Tigerjunge Bill Hwang kommt vom Weg ab
nok New York
Der Name Archegos – ein griechisches Wort aus dem Neuen Testament, das so viel bedeutet wie Pionier oder Wegbereiter – wird als eine der größeren Schieflagen eines Vermögensverwalters in die Annalen der Wall Street eingehen. Umso kurioser scheint es, dass Archegos Capital Management, die zuletzt Eigenkapital von 10 Mrd. Dollar verwaltet haben soll, vor allem Insidern bekannt war – und den Investmentbanken, die mit dem Fonds Geschäfte machten und ihre Aktionäre jetzt auf Verluste vorbereiten.
44 Mill. Dollar Strafe
Bill Hwang, Gründer und Co-Chef von Archegos, war gleichwohl kein völlig Unbekannter. Er war einst Aktienanalyst beim legendären Hedgefonds Tiger Management des Milliardärs Julian Robertson. Nachdem Robertson den Fonds im Jahr 2000 geschlossen hatte, machten einige seiner Adjutanten mit dessen finanzieller Unterstützung eigene Hedgefonds auf. Zu diesen in der Finanzszene Tiger Cubs (Tigerjungen) genannten Nachwuchs-Managern gehörte auch Hwang, der 2001 Tiger Asia Management gründete und – wie der Name suggeriert – vor allem in asiatischen Märkten investierte. Die Geschichte von Tiger Asia endete 2012 mit einem Insiderskandal. Hwang gestand nach Betrugsvorwürfen der US-Staatsanwaltschaft, im Rahmen von Privatplatzierungen erhaltene vertrauliche Informationen von Investmentbanken illegalerweise für Aktiengeschäfte genutzt zu haben. Tiger Asia musste 16 Mill. Dollar zurückzahlen. In einem parallelen Vergleich mit der US-Börsenaufsicht SEC akzeptierte Hwang mit Tiger Asia außerdem eine Strafe von 44 Mill. Dollar.
Es war das Ende von Tiger Asia, aber nicht das Ende von Hwang als Investor. Er gab den Kunden von Tiger Asia ihr Geld zurück und managte fortan sein eigenes Vermögen als Family Office unter dem Namen Archegos. Auffällig dabei ist, dass Hwang im Gegensatz zu anderen Großanlegern nie Angaben zu größeren Aktienbeständen bei der Börsenaufsicht SEC gemacht hat. An der Wall Street wird daher vermutet, dass Hwang seine Positionen mit außerbörslichen Derivaten aufgebaut hat, die bei der SEC nicht berichtspflichtig sind. Dazu gehören Swaps und CFDs (Contracts for Difference), die bilateral mit Handelspartnern vereinbart werden – zu denen im Fall von Archegos offenbar Banken wie Credit Suisse und Nomura gehörten.
Die Gegenpartei, also eine Bank oder ein Wertpapierhaus, verlangt allerdings Sicherheiten (Margin) für den Fall, dass die Wette gegen den Investor läuft – was im Fall von Hwang offenbar eintrat. Der Aktienkurs des US-Medien- und Unterhaltungskonzerns ViacomCBS, auf dessen Kursanstieg Hwang gewettet zu haben schien, war nach einem starken Kursanstieg in den ersten Monaten dieses Jahres zuletzt unter Druck geraten. In der vergangenen Woche kam es dann offenbar zu Nachforderungen, die Archegos nicht bedienen konnte. Die Banken verkauften daraufhin größere Aktienpakete, die als Sicherheiten galten. Banken wie Morgan Stanley, Credit Suisse und Nomura, die mit Hwang Geschäfte machten, waren im Fall von ViacomCBS zuletzt als Großaktionäre der Firma gelistet. Die genauen Positionen von Hwang sind nicht bekannt, aber laut Bloomberg gehen Marktteilnehmer von Gesamtpositionen im Wert von möglicherweise mehr als 50 Mrd. Dollar aus.
Wellen wird die Schieflage von Archegos auch in christlich-konservativen Kreisen schlagen. Hwang ist evangelikaler Christ und sprach in Interviews mit der theologischen Bildungseinrichtung Fuller Seminary mehrfach darüber, wie sein Glaube Anlageentscheidungen beeinflusst. „Wo kann ich investieren, um unserem Gott zu gefallen?“, sei für ihn eine wichtige Frage. Es gehe nicht nur um Geld. Kapitalismus und die Anlage in Unternehmen seien lediglich ein Mittel, um die Menschheit voranzubringen. Dieser Weg scheint Hwang jetzt erstmal versperrt.