Treasury in der Krise: Auf der Suche nach der Win-win-Lösung
Die Treasurer der Banken arbeiten heute in einem einzigartigen Umfeld. Die vollen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Coronakrise und der von den Regierungen weltweit geschnürten Rettungspakete sind beispiellos. Zu allem Überfluss trifft sie uns auch noch im Jahrzehnt nach der Finanzkrise, das von historisch neuer Regulierung, einer akkommodierenden Geldpolitik sowie zuerst niedrigen und schließlich sogar negativen Zinssätzen geprägt war.In den Jahren nach 2008 zielte eine Welle zusätzlicher bzw. neuer Regulierung richtigerweise darauf ab, eine Wiederholung der Turbulenzen der Finanzkrise zu verhindern. Dies bietet einerseits große Vorteile, stellt Treasurer aber auch vor ebenso große Herausforderungen. Liquidität belastetNach der Insolvenz von Lehman Brothers wurde eine Vielzahl an Kapital- und Liquiditätsvorschriften erlassen, welche sicherstellen sollen, dass im Falle des Zusammenbruchs einer internationalen Bank keine Staaten und deren Steuerzahler in Mitleidenschaft gezogen werden. Allerdings führt das Vorhalten von Liquidität im aktuell negativen Zinsumfeld zu einer zusätzlichen Belastung von Banken.Einerseits fördert eine ultra-akkommodierende Geldpolitik den Liquiditätsfluss in die Realwirtschaft. Andererseits führen jedoch konservativere Kriterien wie etwa die für Basel IV diskutierten Output Floors dazu, dass die Kosten und die Verfügbarkeit von Krediten negativ beeinflusst werden könnten. Ertragskraft wird geschwächtNegative Zinssätze haben weitere Auswirkungen. Deutsche Bank Research hat errechnet, dass deutsche Anleger bei den derzeitigen Einlagevolumina rund 50 Mrd. Euro pro Jahr weniger an Zinsertrag erhalten, als sie 2007 bekommen hätten. Die flache Zinsstrukturkurve aufgrund niedrigerer langfristiger Zinsen untergräbt die Ertragskraft des traditionellen Bankenmodells. In Verbindung mit steigenden Kapitalanforderungen schränkt dies die Kreditvergabekraft des Bankensektors ein. Bedauerlicherweise haben Maßnahmen zur Abschirmung von Sparern und Unternehmen der Realwirtschaft die Erträge aus Einlagen verringert und den Kreditfluss weiter eingeschränkt. Dieses Umfeld bildet nun den Hintergrund für Covid-19.Dies wirft die Frage auf, wie die Banken in einer Zeit außergewöhnlicher Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt ihre Bilanz am effektivsten einsetzen können. Die Antwort könnte in der Suche nach Win-win-Lösungen liegen: eine nie dagewesene Zusammenarbeit, um sich einer gemeinsamen Herausforderung zu stellen. Dies umfasst mehrere Aspekte.Erstens können Banken mit ihren Kunden noch enger zusammenarbeiten, um deren Ersparnisse so produktiv wie möglich einzusetzen, seien es Einlagen, Termingelder oder alternative Anlagen. Um die Auswirkungen negativer Zinssätze abzuschwächen, ermöglichen uns die sogenannten Call-Deposit-Produkte der Deutschen Bank, attraktivere Zinssätze anzubieten und gleichzeitig die Flexibilität für die Kunden zu erhalten.Zweitens ist für Bank-Treasurer ein straffes Bilanzmanagement über das gesamte Geschäftsportfolio hinweg von entscheidender Bedeutung. Daher haben wir bei der Deutschen Bank in unsere Infrastruktur investiert, um die Fähigkeiten einer verbesserten internen Renditeanalyse sowie einer effektiveren Preisgestaltung hinsichtlich des Einsatzes unserer Mittel vollumfänglich nutzen zu können. Dies ermöglicht uns eine optimale Nutzung der Bilanz. Verbesserte ModellierungDrittens sind unsere Investitionen in verbesserte Modellannahmen und die Verfügbarkeit von Echtzeitinformationen für uns noch wichtiger geworden, um unsere Kunden auch in turbulenten Zeiten zu unterstützen. Sie ermöglichen es uns, unsere Bilanz für die Kunden effektiver einzusetzen, die eingegangenen Verpflichtungen noch genauer zu quantifizieren und den Kunden zu helfen, ihre eigene Bilanz bei ihren Kunden effizienter einzusetzen. Die Deutsche Bank hat die Modellierung des Kundenverhaltens weiter verbessert, so dass wir die Kundeneinlagen noch genauer bewerten können, ohne dabei auf ein solides Risikomanagement zu verzichten.Diese Fähigkeiten sind im aktuellen Umfeld entscheidend, wenn wir uns der Herausforderung des Coronavirus stellen wollen. Regierungen auf der ganzen Welt haben schnell und entschlossen gehandelt, um die Wirtschaft mit geeigneten Maßnahmen zu unterstützen. Die Banken haben nunmehr ebenfalls ihren Beitrag zu leisten, um sicherzustellen, dass diese Finanzhilfen unsere Kunden auch erreichen. Bei der Deutschen Bank haben wir an einem Tag über 5 000 Anfragen zum KfW-Kreditprogramm der Bundesregierung erhalten. Mittlerweile bearbeiten wir Tausende von Anträgen mit aller gebotenen Schnelligkeit.Zudem ist ein ganzheitliches Bankangebot besonders wichtig für Unternehmen ohne eigene große Finanzabteilungen – zum Beispiel im deutschen Mittelstand. Dieses Angebot kann Lösungen über das gesamte Risikospektrum hinweg umfassen, von Kredit-, Kontrahenten-, Devisen- und Zinsrisiken über Investitionslösungen bis hin zu Finanzierungsoptionen oder Beratungsdienstleistungen. Technologieschnittstellen können die Bereitstellung dieses integrierten Angebots verbessern, insbesondere in einer Umgebung, in der der persönliche Kontakt ein Gesundheitsrisiko darstellt. Die “Autobahn”-Plattform der Deutschen Bank ist ein Beispiel dafür.Der gemeinsame Nenner ist klar: Die Zusammenarbeit mit Kunden, Regierungen, Aufsichtsbehörden und Gebietskörperschaften ist enger und wichtiger denn je. Dies könnte sich als der beste Weg erweisen, um gemeinsam diese historische Herausforderung zu bewältigen. Die Deutsche Bank kann und will Teil dieser Lösung sein. Dixit Joshi ist Treasurer der Deutschen Bank. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.—–Von Dixit Joshi Covid-19 wirft die Frage auf, wie Banken angesichts außergewöhnlicher Herausforderungen für die Wirtschaft ihre Bilanz am effektivsten einsetzen können.—–