LEITARTIKEL

Tatort: Köln

Noch keine fünf Jahre ist es her, da wollte Matthias Graf von Krockow die Welt verbessern. Und zwar am liebsten nach dem Vorbild von Sal. Oppenheim, wo man in Generationen denke, solide wirtschafte und nachhaltig Werte schaffe. "Das Ansehen unseres...

Tatort: Köln

Noch keine fünf Jahre ist es her, da wollte Matthias Graf von Krockow die Welt verbessern. Und zwar am liebsten nach dem Vorbild von Sal. Oppenheim, wo man in Generationen denke, solide wirtschafte und nachhaltig Werte schaffe. “Das Ansehen unseres Berufsstandes hat durch das Fehlverhalten Einzelner stark gelitten”, tönte der Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter des traditionsreichen Bankhauses im Interview der Börsen-Zeitung und redete den vom Pfad der Tugend Abgekommenen ins Gewissen: Die Zunft möge sich doch auf die Grundsätze des ordentlichen Kaufmanns zurückbesinnen, statt mit fremder Leute Geld große Spielkasinos zu betreiben.Und dann – die Finanzkrise ging gerade in ihr zweites Jahr – gaben Krockow und sein Partner Friedrich Carl Janssen noch ihren Lieblingswitz zum Besten: “There are two sides of a bank’s balance sheet – the left side and the right side. On the left side nothing is right, and on the right side nothing is left.” Sie machten sich vor allem über eine Bank lustig, deren Namen wir verschweigen wollen, nur nicht über ihre eigene. Ziemlich genau ein Jahr später wurde schlagartig klar: Eines der größten Spielkasinos der Branche war Sal. Oppenheim selbst, und ausgerechnet in der Bilanz der zwischenzeitlich mit ihrem Hauptsitz nach Luxemburg ausgewanderten Kölner war auf der linken Seite nichts in Ordnung, während auf der rechten das Eigenkapital zerlief wie Butter in der Sonne.Wohl nie zuvor hat eine Bank dieser Größe so viel Geld in so kurzer Zeit verzockt – einen passablen Milliardenbetrag -, wohl nie zuvor waren Verantwortliche einer vormals so renommierten Adresse so der Hybris verfallen: missglückte Industriebeteiligungen, verlorene Zertifikatewetten, gescheiterte Kredit- und Immobilienengagements, mutmaßlich halbseidene Fondskonstruktionen, ein groteskes und wertvernichtendes Verwirrspiel um den Wiederverkauf der 2005 übernommenen BHF-Bank, merkwürdig anmutende Kredite an Organmitglieder – et cetera. Elf Staats- und Herrschaftssysteme, je ein halbes Dutzend Kriege und Währungsreformen sowie vier Revolutionen hatte das 1789 gegründete Haus überlebt. Diesmal war es dem sicheren Untergang geweiht – wäre nicht mit wohlwollender Begleitung der Finanzaufsicht und der Bundesregierung, eher wohl auf deren diskret geäußerten Wunsch, jedenfalls im besten Interesse der Einlagensicherung der privaten Banken kurzfristig die Deutsche Bank als Retter eingesprungen. Die damals größte Privatbankgruppe Europas hatte schließlich eine gewisse Systemrelevanz.Ob und inwieweit verantwortliche Akteure unter anderem am, so das dortige Landgericht, “Tatort: Köln” Kriminelle sind, wird der am Mittwoch vor der 16. Großen Strafkammer beginnende Mammutprozess (zunächst 78 Verhandlungstage) zeigen. Auf der Anklagebank sitzen neben Krockow und Janssen deren einstige Mitgesellschafter Christopher Freiherr von Oppenheim und Dieter Pfundt sowie der mit dem Bankhaus verbandelte Immobilienunternehmer Josef Esch. Der Vorwurf: Untreue im besonders schweren Fall bzw. Beihilfe dazu. Der Strafrahmen: sechs Monate bis zehn Jahre. Fürs Erste haben die Strafverfolger nur einen Teilkomplex aus ihren umfangreichen Ermittlungen zur Anklage gebracht: drei Fälle im Zusammenhang mit Immobilienprojekten, bei denen die Beschuldigten insgesamt einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag zum Nachteil der Bank veruntreut haben sollen.Disclaimer: Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung auch für Graf Krockow, Baron Oppenheim & Co. Was sich aber unabhängig von der strafrechtlichen Würdigung sagen lässt: Der Fall von Sal. Oppenheim ist zu einem Symbol der Finanzkrise geworden, zum Exempel für Gier und Größenwahn, für das Versagen und die moralische Verkommenheit einer kleinen Minderheit von Akteuren, die das Weltfinanzsystem und ganze Volkswirtschaften an den Rand des Abgrunds getrieben haben.Für die heutige Belegschaft von rund 900 Leuten, die an dem Debakel wohl kaum eine Schuld trifft, kommt zu allem Überfluss hinzu, dass sich der Abstieg der einst ruhm- und lange Zeit ja auch wirklich erfolgreichen Bank aus konzernstrategischen Gründen fortsetzt und von Sal. Oppenheim vielleicht außer dem Namen nicht allzu viel übrig bleiben wird. Das Geldhaus, dessen neue Führung stets die “Eigenständigkeit” auch unter der Ägide der Deutschen Bank betonte, wird immer enger an die Frankfurter Mutter angedockt, Hunderte Mitarbeiter müssen bald gehen, und die Konkurrenz spricht schon mitleidig – oder spöttisch? – von Oppenheim als “Sales Outlet” der Deutschen Bank. Auch in dieser Hinsicht: ein beispielloser Niedergang. ——–Von Bernd Wittkowski ——- Der Fall von Sal. Oppenheim ist zu einem Symbol der Finanzkrise geworden, zum Exempel für Gier und Größenwahn, für Versagen und moralische Verkommenheit.