IM BLICKFELD

Unversöhnliche Rechtspositionen im Deutsche-Bank-Prozess

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 20.4.2016 Der Worte sind genug gewechselt im Deutsche-Bank-Prozess in München. Gut 120 Stunden wurde an 34 Tagen verhandelt gegen fünf großteils ehemalige Topmanager der Bank, die wegen versuchten...

Unversöhnliche Rechtspositionen im Deutsche-Bank-Prozess

Von Michael Flämig, MünchenDer Worte sind genug gewechselt im Deutsche-Bank-Prozess in München. Gut 120 Stunden wurde an 34 Tagen verhandelt gegen fünf großteils ehemalige Topmanager der Bank, die wegen versuchten Prozessbetrugs angeklagt sind. Das Urteil könnte, nachdem den Angeklagten die Möglichkeit zur persönlichen Stellungnahme gegeben sein wird, am 25. April fallen. Die Plädoyers sind am Dienstag beendet worden. Staatsanwalt und elf vortragende Verteidiger benötigten hierfür an zwei Tagen nicht einmal fünf Stunden. Wie sind die Rechtspositionen?Auch nach der Beweisaufnahme beurteilen Verteidiger und Ankläger den Stand diametral unterschiedlich. Die Anwälte der Manager verlangen einen Freispruch, und zwar nicht nur “zweiter oder dritter Klasse” (Albrecht Heyng, Anwalt von Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig). Hanns Feigen als Verteidiger des Co-Vorstandschefs Jürgen Fitschen fasst es so zusammen: “Nicht der Hauch eines Verdachts bleibt zurück.”Ankläger Stephan Necknig will die Ex-Vorstände dagegen bis zu dreieinhalb Jahre einbuchten: “Die Hauptverhandlung hat aus Sicht der Staatsanwaltschaft den in der Anklageschrift niedergelegten Sachverhalt vollumfänglich bewiesen.” Nur ein Zugeständnis macht er: Dem Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck wird nicht mehr versuchter Prozessbetrug, sondern nur noch vorsätzliche Falschaussage vorgeworfen.Necknig zufolge haben die Angeklagten das Oberlandesgericht München (OLG), das in den Jahren 2011/2012 eine Klage des Medienunternehmers Leo Kirch gegen die Bank behandelte, bewusst angelogen. Dies zeige ein Vergleich der tatsächlichen Bankaktivitäten in den Jahren 2001/2002 mit den Aussagen der Manager eine Dekade später. Dreh- und Angelpunkt des Necknig-Plädoyers ist die Feststellung: “In der Bank wurde ein Beratungsmandat im Zusammenhang mit Kirch intensiv angestrebt.” Anders als in der Anklageschrift hält Necknig verstärkt ein Mandat Dritter zum Kauf von Kirch für möglich. Als Kronzeuge führt Necknig den Investmentbanker Christian Graf Thun-Hohenstein ins Feld, der für die Deutsche Bank arbeitete. Zudem wird das Protokoll einer Vorstandssitzung vom 29. Januar 2002 als Beleg genannt. Ankläger: Pakt erwiesenWas taten die Angeklagten? Um Schadensersatzansprüche von Kirch gegen die Bank abzuwehren, einigten sie sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft unter Moderation von Rechtsanwälten “zumindest stillschweigend” darauf, falsch auszusagen. Der Tenor: Es habe keine Vorstandsentscheidung gegeben, Kirch die Restrukturierung seiner Gruppe durch die Bank anzubieten. Nur Fitschen habe sich nicht an die Vereinbarung gehalten, sondern vage Angaben gemacht und rumgeeiert: “So sagt nur jemand aus, der genau weiß, was Sache ist, aber versucht, sich irgendwie durchzulavieren.”Börsig-Verteidiger Klaus Gussmann hält das Vorstandsprotokoll dagegen wie seine Kollegen für untauglich als Beleg: “Mitnichten kann in diesen Wortlaut hineininterpretiert werden, dass Kirch ein Mandat angetragen werden sollte.” Norbert Scharf, der Ex-Bankchef Rolf Breuer verteidigt, stößt in das gleiche Horn: “Es gab keinen Täuschungsversuch, weil diese Hauptverhandlung bestätigt hat, dass die Deutsche Bank 2002 kein Mandat wollte.”Und Thun-Hohenstein? Er habe nur geradegerückt, dass Projekte im Investment Banking keineswegs immer konkrete Pläne gewesen seien, urteilt Hellen Schilling als Verteidigerin von Ex-Bankchef Joe Ackermann. Feigen zufolge gab es keine Absprache der Angeklagten: “Keine Einlassung, keine Zeugenaussage und auch keine durch Verlesung eingeführte Urkunde hat einen solchen Verdacht bestätigt oder auch nur in den Bereich des Diskutablen gerückt.” Fitschen habe sogar das Gegenteil dessen ausgesagt, was angeblich zentraler Punkt der Aussageverschwörung gewesen sei. Zudem fehle es am Vorsatz, falsch auszusagen, so Heydebreck-Anwalt Klaus Volk.Das Breuer-Interview mit Bloomberg, das in der Beweisaufnahme großen Raum einnahm, spielt im Anklage-Plädoyer eine untergeordnete Rolle. Für Feigen ist nach der Beweisaufnahme klar, dass die Absicht sittenwidriger Schädigung nicht auf das Interview gestützt werden kann. Scharf fordert “das Ende einer beispiellosen rechtlichen Verfolgung”. Verteidigung: UnsinnAls Beleg für die Schuld der Angeklagten wertet Necknig, dass die Bank einen Vergleich über 925 Mill. Euro mit Kirch schloss: “Es ist kaum vorstellbar, dass Zahlungen in dieser Größenordnung tatsächlich geleistet werden, obwohl es keinen Anspruch gibt.” Unsinn aus Sicht der Verteidiger. Ein Vergleichsschluss sei kein Eingeständnis, dass ein Anspruch berechtigt sei, argumentiert Ackermann-Anwalt Gerson Trüg. Erst recht sei er kein Geständnis einer Straftat. Deutsche-Bank-Anwalt Werner Leitner erinnert daran, dass die Staatsanwaltschaft in den damals laufenden Zivilprozess vor dem OLG mit dem Vorwurf des Prozessbetrugs eingegriffen habe. Ein Topos, der öfters im Prozess auftauchte: Die Ankläger hätten demnach den Vergleichsschluss befördert. Leitner erklärt: Dass der Vergleich als Indiz für die Strafbarkeit der Angeklagten herangezogen werde, zeige die Scheinlogik der Staatsanwaltschaft.Das Gericht hat sich nach der Beweisaufnahme klar positioniert. Sie ergebe nach bisherigem Stand, “dass die anklagegegenständlichen Vorwürfe nicht zutreffen”. Dass die Richter im Falle eines Freispruchs Fitschen und Ackermann wegen Aufsichtspflichtverletzung zu Geldbußen verurteilen, wie die Staatsanwaltschaft hilfsweise beantragt hat, scheint mehr als fraglich. Barbara Livonius als Verteidigerin von Fitschen betont, die Staatsanwaltschaft habe gar nicht zeigen könne, dass die zu beaufsichtigenden Bankmitarbeiter falsch gehandelt hätten: “Ohne Anknüpfungstat geht aber der Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung von vornherein ins Leere.” Eberhard Kempf weist auf ein Kuriosum hin. Die Ankläger hielten seinem Mandanten Ackermann eine Aufsichtspflichtverletzung vor auch deswegen, weil er seinen eigenen versuchten Prozessbetrug nicht verhindert habe: “Das ist nicht nur selbstreferenziell, das ist strafrechtlicher Unsinn.”Die klare Positionierung des Landgerichts lässt fast vergessen, welche Bedeutung bei unklarerer Beweiserhebung die Tatsache hätte spielen können, dass der Ablauf des OLG-Prozesses nicht nur aus den Aufzeichnungen der Richter erschlossen wurde, sondern auch das Protokoll von Deutsche-Bank-Stenografen vorliegt. Annette Rosskopf erinnert daran, dass mancher Angeklagte sonst seine Unschuld schwer hätte nachweisen können. Denn die angebliche vorsätzliche Falschaussage ihres Mandanten Heydebreck sei das Resultat einer “suggestiven Befragung und einer tendenziösen Protokollierung”. Man könne nur dankbar sein, dass eine stenografische Fassung vorliege.