UBS lässt zur Übernahme der Credit Suisse pathetische Töne anklingen
„Die Geschichte erwartet uns, lasst uns diese Gelegenheit gemeinsam ergreifen und unser Zeichen setzen.“ UBS-Präsident Colm Kelleher lässt in seiner Rhetorik die Qualitäten eines Politikers aufblitzen. Zum offiziellen Vollzug der Credit-Suisse-Übernahme am Montag wählte der Ire große Worte. In einer zweiminütigen Videobotschaft auf der Webseite der Bank setzte er sie mit Pathos in Szene.
UBS will Geschichte schreiben
Die neue Credit-Suisse-Eigentümerin zeigt sich zu Beginn der langen Integrationsphase betont zuversichtlich und hebt glänzende Perspektiven hervor
Am Tag, an dem die Credit Suisse in der UBS aufgeht, lassen die Protagonisten der neuen Schweizer Superbank große Töne anklingen: Präsident Colm Kelleher zeigt sich über den „größten Bankenzusammenschluss in der Geschichte“ erfreut. Dabei ist der Personalabbau dramatisch und die Stimmung im Land durchwachsen.
Von Daniel Zulauf, Zürich
„Der größte Bankenzusammenschluss in der Geschichte“ ist im Urteil von Kelleher nicht nur für die neue UBS „historisch“, sondern auch für die ganze Schweiz und sogar für die weltweite Finanzindustrie. Der ehemalige Morgan-Stanley-Vize und Wall-Street-Veteran ließ früher gemachte Aussagen über die Risiken der Großübernahme diesmal gänzlich weg und sprach stattdessen allein von den „enormen Chancen“, wie sie dem Manager für die UBS und für den ganzen Finanzplatz vorschwebten.
Die aktuell rund 124.000 Beschäftigten der neuen Superbank können zu Beginn der nun anlaufenden Integrationsphase eine Aufmunterung gebrauchen, wie auch die Schweizer Bevölkerung, an der ein großer Teil der Kosten der Übernahme hängen bleiben wird.
„Kein Zweifel“ am Erfolg
Es ist von einem Abbau von bis zu 40.000 Stellen die Rede – ein Viertel davon allein in der Schweiz. „Ein offener Brief von UBS“, abgedruckt in ganzseitigen Inseraten in mehreren Zeitungen in der Schweiz und im Ausland, unterstützt die Botschaft vom „Beginn eines neuen, historischen Kapitels“, an dessen erfolgreichem Ausgang Kellehers erster Offizier, CEO Sergio Ermotti, „keine Zweifel“ hat, wie er sich seinerseits per Video vernehmen lässt.
Dass die neue Superbank am Tag 1 ihrer Geschichte die „Herausforderungen“ des Mega-Mergers nicht in den Vordergrund stellen wollte, mag kommunikationstechnisch seine Logik haben. Trotzdem vermitteln die beiden Protagonisten in ihren geradezu euphorisch anmutenden Auftritten das Bild einer Bank, der nichts Besseres als das schnelle Scheitern der Credit Suisse passieren konnte.
Keine Abwicklung nach Fahrplan
Tatsächlich betonen Regierung und Finanzmarktaufsicht in der Schweiz seit dem 19. März, als die Übernahme der Credit Suisse mit beispielloser staatlicher und behördlicher Unterstützung Tatsache wurde, dass alle anderen Optionen zur Verhinderung einer Pleite nur zweite Wahl gewesen seien. So stellt sich die Finma auf den Standpunkt, dass eine „Sanierung“ der Credit Suisse das Potenzial gehabt habe, eine globale Finanzkrise auszulösen. Unter Sanierung verstehen die Aufseher zunächst die Kapitalumwandlung. Dazu zählen im Ernstfall eine vollständige, behördlich verordnete Abschreibung der riskantesten und für solche Fälle geschaffenen Kategorie der Additional-Tier-1-Anleihen (AT1), eine sofortige Umwandlung einer anderen, speziellen Anleihenkategorie in Aktien (Bail-in) und eine vollständige Abschreibung des Aktienkapitals.
Diese Sanierung, in der es auf Geheiß der Finma auch zu einer raschen Liquidation oder Abwicklung nicht systemrelevanter Teile der Credit Suisse gekommen wäre, hätte für die Finanzmarktteilnehmer ein direktes Schadenpotenzial in Höhe von um die 70 Mrd. sfr gehabt. Dieses vergleicht sich mit den 16 Mrd. sfr, die aktuell nur die Besitzer der AT1-Anleihen tragen. Nach Auffassung der Finma hätte die Sanierung die Instabilität der Finanzmärkte verschärfen können. Zudem wäre die Credit Suisse auch nach einer zunächst erfolgreichen Kapitalsanierung vorerst Credit Suisse geblieben. Es ist unklar, ob das Management, das auf den Finanzmärkten kein Vertrauen mehr genoss, das Institut aus dem Strudel hätte herausmanövrieren können.
Bekannt ist indessen, dass die UBS schon ab Oktober mit dem Szenario einer Credit-Suisse-Übernahme zu rechnen begann. Ein im Mai von der UBS bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereichtes Dokument macht deutlich, dass insbesondere UBS-Präsident Kelleher das am Ende eingetretene Übernahmeszenario konkret durchrechnen ließ.
„Size matters“
„Size matters in banking“ – Größe ist wichtig –, sagte er am Montag als Begründung für seinen Optimismus. Ermotti wiederum erklärte Ende März anlässlich seines Comebacks als CEO, die UBS sei nicht zu groß, sondern eher „zu klein, um überleben zu können“. Ob die Schweiz die historischen Pläne der beiden UBS-Protagonisten am Ende wirklich unterstützen will, ist offen. Das Parlament ist kritisch und wird im Herbst neu bestellt werden. Eine Neuregulierung des Bankensektors ist laut Finma zwar unwahrscheinlich. Aber die neue UBS wird bis 2030 deutlich verschärfte Kapitalanforderungen erfüllen müssen.