Tauwetter setzt ein zwischen Bern und Berlin

Die Finanzminister vereinbaren eine intensivere Zusammenarbeit - Der Marktzutritt wird nun auch ohne Steuerabkommen erleichtert

Tauwetter setzt ein zwischen Bern und Berlin

Deutschland und die Schweiz wollen den Banken den gegenseitigen Marktzutritt erleichtern. Die überraschende Vereinbarung nutzt vor allem den Eidgenossen, die sich nach Scheitern des Steuerabkommens aber nur leise darüber freuen dürfen.Von Daniel Zulauf, ZürichDas Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland ist zwar Geschichte, nachdem die rot-grün regierten Bundesländer den Staatsvertrag mit der anonymen Abgeltungssteuer als Kernelement im vergangen Dezember im Bundesrat wohl für immer versenkt haben. Doch der Geist des Abkommens, dem nicht zuletzt auch der Wunsch beider Länder nach einer Entkrampfung der bilateralen Beziehungen zugrunde lag, scheint allen Unkenrufen zum Trotz immer noch weiter zu leben.Am Freitag überraschte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) mit einer kurzen Mitteilung, derzufolge die beiden Finanzminister Wolfgang Schäuble und Eveline Widmer-Schlumpf eine Vereinbarung zur “Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Finanzbereich” unterzeichnet und deren Umsetzung bereits angeordnet haben. Bei dieser Vereinbarung geht es pikanterweise um ein Element aus dem gescheiterten Steuerabkommen, das vor allem der Schweiz ein großes Anliegen gewesen war.Die beiden Länder wollen Hürden beim gegenseitigen Marktzugang beseitigen und damit mehr Raum für Wettbewerb schaffen. Unter der neuen Vereinbarung erhalten fortan insbesondere auch Schweizer Banken ohne eigene Niederlassung in Deutschland das Recht, Kundenbeziehungen im Nachbarland über die Grenze hinweg anzubahnen und für deutsche Kunden mit Wohnsitz in Deutschland Konten in der Schweiz zu eröffnen. Gegenseitige ZulassungMöglich wird laut der Vereinbarung auch der grenzüberschreitende Austausch von Informationen und Beratungsdienstleistungen. Dazu gehört unter anderem eine gegenseitige Zulassung von Wertpapierfonds, sofern diese konform mit dem europäischen Recht (UCITS-Konformität) ausgestaltet sind. Die Aufsichtsbehörden beider Länder, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die schweizerische Finma, seien derzeit mit der Formulierung der entsprechenden Ausführungsvereinbarungen beschäftigt, teilt das EFD mit.Als Voraussetzung für die erleichterte Marktzulassung haben die beiden Länder die Einhaltung der im jeweiligen Land geltenden Anleger- und Konsumentenschutzbestimmungen vereinbart. In Deutschland und in der EU generell gehen diese Schutzbestimmung traditionellerweise deutlicher weiter als in der Schweiz. So müssen deutsche Banken schon seit 2010 Beratungsgespräche systematisch aufzeichnen, um im Streitfall die Beweisführung zu erleichtern. Der deutsche Verbraucherschutz kennt in gewissen Bereichen des Finanzgeschäftes auch schon die Beweislastumkehr.In der Schweiz sind solche Bestimmungen im neuen Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) zwar ebenfalls vorgesehen, doch der Bundesrat wird den Gesetzesentwurf erst in den nächsten Wochen vorlegen, so dass die Parlamentsdebatte dazu erst im kommenden Jahr stattfinden kann. Mit einem Inkrafttreten des Fidleg vor 2015 ist definitiv nicht zu rechnen.Die Schweizer Behörden mussten der BaFin das Recht zugestehen, bei der Prüfung der helvetischen Institute auf deren Konformität mit den deutschen Bestimmungen die Finma bei Vor-Ort-Kontrollen in der Schweiz begleiten zu dürfen. Marc Raggenbass, Rechtsanwalt und Partner der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte in Zürich, sieht darin allerdings kein nennenswertes Problem für die schweizerischen Häuser. Solche grenzüberschreitenden behördlichen Vor-Ort-Kontrollen seien weder ungewöhnlich noch störend, zumal die Bedingungen für Inspektionen zuvor sehr genau festgelegt würden.Für die Schweiz sei die Vereinbarung allemal ein großer Fortschritt, meint Raggenbass. Die Eiszeit zwischen den beiden Ländern hatte im Jahr 2003 ihren Anfang genommen, als die BaFin in einem in der Eidgenossenschaft inzwischen berühmt- berüchtigten Merkblatt den Schweizer Banken unter Verweis auf Unterschiede beim Anlegerschutz große Vertriebsrestriktionen auferlegt hatte. Unter diesen Restriktionen, die in der schweizerischen Finanzbranche stets als verkappte Marktabschottung Deutschlands angesehen wurden, war den Schweizer Banken ohne lokale Niederlassung in Deutschland die grenzüberschreitende Kundenbetreuung praktisch nicht mehr möglich. Die neue Vereinbarung, wie sie die Schweiz im vergangenen Jahr übrigens auch in Steuerabkommen mit Österreich und Großbritannien verankert hat, ist allerdings von beschränkter Dauer. Zurzeit findet in der EU das Ringen um die Einzelheiten der neuen Finanzmarktdirektive Mifid II statt, und diese wird für Drittländer wie die Schweiz wieder eine Verschärfung des Markzutrittes bringen, weil Drittstaat-Banken ohne Niederlassung in der EU keine grenzüberschreitenden Dienstleistungen mehr werden erbringen dürfen.Noch offen ist die Frage, ob eine Drittland-Bank mit einer Niederlassung in einem einzigen EU-Land via EU-Pass ihre Leistungen in der ganzen Gemeinschaft verkaufen darf oder ob sie dazu in jedem Land eine Niederlassung benötigt.”Vor dem Hintergrund dieser Diskussion kommt die Vereinbarung für die Schweizer Banken in einem geradezu idealen Zeitpunkt”, meint Raggenbass. Das EFD will die Vereinbarung mit Blick auf den Wahlkampf in Deutschland nicht laut feiern. “Es ist ein erfreuliches Zeichen für die Finanzbeziehungen der beiden Länder”, sagt Mario Tuor vom Staatssekretariat für internationale Finanzfragen daher mit fast schon ostentativem Understatement.