LEITARTIKEL

Trenn- und Phantomschmerz

Erinnern Sie sich an das Gefühl, wie gut es getan hat, als die Politik zuletzt in der Finanzmarktregulierung die Notwendigkeit zu handeln erkannte und die Sache zügig, klar und gültig regelte? Ich auch nicht. Die Reihe der Probleme, zu deren Lösung...

Trenn- und Phantomschmerz

Erinnern Sie sich an das Gefühl, wie gut es getan hat, als die Politik zuletzt in der Finanzmarktregulierung die Notwendigkeit zu handeln erkannte und die Sache zügig, klar und gültig regelte? Ich auch nicht. Die Reihe der Probleme, zu deren Lösung Legislative und Exekutive einst mit großen Worten antraten, um bald kleine Brötchen zu backen, kann sich sehen lassen, von Liquiditätsquoten nach Basel III über Solvency II bis hin zur Schattenbankenregulierung. Wird dies bei den Regelungen zum Trennbankensystem anders werden? Wohl nicht.Natürlich heult die Branche auf, wenn das Wort vom Trennbankensystem fällt. Es dürften aber eher Phantom- als Trennschmerzen sein, welche die Banken verspüren. Eine Anhäufung von Ausnahmen, Interessenpolitik, ein gerüttelt Maß Lobbyarbeit und wohl auch eine Kapitulation vor der Materie haben von der ursprünglichen Intention eines Trennbankensystems nicht viel übrig gelassen, von seiner simplen Struktur schon gar nicht. In den USA etwa hat man mit dem Dodd-Frank Act ein knapp 1 000 Seiten umfassendes Regulierungsmonster auf die Banken losgelassen, das sich bei Licht besehen als übergewichtiger Papiertiger entpuppt.EU-weit dürfte das Dossier erst einmal auf der langen Bank landen. Binnenmarktkommissar Barnier hat zwar einen Entwurf für den 29. Januar angekündigt. Eine Umsetzung aber wird der künftigen Kommission obliegen, die 2014 kaum mehr Vollzug melden wird. Der vorläufige und noch nicht veröffentlichte Entwurf ist derart lax gefasst, dass es für Banken ein Leichtes sein wird, den Trennbankengedanken zu karikieren. Grundsätzlich erlaubt die zu Jahresbeginn in Kraft getretene Eigenkapitalrichtlinie CRD IV Universalbanken weiter eine konzernweite Refinanzierung.In Deutschland stand das Vorhaben von vornherein unter keinem guten Stern, lag seine Motivation doch vor allem im Versuch der schwarz-gelben Bundesregierung, dem SPD-Kanzlerkandidaten mit seiner Forderung nach einem Trennbankensystem mit einem eigenen Gesetzentwurf öffentlich den Wind aus den Segeln zu nehmen, ohne zu sehr Ernst zu machen. So sieht das Regelwerk denn auch aus: Marktmacheraktivitäten, von denen jeder weiß, dass sie vom Eigenhandel kaum zu trennen sind, erst recht nicht durch die Politik, verbleiben in der das Einlagengeschäft umfassenden Einheit. Neben dezidiertem Eigenhandel bleiben zur Abspaltung nur mehr das Kredit- und Garantiegeschäft mit Hedgefonds sowie mit beträchtlich gehebelten alternativen Investmentfonds übrig. Bei den drei bis vier Banken, welche das Gesetz betreffen sollte, dürften diese Aktivitäten einen Bruchteil der Bilanzsumme ausmachen. Und die Verankerung von Strafbarkeitsnormen für Bankvorstände wurde so entschärft, dass bei Juristen die Rede von einem legislativen Totalschaden ist. Frankreich hat dem Einlagengeschäft nicht nur das Market Making, sondern gleich noch das besicherte Hedgefonds-Geschäft zugeschlagen. Ging es nicht darum zu verhindern, dass Investmentbanker mit den Einlagen von Kleinanlegern spekulieren? War es nicht Ziel, dem Handel die mit Depositen verbundene Staatsgarantie zu entziehen?Die Argumente für ein Trennbankensystem stechen heute wie zu Beginn der Finanzkrise. Zwar stellen Gegner eines Trennbankensystems zu Recht fest, dass in der Vergangenheit viele Häuser zusammenklappten, die keine Universalbanken waren, wie Lehman, Bear Stearns oder Hypo Real Estate. Dies taugt aber eher als Argument für ein Trennbankensystem: In der Krise musste der Steuerzahler manche Universalbank mit Milliardensummen über Wasser halten, weil sie infolge von Systemrelevanz nicht kollabieren dürfte, von Commerzbank über Royal Bank of Scotland bis hin zu Bank of America und Citigroup. Damit sich dies nie wiederholt, wurden Regeln für Trennbankensysteme und zur Abwicklung systemrelevanter Banken angekündigt.Eingelöst worden ist davon bislang wenig. Im Ergebnis besteht bis auf Weiteres die Gefahr, dass eine Großbank mit öffentlichen Mitteln gerettet werden muss, um einen Einlagen-Run zu verhindern. Mit nationalen Systemen, die ungeachtet EU-weiter Regelungen ihre Eigenheiten behalten sollen, hat die Politik nun aber nicht nur global, sondern auch europäisch einen regulatorischen Flickenteppich geschaffen. Vielleicht schafft sie es ja, auch dies als Erfolg darzustellen: Wenn sie es schon nicht schafft, Einlagen- und Handelsgeschäft strikt voneinander zu separieren, soll wenigstens die Trennung vom Konzept eines einheitlichen Wettbewerbsumfelds gelingen.——–Von Bernd NeubacherDies- und jenseits des Atlantiks kündigte die Politik mit großen Worten Trennbankenregeln an. Eingelöst hat sie davon wenig.——-