Kriminalität

Täter knacken Automaten öfter mit Sprengstoff

Um an Geld zu kommen, rücken Kriminelle häufiger Geldautomaten auf explosive Weise zu Leibe, so auch an diesem Donnerstag in Hochheim und Gießen. Mittel der Wahl sind laut LKA Hessen Festsprengstoffe.

Täter knacken Automaten öfter mit Sprengstoff

fir Frankfurt

Finanzinstitute hierzulande sehen sich immer häufiger zerstörerischen Akten von Bankräubern gegenüber. So sprengten Täter am Donnerstag eine Sparkassenfiliale in Fernwald und erneut einen Geldautomaten der Taunus Sparkasse, diesmal in der Filiale im Hochheimer Stadtteil Massenheim. Seit September traf es das Institut das vierte Mal. „Die neuen Sicherheitsmaßnahmen haben funktioniert, und es konnte kein Geld entwendet werden – aber der angerichtete Sachschaden ist immens“, sagte ein Pressesprecher der Taunus Sparkasse.

Bewachte Finanzpunkte

Nachdem die zusammen mit der Frankfurter Volksbank betriebenen Finanzpunkte in Hofheim-Diedenbergen, Hattersheim-Eddersheim und Oberursel-Bommersheim heimgesucht worden waren, allesamt SB-Filialen, hatten die beiden Partner Anfang dieses Monats Maßnahmen zum Schutz der Finanzpunkte angekündigt. Bis auf Weiteres werden die 26 gemeinsamen Filialen zumindest nachts von professionellen Sicherheitskräften bewacht, zudem sind die Bargeldbestände in den Automaten erheblich verringert worden. Weitere Sicherheitsmaßnahmen seien in Planung, hieß es damals. Das Institut behält sich angesichts der Explosion am Donnerstag darüber hinausgehende Schritte auch in den allein betriebenen Zweigstellen vor.

„Die Schäden sind erheblich. Zum Glück kamen keine Menschen zu Schaden. Ziel der Maßnahmen zum Schutz unserer Standorte ist, Kunden und Nachbarn die Sorge zu nehmen, durch eine Geldautomatensprengung Schaden zu erleiden“, sagte der Sprecher der Taunus Sparkasse. In Oberursel, wo Anfang November die Wucht der Sprengung das Filialgebäude sowie zwei geparkte Pkw in Mitleidenschaft gezogen hatte, hätten Anwohner evakuiert werden müssen, berichtete das Nachrichtenportal „Finanzszene.de“. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittele wegen versuchten Mordes.

Das hessische Landeskriminalamt (LKA) beobachtet nach geringeren Fallzahlen 2020 nun wieder einen Anstieg, wie es auf Anfrage mitteilte. Stand gestern sind in diesem Jahr hessenweit 47 versuchte und vollendete Sprengungen registriert worden, was dem Höchststand 2019 mit 53 Fällen nahe kommt (s. Grafik). Der Gesamtschaden ist laut LKA mitunter beträchtlich, weil ganze Ge­bäudeteile in Mitleidenschaft gezogen bzw. zerstört wurden. Konkret zu beziffern sei er aber nicht. Aus Tätersicht ist auch die Erfolgsquote gestiegen. Zogen sie vor einem und vor zwei Jahren in den meisten Fällen ohne Beute ab, so sei 2021 auffällig, dass jede zweite Sprengung er­folgreich sei und die Täter sehr hohe Summen erbeuteten. Zurückzuführen sei das unter anderem auf die Verwendung von festen Explosivstoffen. Die Täter, die fast immer nachts oder in den frühen Morgenstunden zuschlügen, nutzten zum Sprengen auch in Hessen überwiegend sogenannte Festsprengstoffe anstatt der sonst üblichen Acetylen-Sauerstoff-Mischung aus Gasflaschen, berichtet eine Sprecherin des LKA. „Die Gefahrenmomente für unbeteiligte Dritte, z.B. Anwohner, sind dabei noch höher, weil die Sprengungen mittels Sprengstoffen eine größere zerstörerische Energie entfalten, im Vergleich zur Wirkung von Gasgemischen.“

Die Täter sind der Polizei zufolge in hochmotorisierten Fahrzeugen unterwegs und entfernen sich nach der Tat schnellstmöglich mit sehr hoher Geschwindigkeit vom Tatort. „Häufig ohne Rücksicht auf Verluste“, heißt es vom LKA, das vor gut zwei Jahren eigens eine Arbeitsgruppe zur Bekämpfung dieses Phänomens eingerichtet hat. Mehr als 20 Tatverdächtige seien seitdem ermittelt und in Haft gebracht worden.

Den Tätern kämen gleich mehrere Faktoren zugute, so die Behörde. Die mechanischen und technischen Schutzvorrichtungen der Geldautomaten seien teilweise gering. Dabei verdeutlichten Erfahrungen aus Nachbarländern wie Frankreich und den Niederlanden, dass Präventionsmaßnahmen griffen. So seien Weiterentwicklungen von Schutzsysteme wie Geldeinfärbe- oder Verklebesystemen hilfreich, ebenso das nächtliche Verschließen der Bereiche, in denen die Geldautomaten aufgestellt sind. Ins Spiel bringt das LKA auch eine Kombination mechanischer und technischer Schutzvorrichtungen, beispielsweise Vernebelungsanlagen und Videoüberwachung.

Aus Niederlanden eingereist

Zwei Drittel aller Tatverdächtigen stammen dem Bundeskriminalamt (BKA) zufolge aus den Niederlanden, überwiegend Menschen aus der Region Utrecht/Amsterdam, die häufig einen marokkanischen Migrationshintergrund aufwiesen. Im vergangenen Jahr haben die Täter in ganz Deutschland 704-mal Geldautomaten gesprengt, herausgerissen, mit Winkelschleifern, hydraulischen Spreizern, Brecheisen oder Schneidbrennern geöffnet oder dies versucht. Das entsprach einer Zunahme von 28% gegenüber 2019. In rund 60% der 414 Fälle, in denen Gas sowie feste Explosivstoffe zum Einsatz kamen oder kommen sollten, gingen die Kriminellen leer aus. 268-mal kam es zur Explosion, wobei sie in 158 Fällen Bargeld erbeuteten.

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