IM INTERVIEW: PAWEL RYCHLINSKI

"Technologische Entwicklung bricht den Markt auf"

Der Deutschland-Chef von Mastercard über die Emanzipation von der alten Bezahlwelt und die Möglichkeiten der Debitkarte

"Technologische Entwicklung bricht den Markt auf"

– Herr Rychlinski, die Deutsche Bank bringt als erstes großes deutsches Kreditinstitut in Deutschland eine Debit Mastercard als Deutsche Bank Card Plus heraus, die direkt das Konto belastet, kontaktloses Bezahlen ermöglicht und damit nicht nur als Alternative zur Girocard, sondern durch die Einsatzmöglichkeit beim Online Shopping per se auch in Konkurrenz zu Paydirekt steht, den Eigenkreationen der deutschen Kreditwirtschaft. Wie ist es zu diesem Tabubruch gekommen?Der Zahlungsverkehrsmarkt hat sich gravierend verändert. In den vergangenen Jahren war der Bankenmarkt im Prinzip geschlossen. Die technologische Entwicklung hat diesen Markt inzwischen immer mehr aufgebrochen. Für Banken liegt der Fokus auf den Wünschen ihrer Kunden, und sie öffnen sich, um neue, unterschiedliche Technologien und Ansätze zu implementieren.- Welche Rolle spielt die Regulierung in diesem Umfeld?Ganz wesentlich ist die europäische Zahlungsverkehrsrichtlinie PSD 2, die Ende nächsten Jahres in Kraft tritt. Dadurch erhalten externe Anbieter direkten Zugang zum Konto eines Bankkunden, um den Kontoinhabern innovative Lösungen anzubieten. Darauf müssen sich Banken einstellen. Einige Institute reagieren schon jetzt und bieten ihren Kunden Lösungen wie die Debit Mastercard als Zahlungskarte an, die direkt an das Konto angebunden ist, die international eingesetzt werden kann, die kontaktlos funktioniert, also auch, wenn wir zukünftig über Bezahlen mit dem Smartphone sprechen, und mit der man im E-Commerce bezahlen kann.- Die Mastercard Debitkarte sollte eigentlich bereits Ende 2015 in Deutschland an den Start gehen. Warum hat dies länger gedauert als gedacht?Da die Debit Mastercard auch über die Kontaktlosfunktion verfügt, war wichtig, dass die Akzeptanz des kontaktlosen Bezahlens breit vorhanden ist, und gerade im laufenden Jahr konnte das erheblich ausgeweitet werden. Etwa 60 % der größeren Händler in Deutschland haben kontaktlosfähige Terminals installiert. Viele Einzelhandelsketten wie Aldi, Lidl, Rewe oder Real sind in diesem Jahr hinzugekommen, Kaufhäuser wie Karstadt und Kaufhof sind bereits seit längerem dabei. Ab 2018 müssen dann alle Händler, die Mastercard akzeptieren, kontaktlose Zahlungen ermöglichen. Somit ist jetzt aus Akzeptanzsicht ein guter Zeitpunkt. Der Zeitpunkt muss aber auch unter technischen Aspekten passen. Da liegt oft die Herausforderung, denn die Karte muss direkt an das Konto angebunden werden. Dazu müssen in einer Bank entsprechende Prozesse und Systeme aufgebaut werden. Durch ganz neu konzipierte IT-Systeme können zum Beispiel Fidor Bank, N 26 oder O2 Banking die Debit Mastercard schon länger anbieten. Aber die ersten großen Institute sind als Fast Follower jetzt bereit.- Sie sprechen die Akzeptanz an – wo gibt es noch weiße Flecken?Bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen. Doch auch das wird sich ändern, denn für diese Gruppe sind die für den inländischen Zahlungsverkehrsmarkt konzipierten klassischen Bezahlterminals oft zu teuer. Hier schlagen die hohen Fixkosten bei begrenzten Volumina zu Buche.- Was sind die Alternativen?Es gibt innovative Systeme, die über ein Tablet oder Handy angebunden sind wie etwa in der Gastronomie. Diese Systeme sind günstiger als Kassenterminals und können für den Händler zudem Auswertungen liefern, die das deutsche Girocard-System so nicht bietet. Hinzu kommt, dass es für internationale Unternehmen nicht sinnvoll ist, in jedem Land eine andere Infrastruktur für den Zahlungsverkehr aufzubauen. Deshalb akzeptieren Firmen wie Apple, Mango, Nike oder Primark hierzulande keine Girocard-Transaktionen.- Mit der neuen Debitkarte kann man auch im Internet bezahlen. Im E-Commerce wollte die deutsche Kreditwirtschaft doch mit ihrem Paydirekt anderen Verfahren wie Paypal Konkurrenz bieten?Paydirekt ist ein vergleichsweise junges Verfahren. Es ist aber mit dem großen Vorteil ausgestattet, ein Angebot der deutschen Banken und Sparkassen zu sein mit entsprechend breiter Unterstützung und Werbung. Man muss sehen, wie sich die Akzeptanz und das Nutzungsverhalten der Bankkunden entwickelt. Aber es gibt für das Bezahlen im Internet auch noch andere Wallet-Angebote wie unser Masterpass, das auch in Deutschland eine erfreulich hohe Akzeptanz erreicht hat, und natürlich Kreditkarten. Letztlich wird der Kunde entscheiden, welcher Weg für ihn einfach, sicher und bequem ist.- Die Kreditkarte ist in Deutschland aber nicht sehr verbreitet?Das ist das Problem. Lediglich 15 bis 20 % der Deutschen haben eine Kreditkarte. Deshalb sind alternative Bezahlverfahren im Internet hier so stark. Es fehlte bisher ein weit verbreitetes Bezahlprodukt, das überall genutzt werden kann, also im E-Commerce, in einer App beim Shopping mit dem Smartphone, aber auch beim ganz “normalen” Bezahlen im Laden.- Ist die neue Karte auch für die Wallet, die digitale Brieftasche, geeignet?Selbstverständlich kann die Debit Mastercard in Wallets, wie zum Beispiel Masterpass, integriert werden, und auch Mobile Payment wird da ein spannendes Thema. Daran arbeiten wir aktuell auch mit der Deutschen Bank, um Zahlungen über das Smartphone zu ermöglichen. Das ist der nächste Schritt, um das Konto im Zahlungsverkehr konsequent über alle Kanäle zu digitalisieren. Die Debit Mastercard liefert das Fundament, um einfaches Bezahlen zu ermöglichen. Es ist eine Emanzipation von der alten Bezahlwelt und eine Evolution. In einem ersten Schritt wird die Karte, statt sie haptisch in ein Bezahlterminal zu stecken, nur einfach und schnell kontaktlos an das Terminal gehalten. Im zweiten Schritt wird die Zahlungskartenfunktion digital in ein Smartphone integriert, das dann als Medium zum Bezahlen fungiert und über das via App alle Transaktionen bis hin zu deren individuellen Auswertungen ersichtlich sind.- Wie wird das Thema Sicherheit beim kontaktlosen Bezahlen mit dem Smartphone gelöst?Die auf der Karte vorhandene 16-stellige PAN-Nummer (Personal Account Number) ist die wichtigste Information in unserer Zahlungsinfrastruktur. Diese Kartennummer wird von Mastercard bei Transaktionen über ein Smartphone tokenisiert, also durch eine Nummer ersetzt, die keinen Hinweis auf die sensiblen Originaldaten gibt, so dass Hacker und Unbefugte diese bei den Transaktionen nicht abgreifen können. Das gibt Sicherheit und ist die Grundlage für die Authentifizierung einer Zahlung, die in Zukunft sogar mit biometrischen Verfahren wie Fingerabdruck oder Gesichtserkennung möglich sein wird.- Werden auch andere deutsche Großbanken eine Debitkarte von Mastercard herausbringen?Es gibt Gespräche und entsprechende Projekte. Die Deutsche Bank hat schon die Zeichen der Zeit und die Wünsche der Kunden erkannt, und wir schätzen, dass es in den nächsten Jahren auch für Kunden anderer Banken diese Alternative zu bisherigen Produkten geben wird. Bis dahin fahren die Banken zweigleisig.—-Das Interview führte Karin Böhmert.