Syndizierter Kreditmarkt beweist sich in der Krise

Liquiditätsquelle und Stütze während der aktuellen Covid-19-Pandemie

Syndizierter Kreditmarkt beweist sich in der Krise

Während mit der Pleite von Lehman Brothers im Herbst 2008 und der sich daran anschließenden allgemeinen Kreditkrise die Auslöser der letzten großen Rezession im Finanzsektor lagen, haben sich Banken und insbesondere auch der syndizierte Kreditmarkt in der aktuellen Covidkrise als verlässliche Partner der Realwirtschaft erwiesen. Im Zusammenspiel mit diversen staatlichen Hilfsmaßnahmen konnte die Finanzbranche durch eine deutliche Ausweitung des Neukreditgeschäfts zu einer Stabilisierung der Liquiditätsausstattung der Unternehmen beitragen.Neben einer deutlich erhöhten Inanspruchnahme durch Ziehungen unter bestehenden Backup RCFs (Revolving Credit Facilities) in Höhe von 50 Mrd. Euro wurden im Zeitraum von Mitte März bis Mitte Juni 2020 in der EMEA-Region zusätzliche syndizierte Liquiditätslinien in einem Volumen von 190 Mrd. Euro vereinbart.Die Kreditlinien wurden größtenteils als Brückenfinanzierungen strukturiert mit Laufzeiten von 12 bis 24 Monaten inklusive eventueller Verlängerungsoptionen sowie steigender Margen beziehungsweise alternativ als klassischer “Term Loan” mit fester Marge und Laufzeit. Die konkrete Ausgestaltung war dabei insbesondere auch von der erwarteten Ziehungswahrscheinlichkeit und den geplanten Refinanzierungsquellen, das heißt Refinanzierung durch unter anderem erfolgreiche Anleiheemissionen oder durch operative Mittelzuflüsse während der Laufzeit, abhängig.Teilweise wurden die zusätzlichen Kredite im Rahmen einer Vertragsanpassung als separate Tranchen unter bestehenden syndizierten Kreditverträgen implementiert. Dies war insbesondere der Fall bei Beteiligung der KfW als Konsortialbank über das Sonderprogramm 855, unter welchem die KfW 80 % des zusätzlichen Kreditvolumens zur Verfügung stellt. Größtenteils wurden die Linien allerdings auf Grundlage eines separaten Kreditvertrags dokumentiert. Hinsichtlich der über die wirtschaftlichen Konditionen hinausgehenden Vereinbarungen wurden die Kreditverträge in Abhängigkeit eines vorhandenen und in jüngerer Vergangenheit abgeschlossenen syndizierten Kreditvertrags und letztlich häufig auch aufgrund des hohen zeitlichen Drucks in Anlehnung an diese erstellt.Grundsätzlich und über die verschiedenen Finanzierungsmärkte hinweg haben die allgemeinen Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen der Pandemie und des Lockdown auf die Kreditnehmer und ihr Risikoprofil zu einer veränderten Bepreisung des Kreditrisikos geführt. Die Kreditmargen waren dabei insbesondere zu Beginn der Krise stark beeinflusst durch die Ausweitung der Anleihespreads der entsprechenden Kreditnehmer, an denen sich typischerweise die Konditionen vor allem von Brückenfinanzierungen stark orientieren mit dem Ziel, aus Bankensicht einen wirksamen Anreiz zur frühzeitigen Refinanzierung über den Anleihemarkt sicherzustellen.Ein weiterer Treiber für den Anstieg der Kreditkonditionen war, dass die Liquiditätslinien aus Sicht der Banken zusätzliche Kreditzusagen darstellen. Im Gegensatz zu Backup RCFs, welche üblicherweise den Kernbankenkreis eines Unternehmens definieren und insofern als Eintrittskarte für sonstiges Provisionsgeschäft betrachtet werden und daher häufig stark subventioniert sind, war die Erwartungshaltung der Banken, dass solche Liquiditätslinien selbständig profitabel sind. Im Ergebnis führte dies trotz der im Vergleich zu klassischen Backup RCFs deutlich kürzeren Laufzeiten der zusätzlichen Liquiditätslinien zu einer deutlichen Erhöhung der allgemeinen Kreditkonditionen über alle Ratingklassen hinweg.Während die zusätzlichen covidbezogenen kurzfristigen Kreditlinien dem syndizierten Kreditmarkt in der EMEA-Region ein starkes zweites Quartal 2020 in Höhe von 322 Mrd. Euro beschert haben, kam es zu einem beinahe vollständigen Stillstand bei der Refinanzierung bestehender syndizierter Kredite sowie bei Übernahmefinanzierungen. Anstehende Fälligkeiten in den kommenden neun bis zwölf Monaten wurden vereinzelt mit kurzfristigen einjährigen Verlängerungen adressiert beziehungsweise die Refinanzierung auf das dritte oder vierte Quartal 2020 verschoben mit der Hoffnung auf sich normalisierende Kreditmärkte und -konditionen.In der Tat wurde der Markt für längerfristige Finanzierungen, das heißt insbesondere klassische Backup RCFs, in Europa im Juni durch Neulinge auf der Kreditnehmerseite wiedereröffnet. Bei diesen handelt es sich häufig um Ausgründungen beziehungsweise Abspaltungen von Tochterunternehmen größerer Konzerne, wie zum Beispiel Siemens Energy und Traton.Die Herleitung und Bestimmung adäquater Konditionen und damit des “New Normal” auf dem syndizierten Kreditmarkt war für arrangierende Banken und Kreditnehmer eine große Herausforderung. Aus Mangel an verfügbaren Vergleichstransaktionen und einer zum Zeitpunkt der Festlegung der Kreditkonditionen nach wie vor hohen Verunsicherung hinsichtlich der Auswirkung der Pandemie orientierten sich die ersten Transaktionen noch stark an den kurzfristigen covidbezogenen Kreditlinien.Die erfolgreiche Syndizierung der ersten Fazilitäten sowie die allmähliche wirtschaftliche Normalisierung haben es ermöglicht, den Kernbank-definierenden Charakter von RCFs auch in der Post-Coronazeit in den Vordergrund zu rücken und, wie historisch üblich, attraktivere Konditionen als für zusätzliche kurzfristige Liquiditätslinien zu erzielen, wenngleich aber auf einem trotz allem deutlich höheren Niveau verglichen zur Vorkrisenzeit. Zusätzlich ist eine vertragliche Untergrenze von 0 % für den Vergleichszinssatz Euribor wieder die Norm, nachdem im Laufe des zweiten Halbjahrs 2019 und dem Beispiel anderer europäischer Märkte folgend auch in Deutschland eine Tendenz hin zur Lockerung dieser zu verfolgen war.Hinsichtlich der Laufzeit überwiegen aktuell Strukturen mit einer dreijährigen Grundlaufzeit mit zwei einjährigen Verlängerungsoptionen. Für Kreditnehmer mit besonders stabilem Geschäftsmodell und Cash-flows werden aber auch bereits wieder die bis März für Kreditnehmer mit guter Bonität üblichen fünfjährigen Laufzeiten zuzüglich Verlängerungsoptionen diskutiert.Während sich der Markt für syndizierte Kredite als verlässliche Liquiditätsquelle und Stütze während der Krise dargestellt hat, hat sich zum jetzigen Zeitpunkt noch kein neuer Standard herauskristallisiert. Insbesondere für längerfristige Refinanzierungen haben individuelle Faktoren auf Kreditnehmerseite einen stark zunehmenden Einfluss auf den Erfolg einer Syndizierung sowie die Kreditkonditionen und die erzielbare Laufzeit. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen kann aufgrund einer verschärften Portfoliosteuerung und sich daraus ergebender Branchenlimits den Risikoappetit der Banken ganz unabhängig von der individuellen Kreditnehmerqualität negativ beeinflussen. Unter anderem in der Einzelhandels- und Automobilbranche sorgt dies für eine strikte Selektion der Kreditengagements.Vor diesem Hintergrund spielen die gesamte Kundenprofitabilität und speziell auch das kurzfristig zu erwartende Provisionsgeschäft eine noch wichtigere Rolle als vor der Krise. Hinsichtlich der kurzfristigen Kreditlinien scheint diese Gleichung aus Sicht der Banken bislang in weiten Teilen aufgegangen zu sein, da nicht zuletzt mit Hilfe der starken Unterstützung seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) der Markt für Unternehmensanleihen in Euro ein Rekordemissionsvolumen im zweiten Quartal verzeichnen konnte und eine Vielzahl der Kreditlinien auf diesem Weg sogar bereits wieder zurückgeführt beziehungsweise aufgehoben werden konnten.Die Volumina des syndizierten Kreditmarktes hängen in den kommenden Monaten stark auch von der Entwicklung der Mergers -&-Acquisitions-(M&A)-Aktivitäten und einem entsprechenden Wachstum der Übernahmefinanzierungen ab, die in Westeuropa im zweiten Quartal um 53 % gegenüber dem Vorjahr eingebrochen waren. Einen ersten Grund zur Hoffnung machen der erfolgreiche Abschluss der 4,5-Mrd.-Dollar-Finanzierung für die geplante Übernahme der Aroma- und Acetylaktivitäten von BP durch Ineos Anfang August sowie die Ankündigung einiger Jumbotransaktionen wie zum Beispiel die Übernahme von Varian durch Siemens Healthineers. Christian Andrae, Head of Loan Syndication Germany and Austria – Debt Optimisation Distribution bei der Crédit Agricole CIB