Systematisches Greenwashing droht
Von Thomas Spengler, StuttgartBlackRock sei spät dran gewesen, als die Fondsgesellschaft im Februar dieses Jahres, das Kriterium Nachhaltigkeit (“Sustainability”) plötzlich zu ihrem neuen Investmentstandard erhoben habe, sagt Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Bekanntlich geht BlackRock seit kurzem davon aus, dass die Bedeutung von Sustainability entgegen einer weit verbreiteten Annahme noch nicht in die Kurse entsprechender Anlageinstrumente eingepreist ist. Satte Kursgewinne wären also zu erwarten. Fonds waren schneller”Der norwegische Staatsfonds sowie viele Versicherer oder Pensionsfonds waren da freilich schneller”, meint Burghof mit Blick auf die “Dekarbonisierung” von deren Anlagestrategien. Aber das spielt für ihn im Grunde keine Rolle. “Man sollte vielmehr so ehrlich sein und sich eingestehen, dass es um Kapitalanlage geht”, sagt Burghof.Dass nahezu alle großen Anbieter dabei sind, Anlageinstrumente unter dem Kriterium der Nachhaltigkeit aufzulegen, verwundert ihn jedenfalls nicht. So gibt etwa der Fondsverband BVI zu Protokoll, dass die Publikumsfonds 2019 mit 17,5 Mrd. Euro 40 % des Neugeschäfts auf nachhaltig investierende Produkte entfallen sind. Das Momentum dieses starken Votums der Anleger will die EU-Kommission jetzt noch ein Stück weiter stärken, indem sie im Rahmen einer Klassifizierung Kriterien für klimaverträgliche Investments definiert (“Taxonomie”). In Planung ist auch eine Vorgabe, nach der die Banken im Beratungsgespräch gezielt auf “grüne” Anlageprodukte hinweisen müssten. Ebenso erwägt die Europäische Kommission die Einführung eines “unterstützenden grünen Faktors”, der von “ethischen Investments”, wie sie Burghof nennt, eine geringere Eigenkapitalunterlegung verlangen könnte.Spätestens hier geht freilich Burghof der Hut hoch. Er habe ein grundsätzliches Problem damit, wenn andere ihm erklären sollten, was gut oder schlecht bei seiner Geldanlage sein soll. Und: “Ich halte es für gefährlich, die Vielfalt der Anlageangebote einzuschränken”, sagt er – erst recht, wenn es EU-Beamten seien, die darüber entscheiden sollen, was als nachhaltige Geldanlage gilt oder eben nicht. Diese Wertentscheidung müsse in den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess eingebracht und dürfe nicht der Bürokratie überlassen werden. “Für solche Wertungen ist schließlich das Parlament zuständig”, sagt er.Hinzu kommt für Burghof, dass die Meinungsbildung zur Frage, was als nachhaltige Geldanlage gelten soll, einem starken Einfluss der Lobbyisten unterworfen ist. “Das findet nicht im luftleeren Raum statt”, sagt er. Und damit, so sein Kalkül, werde die Taxonomie für nachhaltige Assets tendenziell den Großkonzernen nützen. Kleine und mittelständische Unternehmen aber dürften in die Röhre schauen. Darüber hinaus hätten große Unternehmen die besseren Möglichkeiten eines systematischen Greenwashings. Es lasse sich überall beobachten, dass global agierende Konzerne mit ethisch orientierten Projekten, die auch noch entsprechend geratet seien, prahlen würden, obwohl ihre Geschäftsmodelle von Beobachtern vielfach als eher schadhaft für die Gesellschaft eingestuft würden. Markteffizienz in GefahrVor dem Hintergrund derartiger anstehender Eingriffe in die Gestaltung ethischer Investments befürchtet Burghof, dass die Effizienz der Kapitalmärkte einen zu großen Schaden erleiden könnte. Sobald Geschäftsmodelle unter dem Aspekt des Klimawandels neu bewertet werden, werden sich auch die Risikoeinschätzungen und damit die Bewertungen verschieben. Ergo: “Über- und Unterrenditen sind zu erwarten”, so Burghof. Damit sich diese wieder ausgleichen, bedarf es eines funktionierenden Preisbildungsprozesses. “Der schützt auch ethische Investoren vor Fehlbewertungen”, macht Burghof klar. Kein Schutz der Investoren Wenn man aber diesen Mechanismus aushebele, indem man Anlagen einen “ethischen Nutzen” zuordne, gebe man auch den Investorenschutz auf, der durch eine faire Preisgestaltung gewährleistet ist. “Der Kapitalmarkt schützt Anleger vor ihrer eigenen Irrationalität.” Selbst wenn sie einen Fehler bei der Geldanlage machen sollten, bekämen Anleger bei effizienten Kapitalmärkten doch zumindest einen fairen Preis. Daher sei es dringend geboten, eine Politik zu verfolgen, die die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts nicht beeinträchtigt, mahnt Burghof. Wenn man mehr wolle, etwa ökologischen Nutzen, so müsse dies über Subventionen oder steuerliche Anreize geschehen. “Das hätte eine Steuerungswirkung, aber Finger weg von den Preisbildungsmechanismen!”Dabei lenkt er den Blick noch auf einen ganz anderen Aspekt – nämlich den des Zeithorizontes einer Anlage. “Bedeutet Nachhaltigkeit nur ein Perspektivwechsel von der kurzfristig zur langfristig orientierten Betrachtung eines Investments?”, fragt Burghof. Wäre dies der Fall, sähe er – bei vollständiger Transparenz der Anlage – neue Perspektiven für Wertzuwächse bei den entsprechenden Assets. “Und das wäre ein positiver Trend”, resümiert Burghof.