Trump, Putin und die Opec
Der zuletzt deutlich angestiegene Ölpreis ist auch ein politischer. Das macht es so schwer, seine künftige Entwicklung zu prognostizieren. Immerhin sind Ölkonzerne fundamental günstig bewertet.Von Dieter KuckelkornDer Ölpreis hat in den vergangenen Jahren eine atemberaubende Preisentwicklung hinter sich. Kostete die weltweite Referenzsorte Brent Crude im zweiten Quartal 2014 noch mehr als 110 Dollarje Barrel (159 Liter), setzte dann eine atemberaubende Talfahrt ein, so dass das Fass Anfang zeitweise für nur noch rund 28 Dollar zu haben war. Die wenigsten Analysten hatten einen derart dramatischen Preisverfall erwartet. Ähnlich sah es hinsichtlich der dann folgenden Erholung aus: Als sich fast alle Marktbeobachter einig waren, dass der Ölpreis für lange Zeit niedrig bleiben wird, setzte ein deutlicher Trend nach oben ein, der den Ölpreis im Mai diesen Jahres zeitweise über 80 Dollar je Barrel hob.Die Prognose des Ölpreises wird erheblich dadurch erschwert, dass es sich auch um einen politischen Preis handelt. Zwar bildet das Spiel von Angebot und Nachfrage die Basis für die Preisbildung. Allerdings gibt es weitreichende Einflussnahmen großer Förderländer, die damit ihre ökonomischen und politischen Ziele verfolgen.Was die fundamentalen Entwicklungen des Marktes betrifft, so sieht es für die kommenden zwei bis drei Jahre nach einem auf dem aktuellen recht hohen Niveau stagnierenden bis bestenfalls leicht steigenden Ölpreis aus. Die Internationale Energieagentur IEA erwartet für 2018 und 2019 einen robusten Anstieg der weltweiten Ölnachfrage um 1,4 Mill. Barrel pro Tag (bpd). Demgegenüber dürfte das weltweite Angebot darunter leiden, dass sich mit Venezuela und dem Iran zwei wichtige Produzenten erheblichen Problemen gegenübersehen. Venezuela – das Land mit den weltweit größten erschließbaren Ölvorkommen – leidet stark unter den US-Sanktionen. Diese sorgten bereits dafür, dass die Förderung eingebrochen ist. Aktuell liegt die Gesamtförderung des Kartells Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec), dem Venezuela angehört, um rund 800 000 bpd unter den offiziellen Quoten, die sich die Opec-Mitglieder gegenseitig zugestehen.Mit Blick auf die neuen Sanktionen der Trump-Administration wird es künftig auch den Iran hart treffen. Die Sanktionen dürften in der Praxis eine ähnliche Wirkung erzielen wie diejenigen aus der Zeit vor dem Atomabkommen. Damals gingen die Exporte des Landes um rund 1 Mill. bpd zurück. Die Sanktionen haben sowohl für Venezuela als auch für den Iran aber auch noch zusätzliche langfristige Auswirkungen, da in beiden Ländern dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur aufgrund von Lieferengpässen und Finanzierungsschwierigkeiten wohl unterbleiben werden. Kapazitäten in Saudi-ArabienDemgegenüber steht aber, dass Saudi-Arabien als der führende Produzent der Opec aufgrund seiner derzeit großen Förderdisziplin über stattliche ungenutzte Förderkapazitäten verfügt, die auf rund 1,8 Mill. bpd geschätzt werden. Das mit der Opec verbündete Russland könnte ebenfalls die Förderung ausweiten. Hinzu kommt, dass die amerikanische Schieferölbranche, für die keinerlei internationale Mengenabsprachen gelten, stark expandiert und ihre Produktion massiv hochfährt. Diese Faktoren sollten die Ausfälle in Venezuela und dem Iran weitgehend ausgleichen können.Nicht übersehen werden sollte allerdings der Einfluss der Politik auf den Ölpreis. Die großen Produzentenländer haben ihre jeweiligen politischen und ökonomische Ziele und versuchen, den Ölpreis dementsprechend zu beeinflussen. Zwar dürfte es einzelnen Ländern angesichts der weit oligopolistischen bis polypolistischen Marktstruktur nicht oder nur zeitweise gelingen, den Ölpreis den eigenen Wünschen unterzuordnen. In Zusammenarbeit fällt dies den Staaten aber schon deutlich leichter. Aktuell sieht es danach aus, dass die großen Produzenten weder einen deutlichen Rückgang des Ölpreises noch einen starken Anstieg anstreben. Über 60 Euro für Russland akzeptabelSo hat der russische Präsident Wladimir Putin jüngst angemerkt, seine Regierung finde jeden Ölpreis oberhalb von 60 Dollar akzeptabel. Zwar erhält der russische Staatshaushalt derzeit einen warmen Regen vom aktuell höher als erwartet ausfallenden Ölpreis. Angesichts der Tatsache, dass die Bedeutung des Ölsektors für die russische Volkswirtschaft sinkt, muss Putin aber auch die Belastung hoher Energiepreise für die anderen wichtigen Sektoren wie die Landwirtschaft im Auge behalten.Saudi-Arabien ist zum Ausgleich des Staatshaushalts und zur Finanzierung des angestrebten Umbaus der eigenen Volkswirtschaft auf einen Ölpreis von rund 88 Dollar angewiesen. Andererseits ist das saudische Regime aber von der militärischen Unterstützung durch die USA abhängig. Das Königshaus in Riad kann es sich also nicht leisten, die USA ernsthaft zu verärgern. Die Trump-Administration hat jüngst die Opec aufgefordert, ihre Produktion um 1 Mill. bpd zu erhöhen. Mit Blick auf das US-Wirtschaftswachstum scheint Trump der Ölpreis derzeit zu hoch zu sein. Zwar hat es sich die Opec aktuell nicht leisten wollen, die US-Forderung vollständig umzusetzen – schließlich hat die Organisation Mitglieder wie den Iran, die mit den USA verfeindet sind. Dennoch darf erwartet werden, dass sich das Kartell und insbesondere Saudi-Arabien den US-Forderungen noch weiter öffnen wird. Dies zeigt die jüngere Vergangenheit: So diente der 2014 von Saudi-Arabien angezettelte Preiskrieg auch dazu, Russland und Iran als Gegnern der USA wirtschaftlich zu schaden und die von den USA und der EU verhängten Sanktionen zu flankieren. Erst als die Situation für Saudi-Arabien wirtschaftlich untragbar wurde, öffnete sich das Königreich für eine Kooperation mit Russland.Aktuell ist Saudi-Arabien noch aus einem anderen Grund nicht an einem deutlich steigenden Ölpreis interessiert. Deutlich höhere Ölnotierungen würden nämlich die zu erwartenden Einnahmeausfälle des Erzfeindes Irans aufgrund der sanktionsbedingt zurückgehenden Exportmengen zumindest teilweise ausgleichen.Was die Position der US-Regierung betrifft, so ist zusätzlich zu beachten, dass diese seit vielen Jahren von den Interessen der US-Ölkonzerne stark beeinflusst worden ist. Insofern dürfte auch eine Trump-Administration nicht an einem deutlich niedrigeren Ölpreis interessiert sein – zumal die US-Konjunktur auch bei dem aktuell recht hohen Ölpreis rund läuft.Aktuell sieht es also danach aus, dass die politischen und wirtschaftlichen Interessen der größeren Akteure am Ölmarkt mit Blick auf den Preis des Energieträgers in etwa gleich gerichtet sind. Saudi-Arabien, Russland und die USA können mit einer Beibehaltung des Status quo gut leben. Krisen würden Ölpreis hebenGrundsätzlich anders dürfte die Lage allerdings aussehen, wenn die Geopolitik in der Region rund um den Persischen Golf aus den Fugen gerät und es beispielsweise einen Krieg Saudi-Arabiens und der USA gegen den Iran gibt. In diesem Fall würde der Ölpreis sicherlich mühelos die Marke von 100 Dollar überwinden. Es sind auch noch andere Szenarien denkbar, die für einen deutlichen Krisenaufschlag beim Ölpreis sorgen würden. Zu denken ist etwa die Ausweitung des Kriegs in Syrien in einen internationalen Konflikt sowie ein Zusammenbruch des saudischen Regimes.Anleger haben mit ETCs (Exchange Traded Commodities), mit Aktienfonds und mit Zertifikaten, zahlreiche Möglichkeiten, um in Öl zu investieren. In den vergangenen Monaten haben zum Beispiel ETCs, die long in Öl sind, deutlich zugelegt (vgl. Tabelle). Allerdings weisen solche Investments eine hohe Volatilität auf, ähnlich wie auch Short-ETCs, die von einem Preisverfall von Öl profitieren. Neben einer klaren Meinung zur Entwicklung des Ölpreises ist bei solchen Produkten daher eine laufende Kontrolle des Risikos unerlässlich.Etwas weniger riskant sind ETFs und aktive Fonds, die in Ölkonzerne investieren. Ihnen kommt zugute, dass die großen Ölkonzerne fundamental moderat bewertet sind. Wer es defensiver mag, der kann auch entsprechende Zertifikate erwerben. So nennt Kemal Bagci von BNP Paribas ausgewählte Discountzertifikate, die eine signifikante Seitwärtsrendite aufweisen, als Alternative für vorsichtige Investoren.Alles in allem bleibt aber das Problem, dass der Ölpreis ein politischer ist, was dessen Prognose merklich erschwert.