Trend zu ESG-Loans bleibt ungebrochen

Keine Modeerscheinung, sondern eines der großen Zukunftsthemen - Weitere Anreize für Darlehensgeber wären wünschenswert

Trend zu ESG-Loans bleibt ungebrochen

Befeuert durch die Covid-19-Pandemie rückt die Frage nach Zweck und Ausrichtung von Unternehmen immer mehr in den Vordergrund. Environment-Social-Governance- (ESG)-Finanzierungsprodukte stehen derzeit weit oben auf der Prioritätenliste. Immer mehr Unternehmen wollen mit nachhaltigen Produkten einen Beitrag für die Zukunft leisten. Was heißt das konkret für den Finanzierungsmarkt? Verstärkte NachfrageAuf Seite der Investoren werden durch Versicherungen, Investment Manager und Unternehmen sogenannte Green Loans oder Sustainability Linked Loans/Bonds verstärkt nachgefragt. Die Nachfrage wird durch das Inkrafttreten der EU-Taxonomieverordnung wie auch durch die zum März 2021 kommende Offenlegungsverordnung getrieben. Diese wird Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu Veröffentlichungs- und Transparenzpflichten bei Nachhaltigkeitsfaktoren und -risiken verpflichten. Die Taxonomieverordnung dagegen dient der Schaffung eines einheitlichen Verständnisses für die Bestimmung der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten. Sie ist relevant für EU-Mitgliedstaaten, Finanzmarktteilnehmer sowie Unternehmen, die zur Offenlegung von “Non-Financial Disclosure” verpflichtet sind. Im Zentrum stehen Umweltziele wie zum Beispiel Klimaschutz, Schutz von Wasserressourcen und Vermeidung von Umweltverschmutzung.Die Nichteinhaltung dieser Verordnungen kann haftungs- und aufsichtsrechtliche Konsequenzen für die beteiligten Unternehmen haben. Hinzu kommt der Reputationsschaden, auch angestoßen von Gesellschaftern, für die der “Shareholder Value” nicht mehr im Mittelpunkt steht. Die Nachfrage speist sich auch aus einer auf Nachhaltigkeit fokussierten Unternehmenskultur. Im Finanzierungsbereich werden vor allem Finanzierungsprodukte für als “grün” zu qualifizierende Investments beziehungsweise Assets (Green Loans) oder Unternehmensfinanzierungen, die vom Nachhaltigkeitsprofil des Unternehmens profitieren (Sustainability Linked Loans), nachgefragt. Allein 2019 hatte der globale Markt für ESG-Loans Bloomberg Green zufolge ein Volumen von 465 Mrd. Dollar.Bezogen auf ESG- oder Sustainability Linked Loans ist die wichtigste Frage, welche Kriterien genutzt werden, um die Finanzierung eines Investments beziehungsweise Unternehmens als “green” oder “nachhaltig” zu qualifizieren. Unterschieden werden Individualprojekte, unternehmensbezogene Finanzierungen, die sich auf bestimmte “Sustainable Performance Indicators” beziehen und die Nachhaltigkeit eines Unternehmens selbst, gemessen durch Ratings. Derzeit dominierendAktuell wird der Bereich der ESG-Loans noch durch umweltbezogene Kriterien dominiert. Das umfasst beispielsweise CO2-Emissionen, erneuerbare Energien, energieeffiziente Gebäude, klimaneutrale Transportmittel oder nachhaltige Infrastruktur. Im Bereich der Sustainability-Linked-Finanzierungen, die sich auf die Nachhaltigkeitsperformance eines Unternehmens beziehen, kommen Themen wie Gleichberechtigung im Unternehmen, Arbeitsbedingungen und Corporate Governance hinzu. Für die Kategorisierung und Bewertung der Performance wird oft auf Ratingagenturen wie Sustainalytics, ISS-Oekom oder MSCI ESG zurückgegriffen.Momentan zeigt sich aber die Gefahr, dass Investments wegen mangelhafter Harmonisierung und Standardisierung nur vordergründig nachhaltig sind und sich die Beteiligten den Vorwurf des “Green Washing” einhandeln. Hier leistet die Taxonomieverordnung einen ersten wichtigen Beitrag durch die Vereinheitlichung der Standards und im Markt akzeptierter Richtwerte. “Green” und “Sustainable”Die Ausgestaltung von ESG-Loans orientiert sich an zwei Begriffen: “Green” und “Sustainable”. Von der Loan Market Association (LMA) wurden dafür die Green Loan Principles (GLP) und Sustainability Linked Loan Principles (SLLP) veröffentlicht. Sie legen den Rahmen fest, welche Kriterien für einen Green Loan beziehungsweise Sustainable Loan beachtet werden sollen. Im Mai 2020 wurde dieser Rahmen mit zwei weiteren Leitlinien zu den GLP und den SLLP präzisiert, um den Markt zu harmonisieren.Die GLP basieren auf vier Prinzipien: Verwendung, Auswahl und Bewertung, Management der Erlöse und Reporting. So müssen Kreditmittel bei einem Green Loan zwingend für “grüne Projekte” verwendet werden. Die GLP enthalten als Anhang eine nicht abschließende Liste von Projekten, die als “grün” qualifiziert werden. Außerdem muss ein Darlehensnehmer seine ökologische Zielsetzung erläutern. Er muss darstellen, wie er zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das zu finanzierende Projekt “grün” ist. Im Rahmen der Risikosteuerung wird erwartet, dass er angibt, wie er mit umweltrechtlichen Projektrisiken umgehen wird.Es ist nicht unüblich, schon in diesem Stadium auf externe Experten zurückzugreifen, die bei Auswahl und Bewertung unterstützen. Besondere Anforderungen werden auch an das Management der Erlöse aus dem Darlehen zur Finanzierung eines “grünen Projekts” gestellt. Sie müssen auf einem separaten Konto liegen oder auf andere Weise transparent verwaltet werden. Werden mehrere “grüne Projekte” finanziert, muss klar sein, welche Erlöse zur Finanzierung welcher Projekte dienen. Zudem muss der Darlehensnehmer regelmäßig aktuelle Informationen über die Erlösverwendung und sonstige Indikatoren zur Verfügung stellen. Wenn der Darlehensgeber den Darlehensnehmer nicht kennt oder das Projekt nicht richtig bewerten kann, sollten externe Gutachter einbezogen werden.Auch die SLLP gliedern sich in vier Prinzipien: Nachhaltigkeitsstrategie des Darlehensnehmers, Zielfestlegung, Reporting und Überprüfung. So muss er seine Nachhaltigkeitsstrategie klar kommunizieren und aufzeigen, wie er seine Nachhaltigkeitsziele während der Kreditlaufzeit erreichen möchte. Die Nachhaltigkeitsziele werden in jeder Transaktion zwischen den Darlehensgebern und dem Darlehensnehmer verhandelt. Die Ziele können entweder durch den Darlehensnehmer selbst festgelegt oder mit Hilfe externer Gutachter entwickelt werden. Sie werden auch häufig auf der Grundlage von Nachhaltigkeitskennzahlen (Key Performance Indicators) überprüft. Gewinn an TransparenzDer Darlehensnehmer ist verpflichtet, durch ein Reporting mindestens einmal jährlich aktuelle Informationen über die Nachhaltigkeitsperformance bereitzustellen. Dafür kann er auch externe ESG-Ratingagenturen einbeziehen. Es gibt Konstellationen, in denen die Nachhaltigkeitsperformance oder Nachhaltigkeitsziele nicht öffentlich gemacht und nicht wie bei der Veröffentlichung im Jahresabschluss durch einen Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Auch in diesen Fällen wird auf externe Gutachter zurückgegriffen. Hier darf von der Offenlegungsverordnung ein Gewinn an Transparenz erwartet werden, da sie Anforderungen stellt, die als Messlatte angesetzt werden können. Einige StandardklauselnAuch wenn es keine Musterdokumentation oder konkrete Klauselvorschläge von der LMA oder anderen Associations zu ESG gibt, haben sich einige Standardklauseln und Themen im Markt entwickelt, die in den meisten ESG-Loans wiederzufinden sind beziehungsweise immer wieder verhandelt werden. Bei Green Loans liegt der Fokus auf einer detaillierten Beschreibung des Projekts und der Verwendung der Darlehensmittel. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Festsetzung der Reportingpflichten während der Laufzeit des Darlehens. Bei Sustainable Loans geht es um eine konkrete Zielfestlegung und die Überprüfung dieser Ziele. In kommerzieller Hinsicht führt die Qualifizierung als ESG-Loan zu einer Reduzierung der zu zahlenden Marge.Aber was passiert, wenn Ziele beziehungsweise KPIs nicht eingehalten oder Mittel nicht für ein grünes Projekt verwendet werden? Eine anerkannte Konsequenz ist, dass keine Margenreduzierung mehr erfolgt beziehungsweise die Marge wieder auf die Ursprungsmarge erhöht wird. Kontrovers diskutiert wird dagegen, ob ein Verstoß gegen ESG-Kriterien zu einem Kündigungsgrund unter dem Finanzierungsinstrument führen kann. Die überwiegende Mehrheit der aktuellen ESG-Loans sieht das nicht vor. Man kann aber davon ausgehen, dass sich in naher Zukunft Kündigungsrechte bei Nichteinhaltung von ESG-Kriterien, wie sie zum Beispiel durch die Offenlegungsverordnung bindend festgelegt werden, etablieren werden.Der Markt für ESG-Loans entwickelt sich positiv. Es wäre aber wünschenswert, noch weitere Anreize für Darlehensgeber zu schaffen. Denkbar wäre eine Entlastung bei der Eigenkapitalvorhaltung und Risikobewertung oder vergleichbaren Instrumentarien. Wer allerdings denkt, es handele sich bei ESG-Loans um eine Modeerscheinung, die schnell vergeht, liegt sicher falsch. Als eines der großen Zukunftsthemen werden diese bestimmend bleiben, und alle Finanzmarktbeteiligten können hier ihren Beitrag leisten. Michaela Sopp, Partner bei Simmons & Simmons LLP und Judit Körmöczi, Counsel bei Simmons & Simmons LLP