Überdimensionierte Bilanzen der europäischen Banken
ski Frankfurt – Allianz Global Investors erwartet einen Konsolidierungs- und Schrumpfungsprozess unter Europas Banken, dessen Verlauf allerdings von Fortschritten bei der Schaffung einer Kapitalmarktunion abhängen werde. Ingo Mainert, Chief Investment Officer (CIO) Multi Asset Europe, erkennt ein starkes Interesse der Politik an einer europäischen Bankenkonsolidierung. Warum? Nachdem die Bankenunion etabliert ist, sollen sich offenbar die Marktstrukturen dem Aufsichtsregime anpassen. Dass zumindest hierzulande derzeit eher über eine nationale Konsolidierung auf Ebene der Großbanken diskutiert wird, nimmt Mainert freilich auch wahr.Wenn in diesem Zusammenhang seitens der Bundesregierung einer “Industriepolitik” für den Finanzsektor das Wort geredet wird – Finanzminister Olaf Scholz hatte sich in diesem Sinne geäußert -, passiere in Berlin nur, was in anderen europäischen Hauptstädten längst Standard sei. “Erstaunt” zeigt sich Mainert, dass auch das Thema “too big to fail” heute anscheinend ganz anders gesehen werde als in den Jahren nach Beginn der Finanzkrise 2007.Dass beim Versuch, den Euroraum krisenfester zu machen, die europäische Bankenunion als Befreiungsschlag wirken könnte, stellt der Assetmanager des Allianz-Konzerns mindestens in Frage. Vermisst wird schon mal das viel beschworene Deleveraging. Über die Krisenzeit hinweg (Ausgangsbasis der Berechnung ist hier das Jahr 2004) sei die kumulierte Bilanzsumme des Bankensektors zwar in Deutschland von 285 auf 247 % (2015) des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesunken, in Frankreich aber von 280 auf 374 % und auch im Durchschnitt der Eurozone deutlich auf eine Größenordnung von 350 % gestiegen. In die gleiche Richtung ging die Relation in Großbritannien. Insoweit sei mithin bisher “nicht allzu viel passiert”, eine Schrumpfung jedoch überfällig. Auf eine Richtgröße will Mainert sich dabei nicht festlegen.Dass das Verhältnis zwischen Bankenbilanzen und BIP in den USA nur bei etwa 90 % liegt, erklärt er mit der dort dominierenden Kapitalmarktfinanzierung und schließt daraus, dass es zunächst einmal auch eines funktionsfähigen paneuropäischen Kapitalmarktes bedürfe, um in Europa auf Dauer sinkende Bankaktiva ersetzen zu können. Bei der Schaffung einer Kapitalmarktunion wie bei der Architektur der EU überhaupt müsse man nicht immer gleich an den großen Wurf denken, sondern sollte sich auch mit Teillösungen wie etwa einem gemeinsamen Unternehmensanleihemarkt zufriedengeben. EZB im SchildkrötentempoZunehmenden Konsolidierungsdruck auf die Bankenbranche sieht Mainert nicht zuletzt deshalb, weil eine Zinsnormalisierung in Europa auf absehbare Zeit schwer vorstellbar sei – kein schönes Szenario für die Banken. Mit einem Zinsschritt der EZB rechnet Allianz Global Investors für den 12. September oder – weil das “vor Ende des Sommers” wäre und damit streng genommen nicht der EZB-Kommunikation entspräche – eher für den 24. Oktober 2019. Auch dann werde es nur um Symbolik gehen, also um eine “Leitzinserhöhung” von -0,4 % auf -0,3 %. Die EZB werde sich zinsseitig höchstens “im Schildkrötentempo” bewegen, und dies umso mehr, als mit Blick auf 2020 nach einer zu erwartenden Zinsinversion in den USA die Rezessionswahrscheinlichkeit deutlich steigen dürfte.