Umkehr der Kapitalströme stärkt Europa

Von Eurokrise zu Euroaufschwung

Umkehr der Kapitalströme stärkt Europa

Dr. Eckhard Schulte, Portfoliomanager Renten, G & P Institutional Management AGDie konjunkturelle Wende in Europa und die starken Kursverluste in den Emerging Markets (EM) stellen eine wesentliche Konsenseinschätzung an den Kapitalmärkten in Frage. Um dem scheinbar sicheren Untergang Europas zu entkommen und gleichzeitig von der Wachstumsdynamik in den Schwellenländern zu profitieren, hatte in den letzten Jahren eine starke Kapitalbewegung vom “Alten Kontinent” in die Emerging Markets stattgefunden. Im Lichte der konjunkturellen Wende in den entwickelten Märkten und des Rückgangs der systemischen Risiken in Europa setzt nun eine Umkehr der Kapitalströme ein, welche die Finanzierungsbedingungen in Europa und den USA verbessert und somit den Aufschwung in den entwickelten Volkswirtschaften festigt.Gleichzeitig bedeutet der Abfluss von Liquidität für die EM Abwertungsdruck, die Notwendigkeit von Zinserhöhungen und eine Verschärfung der monetären Konditionen, welche den Abschwung beschleunigen. Die Liquiditätsflut der letzten Jahre lässt die Region mit typischen Überhitzungserscheinungen und strukturellen Schwächen zurück. Die Gunst der Anleger sollte in den nächsten Monaten dieser Entwicklung folgen.Die konjunkturelle Wende in Europa kam weitgehend unbemerkt. Während noch im Frühjahr für die meisten Analysten kein Ende des Abschwungs in Sicht war, hat das positive Wachstum im zweiten Quartal von 1,1 % annualisiert überrascht. Auch wenn einige Sonderfaktoren diese Zahl vermutlich leicht nach oben verzerrt haben, bleibt eine klar positive Botschaft. Erfreulich ist zum einen, dass neben dem Export auch die Binnenkonjunktur zur Stabilisierung der Konjunktur beigetragen hat. Die Konjunkturlokomotive ist derzeit noch Deutschland, wo sich ebenfalls eine deutliche Erholung der Binnenkonjunktur vollzieht.Zum anderen ist erfreulich, dass die Bremswirkung in den Peripherieländern nachgelassen hat. In erster Linie geht die Stabilisierung des Wachstums in der Euro-Peripherie derzeit noch auf einen zyklischen Effekt zurück, da der kontraktive fiskalpolitische Impuls der Vorquartale – ausgelöst insbesondere durch Steuererhöhungen – nun wegfällt. Gleiches gilt für die Bauindustrie, deren Schrumpfungsprozess insbesondere in Spanien und Irland abgeschlossen zu sein scheint. Aber bereits für die nächsten Quartale erwarten wir, dass sich zusehends positive Effekte aus den Strukturreformen der letzten Jahre bemerkbar machen und diese Treiber des Wachstums werden.Insbesondere die “Programmländer” Portugal und Irland wie auch Spanien haben in den letzten Jahren durch verschiedene Reformen ihre Wettbewerbsfähigkeit weitgehend zurückerlangt und sollten in den nächsten Jahren die Früchte dieser Reformen ernten. Wie die Abbildung zeigt, ist der Rückgang der Lohnstückkosten hier besonders ausgeprägt, wobei für alle Peripherieländer ein Rückgang der Lohnstückkosten gegenüber dem Euro-Durchschnitt zu verzeichnen ist. Gleichzeitig sind die Leistungsbilanzdefizite in fast allen Peripherieländern weitgehend verschwunden, wobei dies insbesondere auf ein starkes Wachstum der Exporte zurückgeht. Mit der Stabilisierung der Binnenkonjunktur und den positiven Impulsen aus dem Außenhandel sollte auch eine Stabilisierung des Arbeitsmarktes erfolgen, so dass die viel zu hohe Arbeitslosigkeit vermutlich ihren Höhepunkt erreicht hat.Eine weitere Unterstützung für den Aufschwung in Europa kommt aus der derzeit einsetzenden Umkehr der Kapitalströme aus den Emerging Markets zurück in die entwickelten Märkte. Um der “großen Rezession” in den USA und der Eurokrise zu entkommen, ist in den letzten Jahren massiv Kapital – Schätzungen gehen von rund 4 000 Mrd. Euro aus – in die Emerging Markets geflossen. Unterstützt wurde dies durch die ultralockere Geldpolitik in den entwickelten Ländern und die vermeintliche fundamentale Attraktivität der EM. Der starke Liquiditätszufluss hat den Boom in den EM verlängert und zu typischen Überhitzungserscheinungen wie hoher Inflation, Leistungsbilanzdefiziten, steigender Verschuldung bzw. Überschuldung im Privatsektor und Überinvestitionen in ertragsschwache Projekte geführt.Gleichzeitig hat der Boom die Notwendigkeit von weiteren Strukturreformen in den Hintergrund gedrängt, so dass sich insbesondere die Innovationsfähigkeit in diesen Volkswirtschaften verschlechtert hat. Die wirtschaftliche Wende in den USA und der Rückgang der systemischen Risiken in Europa bedeuten nicht nur die Bereitstellung von weniger Liquidität durch die Zentralbanken, sondern führen auch zu einer Umkehr der Kapitalströme von den EM zurück in die entwickelten Märkte. Die Auswirkungen für die Emerging Markets sind äußerst negativ. Die Währungen fallen und zwingen die Notenbanken, Zinsen zu erhöhen, welche prozyklisch den Abschwung verstärken. Die Kreditverfügbarkeit sinkt und die Zinsen steigen, womit sich trotz Abwertung der Währungen in der Summe eine Verschärfung der monetären Rahmenbedingungen ergibt.Für Europa hingegen ergibt sich ein gegenteiliger Effekt. Durch den Zufluss von Kapital verbessern sich die Finanzierungsbedingungen und die Verspannungen an den Kreditmärkten lösen sich auf. Dadurch wird der bislang gestörte Transmissionsmechanismus der Geldpolitik “repariert” und die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) kann die Euro-Peripheriestaaten nun erreichen. Dies bedeutet für die nächsten Quartale eine weitere Divergenz in der wirtschaftlichen Entwicklung der Emerging Markets und der entwickelten Volkswirtschaften, welche in den nächsten Quartalen ein bestimmendes Thema an den Finanzmärkten sein wird.Die Portfolioströme sollten dieser Entwicklung (weiter) folgen, insbesondere da die Übergewichtung in den Emerging Markets und die Untergewichtung Europas (bzw. der entwickelten Märkte) der Investmentkonsens der letzten Jahre an den Finanzmärkten gewesen ist. Dies hat an den Aktienmärkten zu sehr günstigen absoluten und relativen Bewertungen insbesondere der Euro-Peripherie geführt, welche attraktive Einstiegsniveaus darstellen. Aber auch im Fixed-Income-Markt bietet Europa viele Chancen. Noch immer preist der Markt eine erhebliche Prämie für ein mögliches Auseinanderfallen des Euro ein, welche nicht nur durch Long-Positionen in der Euro-Peripherie, sondern auch durch eine Positionierung auf eine Spreadeinengung gegenüber Bunds vereinnahmt werden kann.Der “Länderfaktor” bleibt die wesentliche Determinante für das Pricing in allen Segmenten des Rentenmarktes, wodurch sich hohes Potenzial in der Selektion von Einzeltiteln zum Beispiel im Bereich der Covered Bonds und/oder Unternehmensanleihen ergibt. Für Emerging Markets Debt bleibt der Ausblick hingegen negativ. Der Abfluss von Liquidität insbesondere aus den lokalen Währungsmärkten übt Druck auf das immer noch niedrige Zinsniveau aus und lässt oftmals hoch verschuldete Strukturen zurück. Die Abwertung der Währung tut dann ein Übriges, um diese Investments negativ performen zu lassen.