Trend zur Nachhaltigkeit bei Kunden ungebrochen

Alternative Banken verzeichnen zweistellige Einlagenzuwächse - Hohe Dynamik auf niedrigem Niveau - Potenzial ist noch lange nicht ausgereizt

Trend zur Nachhaltigkeit bei Kunden ungebrochen

Von Lino Wehrheim, FrankfurtBanken mit alternativen Geschäftsmodellen etwa im sozialen oder ökologischen Bereich haben im vergangenen Jahr einen erheblichen Zuwachs sowohl an Kunden als auch an Einlagen verzeichnet. Damit setzt sich der seit 2008 anhaltende Trend fort, wonach sich Nachhaltigkeitsbanken bei den Deutschen immer größerer Beliebtheit erfreuen. Diese Erfolge mögen angesichts der sonst eher negativen Nachrichten aus der Finanzbranche überraschen, zeigen aber auch die Eigenheiten der bislang in Nischenmärkten agierenden Banken auf. Große HerausforderungenEs ist kein Geheimnis, dass die Finanzbranche derzeit erheblichen Herausforderungen gegenübersteht. Der Image- und Vertrauensverlust aufgrund vergangenen Fehlverhaltens wie etwa beim Libor-Skandal oder die anhaltende Niedrigzinsphase sind Probleme, die im Konkurrenzkampf um die Gunst und das Geld der Kunden gelöst werden wollen. Diese vertrauen ihre Einlagen vor allem seit der Finanzkrise vermehrt Banken mit alternativen Geschäftskonzepten an, die sich sozialen, ethischen sowie ökologischen Zielen verpflichten. Eine naheliegende Erklärung für deren Beliebtheit ist, dass sie von der schlechten Reputation und den Skandalen der konventionellen Bankenbranche profitieren.Allerdings müsse bei diesem Effekt regional differenziert werden, sagt der Geschäftsleiter von Triodos Bank Deutschland, Georg Schürmann. Demnach unterstützen Skandale im Bankensektor hierzulande lediglich einen generellen Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit. In den Niederlanden dagegen verzeichnet das Institut Schürmann zufolge stärker infolge einzelner Vorfälle wie etwa der Aufdeckung der Verwicklung der Rabobank in den Libor-Skandal einen spürbaren Zuwachs an Kunden. Der hohe Zuspruch im Bereich der Nachhaltigkeitsbanken erstaunt auch vor dem Hintergrund der niedrigen Zinsen, da die Geldhäuser teilweise immer noch mit der landläufigen Meinung zu kämpfen haben, dass sie unter Kosten- und Renditegesichtspunkten den konventionellen Konkurrenten unterlegen seien. Frei nach dem Motto: Ein gutes Gewissen bei Geldfragen muss man sich erst einmal leisten können.Vergleicht man beispielsweise die Tagesgeldkonditionen, so wird klar, dass diese Sichtweise nicht ohne Weiteres haltbar ist. Bei den Tagesgeldzinsen bewegen sich alternative und konventionelle Geldhäuser (hier beispielhaft die Hamburger Sparkasse und die Berliner Volksbank) auf demselben niedrigen Niveau, Erstere bieten teilweise sogar bessere Konditionen an (siehe Tabelle). Die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte führt also nicht per se zu Einbußen bei der Rendite. Diesen Umstand scheinen auch immer mehr Kunden zu erkennen. Alle vier in Deutschland tätigen Nachhaltigkeitsbanken – dies sind die GLS Bank, die Triodos Bank, die Umwelt Bank und die Ethikbank – verzeichneten im vergangenen Jahr bei den Kundeneinlagen Zuwachsraten zwischen 11 % und 23 %. Der Anstieg bei den Sparkassen sowie den Volks- und Raiffeisenbanken bewegte sich unterdessen im prozentual niedrigen einstelligen Bereich. Andere GrößenordnungEin Blick auf die absoluten Veränderungen macht allerdings die Größenverhältnisse zwischen den Instituten deutlich und relativiert die Entwicklung der Nachhaltigkeitsbanken. Die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen zogen mit einem Plus von 19 Mrd. bzw. 17,4 Mrd. Euro erheblich mehr Kundeneinlagen an als die Alternativbanken. Deren Zuwächse beliefen sich auf 165,5 Mill. Euro (Umweltbank), 49 Mill. Euro (Triodos Deutschland), 27 Mill. Euro (Ethikbank) und 463 Mill. Euro (GLS Bank).Auch der prozentuale Kundenzuwachs kann sich bei den alternativen Banken sehen lassen: Die niederländische Triodos Bank verzeichnete (auf Gesamtbankebene) einen Anstieg des Kundenbestands um 18 %, die GLS Bank um 16 %. In absoluten Zahlen entspricht dies per saldo 80 000 bzw. 23 000 neuen Kunden. Die in Bochum ansässige Genossenschaftsbank GLS konnte ihre Mitgliederzahl um 18 % auf 32 400 erhöhen. Niedriges NiveauAllerdings befinden sich die Nachhaltigkeitsbanken, auch was die Kundenzahlen anbelangt, noch immer auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Selbst das größte Institut – die GLS Bank mit ihren 165 000 Kunden – ist beispielsweise im Vergleich mit den 23 Millionen der Deutschen Bank noch sehr klein. Die vier Nachhaltigkeitsbanken kommen der Managementberatung Zeb zufolge in Deutschland zusammen auf rund 310 000 Kunden (Stand Dezember 2013).Das Kundenvolumen – die Summe aus Einlagen von und Krediten an Kunden – der vier Alternativbanken stieg 2013 nach Berechnungen der Zeb zusammengenommen um voraussichtlich 16 % auf über 8 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Das Kundenvolumen der Sparkassen stieg im gleichen Jahr laut den Zahlen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands um 2,0 % auf 1,53 Bill. Euro. Der erhebliche Zuwachs des Kundenvolumens ließ die Bilanzsummen der Nachhaltigkeitsbanken kräftig zulegen. So wuchs Triodos um 22,0 %, die GLS Bank um 19,3 % und die Umweltbank um 7,7 %.Was sind die Erfolgsfaktoren der Nachhaltigkeitsbanken in puncto Kundenakquisition? Das Niedrigzinsumfeld könnte die wahrgenommene Differenz zwischen den Renditen konventioneller und alternativer Banken reduzieren und Letztere damit attraktiver machen.Allerdings führt die GLS Bank, ähnlich Triodos Bank Deutschland, den starken und seit Jahren stetigen Zuwachs an Kundeneinlagen eher auf einen allgemeinen Trend und Bewusstseinswandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zurück, der sich eben auch in Geldfragen niederschlage. Die Kunden würden sich meist aus Überzeugung und weniger aus Renditeüberlegungen für eine Nachhaltigkeitsbank entscheiden, sagt ein Sprecher der Bank.Institute mit einem alternativen Ansatz verfügen damit über einen Bonus, der konventionellen Konkurrenten in der Regel fehlt. Wie eine Studie der Zeb ergeben hat, empfinden die Kunden von Nachhaltigkeitsbanken aufgrund der positiv attribuierten Geschäftstätigkeit neben der rein monetären Rendite einen Zusatznutzen. Dieser erhöht die wahrgenommene Gesamtrendite in additiver Weise: Auf einen Einlagezins von beispielsweise 1,7 % komme bei sozial-ökologisch nachhaltiger Verwendung der Einlagen eine empfundene soziale Rendite hinzu, heißt es.In monetären Größen gemessen entspricht diese einem zusätzlichen Zins von 1,3 Prozentpunkten, wie die Studie auf Basis von Kundenbefragungen zutage gefördert hat. Demnach müsse ein konventionelles Institut dem Kunden schon 3,0 % bieten, um mit dem nachhaltigen Wettbewerber mitzuhalten. Anlass zum Wechsel?Dieser empfundene Mehrwert könnte in Zeiten extrem niedriger Zinsen zumindest jene Kunden zu einem Wechsel veranlassen, die ohnehin über einen solchen nachdenken. Der Studie zufolge beläuft sich das Kundenpotenzial der sozial-ökologischen Banken in Deutschland auf etwa 16 Millionen Menschen.Zwar spielen die Nachhaltigkeitsbanken, wie die absoluten Zahlen zeigen, im Vergleich mit konventionellen Branchenvertretern noch immer eine untergeordnete Rolle. Das enorme Kundenpotenzial und die hohen relativen Kundenzuwächse verdeutlichen jedoch, dass die Berücksichtigung von Ökologie und Sozialem auch in der Finanzbranche weiterhin von Bedeutung sein wird.