt ist. Vielmehr sind verschiedene Institute bereits mit explizit nachhaltigen Produkten am Markt unterwegs. Die Volumina in allen Produktkategorien wachsen, genau wie das Interesse wesentlicher Marktteilnehmer. Die Gründe dafür sind vielfältig. Hier spielen sich verändernde Erwartungen der Gesellschaft genauso eine Rolle, wie die regulatorischen Änderungen, die auf die Finanzbranche und die Realwirtschaft von den verschiedenen politischen Ebenen zukommen beziehungsweise zukommen werden.Klar ist damit aus meiner Sicht, dass das Thema ein wesentlicher Megatrend ist. Die SustainableFinance-Regulierung der Europäischen Union und auch die Empfehlungen zur Offenlegung klimaspezifischer Risiken durch die G20 werden ihren Beitrag dazu leisten, dass sich Finanzmarktteilnehmer und Unternehmen mit einer noch größeren Ernsthaftigkeit mit der Frage beschäftigen, wie sie zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Der Markt für grüne Finanzlösungen lässt die Kinderschuhe hinter sich und bietet Potenzial für Innovation und Kooperation zwischen den Marktteilnehmern. Die Finanzbranche wird hier im positivsten Sinne eine politisch gewollte und gesellschaftlich sinnvolle Vorreiterrolle einnehmen und den Trend zur Nachhaltigkeit beschleunigen. Stefan Otto, Bereichsvorstand Mittelstandsbank Nord/West der Commerzbank AG