Ungemütliche Zeiten für Chinas Bankenriesen
Von Norbert Hellmann, SchanghaiEs braut sich etwas zusammen. Die neue Ergebnisrunde für Chinas Großbankenquartett stimmt ein wenig bedenklich, zumindest auf den zweiten Blick. Die Staatsriesen haben im ersten Geschäftsquartal trotz weiter abkühlender Konjunktur und von einer hohen Basis ausgehend leichte Gewinnfortschritte zwischen 0,6 % für die Industrial & Commercial Bank of China (ICBC) und 1,7 % für die Bank of China (BOC) erzielt. Sie scheinen über ausreichende Kapitalpolster zu verfügen – die harte Eigenkapitalquote (Common Equity Tier 1) liegt im Mittel bei soliden 13 %, auch Eigenkapitalrenditen von rund 18 % sind auf dem Papier ansehnlich. Bilanzieller ReparaturbedarfBeim Blick unter die Motorhaube allerdings wird den Experten etwas mulmig. Man sieht Verschleißspuren und Schwachstellen, die darauf hindeuten, dass in Zukunft größere Reparaturarbeiten anstehen werden. Mit ICBC und BOC haben zwei Institute zum Quartalsultimo bei der bilanziellen Risikoabdeckungsquote mit Werten von 141 % und 149 % erstmals die offizielle Norm der Bankenaufsichtsbehörde von 150 % unterschritten.Bei der entsprechenden Quote handelt es sich um das Verhältnis des Risikovorsorgeumfangs für notleidende Kredite zum Gesamtvolumen der nicht bedienten Ausreichungen. Sie wird auch als Non Performing Loans Coverage Ratio bezeichnet. Die laxere Quoteneinhaltung war im Falle der ICBC ausschlaggebend dafür, dass der Branchenprimus keine rückläufigen Gewinne ausweisen musste, und dürfte mit den Regulatoren abgesprochen sein. Neue SchlupflöcherZuletzt zeigte sich, dass die chinesische Regierung nach Entlastungsmöglichkeiten für die Banken sucht, um mit Blick auf die schleppende Konjunktur das Kreditvergabetempo hoch zu halten. Die China Construction Bank (CCB) liegt noch gerade so über der Grenze. Kürzlich aber hatte der CCB-Chairman auf die Notwendigkeit gelockerter Coverage Ratios aufmerksam gemacht und dabei eine auf 130 oder 120 % reduzierte Vorgabe als sinnvolle Lockerungsmaßnahme in den Raum gestellt.Auf einem anderen Blatt steht allerdings die Frage, wie die Bankenaufsicht mit neuen Praktiken der Verschleierung von Kreditrisiken umgeht. Mittlerweile verdichten sich die Anzeichen dafür, dass ihre Pappenheimer im großen Stil Investmentgesellschaften gründen, deren Zweck die Vereinnahmung von Zins- und Tilgungszahlungen für Kredite an wacklige Schuldner ist. Dies ermöglicht ein Versteckspiel, bei dem gefährdete Kredite nicht offiziell als notleidend eingestuft werden und dann auch bei der Risikovorsorge außen vor bleiben. Damit macht man sich mildere Vorschriften für die Abdeckung von Investmentrisiken zunutze. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass die CBRC die Chose durchschaut hat und künftig nicht mehr zu tolerieren bereit ist. Dann aber werden die Banken im laufenden Quartal erst recht mit höheren Kreditrisikovorsorgeleistungen konfrontiert, die für hässliche Ergebnisse zur Jahresmitte sorgen dürften. Der Ertragsdruck im operativen Geschäft nimmt nämlich weiter zu.Chinas Sektorgrößen fahren Geschäftsmodelle, die sich im Wesentlichen kaum unterscheiden. Wichtigster Antriebsfaktor ist das klassische Kreditgeschäft mit Privat- und Geschäftskunden – allen voran den großen Staatsunternehmen -, und hier läuft der Motor nicht rund. Das verlangsamte Konjunkturtempo bei mittlerweile rekordtiefen Leitzinsen und die inzwischen voll umgesetzte Zinsliberalisierung schlagen mittlerweile sehr deutlich auf die Performance der Banken durch. Bislang schien es so, als würden zumindest Chinas größte Banken dem latenten Margendruck standhalten können, nun aber sieht man doch fühlbare Einbußen. So ist die Nettozinsmarge der führenden Institute im ersten Quartal um 15 bis 25 Basispunkte zurückgekommen. Beim Marktführer ICBC lag sie zuletzt bei 2,28 %. Dafür muss man sich im internationalen Vergleich freilich nicht schämen, aber man war in den fetten Jahren nach dem Dekadenwechsel Werte nahe 3 % gewöhnt. So wiesen Chinas Kreditriesen im vergangenen Quartal durchweg rückläufige Zinsüberschüsse auf, wobei sich vor allem eine mittlerweile erforderliche Zinsanpassung von Immobilienkrediten negativ bemerkbar macht. Im Mittel schrumpften Zinssalden um 5 % gegenüber dem Vorjahr. Schuldenswap tut wehEine rasche Besserung beim Zinsgeschäft ist nicht in Sicht, zumal die Leitzinsen weiter zurückgenommen werden dürften. Als echter Schlag ins Kontor erweist sich übrigens auch ein von vielen Beobachtern oft übersehener Faktor, nämlich die im vergangenen Jahr gestartete Sanierungsrunde bei Chinas hoch verschuldeten Gebietskörperschaften. Die chinesischen Banken sind dabei genötigt worden, Kreditausstände bei kommunalen und provinziellen Schuldnern beziehungsweise den berüchtigten Infrastrukturfinanzierungsvehikeln in Kommunalobligationen umzuwandeln. Die laufende Rendite der Bondtitel liegt aber wesentlich niedriger als die Verzinsung der zuvor revolvierend an diese Adressen begebenen Neukredite. Die Zwangsmaßnahme darf zwar als ein Beitrag zur Stärkung der Finanzstabilität in China gewertet werden, sie ist aber Gift für die Ergebnisentwicklung bei den Banken.