Traurige Zeiten für Chinas Wertpapierprimus
Von Norbert Hellmann, SchanghaiIn der chinesischen Börsenlandschaft tummeln sich über 120 teils äußerst umtriebige Wertpapierhäuser, die Chinas spekulationsverliebte Kleinaktionäre umgarnen und zu kreditfinanzierten Wertpapierengagements locken. Seit Jahren gehen Geschichten von haarsträubenden Insidervorfällen und Marktmanipulationen um, die als geradezu charakteristisch für das mit gerade einmal 25 Jahren noch relativ junge chinesische Börsengeschehen in Schanghai und Shenzhen gelten. Angekratzter NimbusIn dem Trubel ragte bislang der Marktführer Citic Securities als eine Art Hort der Zuverlässigkeit heraus. Es handelte sich schließlich nicht nur um das erste chinesische Wertpapierhaus überhaupt, sondern auch um eine Tochter des als eine Art Wegbereiter des Kapitalismus mit chinesischen Besonderheiten geltenden staatlichen Firmen- und Investmentkonglomerats Citic Group. In den letzten Wochen allerdings ist am Nimbus der Citic Securities heftig gekratzt worden. Es häufen sich immer neue Untersuchungen der Wertpapieraufsichtsbehörde, die darauf hindeuten, dass ausgerechnet im Hause Citic Securities ein Hort für manipulative Machenschaften rund um den aufsehenerregenden “Boom and Bust” an Chinas Börsen in diesem Jahr zu suchen ist.Die letzte Novemberwoche hat Citic Securities erneut in den Fokus von Ermittlungen rücken lassen, die ein personelles Revirement und eine engere Kontrolle des Brokers durch die Mutter Citic Group bringen werden. Wie nun bekannt wurde, tritt der langjährige Chairman und damit oberste Chef von Citic Securities, Wang Dongming (64), ab und dürfte von einem Abgesandten des Mutterhauses Citic Group, Zhang Youjun (50), ersetzt werden. Dieser war vor einigen Jahren als General Manager bei Citic Securities tätig, ging dann aber zur Citic Group, wo er zuletzt als eine Art rechte Hand des Chairman Chang Zhenming fungierte.Der aus einer Pekinger Elitefamilie stammende und in den USA ausgebildete Wang hat Citic Securities fast über die gesamte knapp zwanzigjährige Firmengeschichte angeführt und dabei zu einer hochprofitablen und mittlerweile auch international bekannten Finanzadresse geformt. Dabei sind ihm beste politische Verbindungen und die aus Kindeszeit stammende Freundschaft mit dem heutigen Präsidenten Xi Jinping zugutegekommen.Wang Dongming ist mit 64 Jahren zwar sowieso nahe an der Pensionierungsgrenze, aber der Wechsel dürfte im Lichte der Entwicklungen der letzten Monaten beschleunigt worden sein. Ihm werden persönlich keine konkreten Verfehlungen vorgeworfen, aber er muss die Verantwortung dafür tragen, dass Citic Securities zuletzt etwas in Verruf geraten ist.Als besonders schmerzhaft erweist sich dabei der Umstand, dass (nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua) sieben leitende Angestellte bei Citic Securities mit Ermittlungsverfahren wegen Marktmanipulation und Insidervergehen konfrontiert worden sind – allen voran der im Range eines Präsidenten stehende und damit für das operative Geschäft verantwortliche Cheng Boming. Dessen Abberufung hatte im September erste Schockwellen durch den Sektor jagen lassen, die sich nun mit neuen Untersuchungen gegen Citic Securities, aber auch gegen andere Brokerhäuser noch einmal verstärkt haben.