Target2-Ausfall sorgt Lagarde

EZB-Präsidentin: Oktober-Probleme kein Einzelfall - Notenbank verspricht volle Transparenz

Target2-Ausfall sorgt Lagarde

Die EZB zeigt sich wegen des jüngsten Ausfalls des Zahlungssystems Target2 besorgt. Laut Präsidentin Christine Lagarde war der Vorfall im Oktober die vierte Störung binnen der zurückliegenden zwölf Monate. Er hatte erstmals seit dem Start von Target2 im Jahr 2007 Business-Continuity-Maßnahmen erfordert.ms/bn Frankfurt – Der Ausfall des europaweiten Zahlungssystems Target2 Ende Oktober, der hohe Wellen geschlagen hatte, ist kein Einzelfall, sondern bereits der vierte binnen der vergangenen zwölf Monate gewesen – und die Europäische Zentralbank (EZB) weiß weiter nicht, was der Grund für diese Probleme ist. Das hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde gestern bei einer virtuellen Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments eingeräumt. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber nannte das in einer ersten Reaktion “erschreckend”, und er sprach von einem “Risiko für die Finanzstabilität”.Target2 ist das zentrale Zahlungsverkehrssystem des Eurosystems, über das nationale und grenzüberschreitende Zahlungen in Zentralbankgeld schnell abgewickelt werden. Über das Brutto-Settlement-System wickeln Europas Banken in weniger als sieben Tagen ein Volumen von 11 Bill. Euro ab – was der jährlichen Wirtschaftsleistung Eurolands entspricht. Der sich über beinahe zehn Stunden erstreckende Ausfall von Target2 am 23. Oktober hatte in der Kreditwirtschaft für erheblichen Unmut gesorgt und unter anderem den Finanzausschuss des Bundestages auf den Plan gerufen (vgl. BZ vom 7. November). Am Montag hatte die EZB eine “unabhängige Überprüfung” angekündigt. “Sehr wichtige Funktion””Ich bin darüber besorgt”, sagte Lagarde gestern vor dem EU-Parlament, als sie von Ferber auf das Thema angesprochen wurde. Das gelte umso mehr, als es bereits der vierte Ausfall binnen zwölf Monaten gewesen sei. Eine effiziente und schnelle Abwicklung von Zahlungen zwischen den europäischen Zentralbanken sei eine “sehr wichtige Funktion” des Eurosystems, das aus der EZB und den 19 nationalen Zentralbanken besteht.Für den operativen Betrieb von Target2 sind die Bundesbank und das italienische Pendant, die Banca d’Italia, zuständig. Die Bundesbank begrüßte am Montag auf Anfrage die von der EZB initiierte Überprüfung, welche sich auf die “Belastbarkeit des Business-Continuity-Modells, die Angemessenheit regelmäßiger Recovery-Tests, die Effizienz von Change-Management-Prozessen sowie die Kommunikationsprotokolle” erstrecken soll. Lagarde versprach nun eine rasche Prüfung der Vorgänge – “ohne Verzögerung und ohne Selbstzufriedenheit”, wie sie es formulierte. Es gehe darum, dem Problem nun “auf den Grund zu gehen” und zu verstehen, was die Probleme verursache. Lagarde sagte dabei erneut auch “völlige Transparenz” zu.”Das Rückgrat des europäischen Zahlungsverkehrs fällt regelmäßig aus, und die EZB tappt komplett im Dunkeln. Das ist nicht nur fahrlässig, sondern auch eine Gefahr für die Finanzstabilität in der Eurozone. Wenn das europäische Zahlungssystem zusammenbricht und niemand an sein Geld kommt, steht im Extremfall die komplette Wirtschaft im Euroraum still”, warnte der CSU-Finanzexperte Ferber nach Lagardes Anhörung: “Bisher sind wir glimpflich davongekommen. Das ist aber keine Garantie dafür, dass es so bleibt. Die EZB muss das Problem schleunigst beheben. Andernfalls leidet das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Eurosystems.” “Frage der Glaubwürdigkeit”Ferber verwies darauf, dass die EZB als Bankenaufsicht zurecht ganz genau hinschaue, wenn es bei Banken Probleme mit der Informationstechnologie (IT) gebe. “Man darf schon erwarten, dass die EZB bei einem so sensiblen Thema wie dem Zahlungsverkehr ihren eigenen Standards genügt. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit”, sagte Ferber.Nach Informationen der Börsen-Zeitung ging der Systemausfall im Oktober auf den missglückten Austausch eines Datenverteilers (Switch) im laufenden Betrieb zurück (vgl. BZ vom 17. November). Da die Panne das interne Back-up-System der Zentralbank beeinträchtigte, wechselte die Bundesbank letztlich auf das identische Target-System der Banca d’Italia. Es war das erste Mal seit dem Start von Target2 im Jahr 2007, dass die deutsche und die italienische Zentralbank Business-Continuity-Maßnahmen ergriffen haben.