Hedgefonds im Visier

US-Börsenaufsicht SEC treibt Offenlegungs-Offensive voran

Die US-Börsenaufsicht SEC hat in kurzer Folge mehrere Vorgaben finalisiert, die Hedgefonds zu höherer Transparenz verpflichten. So gelten künftig schärfe Regelungen für aktivistische Long-Investoren wie auch für Leerverkäufer.

US-Börsenaufsicht SEC treibt Offenlegungs-Offensive voran

SEC nimmt sich Hedgefonds zur Brust

US-Börsenaufsicht treibt Offensive zu Offenlegungspflichten voran – Neue Regeln für Aktivisten und Shortseller

Von Alex Wehnert, New York

Die US-Börsenaufsicht SEC nimmt sich Hedgefonds mit einer nahezu beispiellosen Regulierungsoffensive zur Brust. So hat die Behörde in kurzer Folge mehrere neue Vorgaben finalisiert, die laut Marktbeobachtern zu tiefen Einschnitten sowohl für aktivistische Long-Investoren als auch für Leerverkäufer führen dürften. Damit will die SEC, die den Investorenschutz unter ihrem Vorsitzenden Gary Gensler zur zentralen Aufgabe erkoren hat, die Transparenz im rapide gewachsenen Markt für Private Funds erhöhen.

Gemäß einer Ende der vergangenen Woche beschlossenen Neuregelung müssen Hedgefonds große Short-Positionen regelmäßiger offenlegen. Bisher erhält die Aufsicht von Broker-Dealern zweimal monatlich Momentaufnahmen zu offenen Short-Positionen. Nun weitet sie die Offenlegungspflichten aber auf die Hedgefonds selbst aus. Vehikel, die im Verlauf eines Monats Aktien eines Unternehmens im Gegenwert von durchschnittlich 10 Mill. Dollar leerverkauft haben, müssen das künftig auch zum Ende dieses Monats an die SEC melden. Gleiches gilt, wenn sie sich mehr als 2,5% der Dividendenpapiere eines Unternehmens geliehen haben, um auf fallende Kurse zu setzen.

Reaktion auf Stressphasen

Die Aufsicht aggregiert die Daten und veröffentlicht sie. Für Marktteilnehmer soll die Identität einzelner Shortseller nicht erkennbar werden – aber sie sollen klarere Einblicke dazu erhalten, welche Unternehmen sich im Fokus von Leerverkäufern befinden. „Vergangene Ereignisse zeigen, dass es für die Öffentlichkeit wichtig ist, mehr über die Short-Sale-Aktivität an den Aktienmärkten zu wissen“, betonte Gensler in einer Mitteilung. Dies gelte insbesondere in Zeiten erhöhten Stresses und gestiegener Volatilität.

Denn die Maßnahmen der Behörde sind Teil einer Reaktion auf die Turbulenzen um Meme Stocks Anfang 2021. Damals verbündeten sich Kleinanleger über Internetforen, um gebeutelte Titel mit hohem Short Interest durch konzertierte Käufe anzutreiben. Hedgefonds, die auf Kursverluste der Aktie des Videospielhändlers Gamestop und ähnlicher Werte gesetzt hatten, entstanden binnen kurzer Zeit milliardenschwere Verluste.

Einige von ihnen mussten in der Folge gar Vehikel schließen und Anleger auszahlen. Andere deckten sich mit Aktien ein, die sie zuvor leerverkauft hatten, um Verluste auszugleichen – durch die gestiegene Nachfrage entstand ein sogenannter Short Squeeze, der zu weiteren Kursexplosionen führte. Auf die steilen Aufschwünge folgten aber umso schwerere Rücksetzer, unter denen insbesondere die beteiligten Privatanleger litten.

Die Volatilitätssprünge weckten damals Sorgen um die Finanzstabilität. Die Bemühungen der SEC, dem durch höhere Transparenz zu begegnen und somit eine klarere Risikoeinschätzung zu ermöglichen, sind durch ein 13 Jahre altes politisches Mandat gedeckt. Denn der US-Kongress verabschiedete 2010 in Reaktion auf die Verwerfungen der globalen Finanzkrise ein Gesetz, durch das die SEC mehr Informationen zu Leerverkäufen sammeln sollte. Bis zum vergangenen Freitag implementierte die Aufsicht dieses aber nicht.

Kritik aus der Branche

Die Reaktionen auf die neuen Offenlegungspflichten fallen gemischt aus. Die beiden republikanischen Mitglieder der fünfköpfigen Börsenaufsichts-Kommission etwa stimmten gegen die Regelungen. Kommissar Mark Uyeda brachte seine Befürchtung zum Ausdruck, dass die Vorgaben Investoren von Leerverkäufen abbringen könnten, die aber nun einmal zur Preisbildung am Aktienmarkt gehörten. Branchenvertreter bezeichneten die Offenlegungspflichten als übermäßig beschwerlich und kostentreibend. Nach Ansicht der Managed Funds Association täte die SEC besser daran, ihre bestehenden Datensätze effizienter zu nutzen.

Andere Verbände zeigten sich immerhin erleichtert darüber, dass die Aufsicht keine Short-Positionen einzelner Hedgefonds an den Markt weitergeben will. In der Europäischen Union habe sich gezeigt, dass dies die Umsetzung von Long-Short-Strategien erheblich erschwere und somit die Marktliquidität einschränke.

Neue Regeln für Wertpapierverleiher

Neben den Offenlegungspflichten für Shortseller hat die Behörde aber auch verschärfte Regeln für Wertpapier-Lender eingeführt – also Broker-Dealer und andere große Intermediäre. Diese müssen der Aufsicht nun Einzelheiten zu jedem Leihgeschäft mitteilen, an dem sie beteiligt sind. Darunter fallen die Bezeichnung des betroffenen Wertpapiers, das Tickersymbol, der Umfang der Transaktion und die erhobenen Gebühren. Zudem müssen die Lender offenlegen, welche Art von Institution am anderen Ende des Leihdeals steht – zum Beispiel ein Broker, eine Bank oder eine Verwahrstelle.

Bisher gilt der Markt für Wertpapier-Leihgeschäfte als äußerst undurchsichtig. In einem Regulierungsvorschlag von Ende 2021 schätzte die SEC, dass in dem Segment täglich Transaktionen im Umfang von 120 Mrd. Dollar über die Bühne gehen. Das durchschnittliche Aktienhandelsvolumen lag damals bei 475 Mrd. Dollar. An Wertpapierleihen sind zunehmend auch eigentlich langfristige Investoren wie Pensionsfonds beteiligt, die nach höheren passiven Anlageerträgen trachten.

AIG-Kollaps im Hinterkopf

Der US-Kongress strebte ursprünglich bereits nach dem Zusammenbruch des letztlich von der Federal Reserve geretteten Versicherungsriesen American International Group (AIG) im Jahr 2008 härtere Offenlegungspflichten für Wertpapierleihen an. Wie SEC-Vertreter zuletzt erneut betonten, hatte der Konzern Wertpapiere im Milliardenvolumen verliehen, um somit riskante Wetten zu finanzieren. Ein Mangel an öffentlich zugänglichen Informationen dazu erschwerte es den Regulierungsbehörden und Investoren aber, die Risiken richtig einzuschätzen.

Auch die Anforderungen an aktivistische Long-Investoren wachsen unterdessen. So beschloss die SEC ebenfalls in der vergangenen Woche neue Regeln, gemäß denen Unternehmensbeteiligungen von mehr als 5% künftig binnen fünf Tagen offengelegt werden müssen. Bisher war eine Frist von zehn Tagen gültig. Zuvor hatte die SEC die Offenlegungspflichten für Investoren, die bei einem Unternehmen eine Kontrollabsicht hegen, nach eigenen Angaben letztmals 1968 angepasst.

Zahl der Attacken wächst

Damit trägt die Behörde dem Wiedererstarken des Shareholder-Aktivismus Rechnung: In der ersten Jahreshälfte 2023 starteten Aktivisten laut der Investmentbank Lazard global so viele Attacken auf Unternehmen wie seit 2018 nicht. Häufig streben sie dabei Umwälzungen im Management der betroffenen Firmen an, die Kanzlei Olshan Frome Wolosky bezeichnet CEOs angesichts der Entwicklung als „verwundbarer denn je“. 

Die Neuregelung soll es Hedgefonds erschweren, insgeheim Beteiligungen aufzubauen. Denn sie sollen künftig auch Swap-Geschäfte offenlegen müssen, mit denen sie im Vorlauf zu aktivistischen Attacken gerne im Hintergrund arbeiten. In der Folge könnten auch die Anlageerträge, die diese Investoren einfahren, sobald ihre Positionen öffentlich werden, sinken.

Den eigenen Investoren gegenüber sind Private Funds künftig ebenfalls größerer Transparenz verpflichtet. Sie müssen gemäß einer Neuregelung aus dem August vierteljährlich über die Entwicklung der Gebühren und der Ausgabenstruktur sowie die Performance unterrichten. Zudem werden Fondsberater verpflichtet, jedes Privatvehikel aus ihrem Angebot einem jährlichen Audit zu unterziehen.

Kampf gegen Nebenabsprachen

Zugleich will die SEC eine Ungleichbehandlung von Investoren verhindern. So schränkt die Behörde die Möglichkeit sogenannter „Side Letters“ ein. Über diese konnten Private Funds bisher Nebenabsprachen mit Großinvestoren treffen, um diesen attraktivere Konditionen zu bieten – darunter ein größeres Informationsangebot und eine höhere Flexibilität bei der Rückgabe von Fondsanteilen.

Die vorherige Aufsicht und die bestehenden Transparenzanforderungen für Hedgefonds und Private Equity in den USA bezeichnen Investorenschützer als „minimal“. Die bis zum laufenden Jahr geringen regulatorischen Eingriffe hätten den Vehikeln im Zusammenspiel mit den niedrigen Zinsniveaus der Vorjahre ein gewaltiges Mittelwachstum ermöglicht.

Laut der SEC belief sich der Bruttoinventarwert von Private Funds in den USA im ersten Quartal 2018 auf 12,85 Bill. Dollar, im vierten Quartal 2022 lag er bei 20,45 Bill. Dollar. Analysten gehen davon aus, dass der Gross Asset Value im laufenden Jahr weiter angezogen hat. Angesichts der gewachsenen Bedeutung des Segments befürworten Investorenschützer den Drang der SEC in Richtung eines umfassenden Informationsangebots.

Die US-Börsenaufsicht SEC hat in kurzer Folge mehrere Neuregulierungen finalisiert, mit denen sie die Transparenz am rapide gewachsenen Hedgefondsmarkt erhöhen will. In der Folge stehen laut Branchenkennern tiefe Einschnitte für aktivistische Long-Investoren wie auch für Leerverkäufer bevor.

Von Alex Wehnert, New York
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