US-Großbanken leiden unter Schwäche im Privatkundengeschäft
US-Großbanken stellen sich auf harte Zeiten ein
J.P. Morgan rettet Gewinnwachstum nur durch Visa-Aktientausch – Wells Fargo schraubt Ausblick zurück – Citigroup ächzt unter Strafmaßnahmen
Amerikas Großbanken ringen mit steigenden Zinskosten und höheren Abschreibungen im Privatkundengeschäft. J.P. Morgan rechnet bereits damit, dass die Probleme länger anhalten dürften als vielerorts angenommen. Zugleich rollen von regulatorischer Seite neue Herausforderungen auf die Branche zu.
xaw New York
Amerikas Großbanken bereiten sich trotz eines aufgehellten Kapitalmarktumfelds auf schwierigere Zeiten vor. So bekräftigte Jamie Dimon, Vorstandschef von Branchenprimus J.P. Morgan, in einer Analystenschalte zum Auftakt in die Berichtssaison seine Warnungen vor steigenden geopolitischen Gefahren und unterschätzten inflationären Risiken – sein Geldhaus müsse sich davor schützen, dass die Zinsen länger auf höheren Niveaus verharren könnten als von den meisten Ökonomen angenommen.
Der Nettogewinn von J.P. Morgan ist im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr zwar um ein Viertel auf 18,15 Mrd. Dollar in die Höhe geschnellt. Das Wachstum rettete die Bank aber nur durch Effekte eines Aktientauschs mit dem Zahlungsdienstleister Visa, der per saldo 7,9 Mrd. Dollar beitrug. Ohne diesen und andere Sondereffekte hätte der Gewinn des größten US-Geldhauses laut Dimon bei 13,1 Mrd. Dollar gelegen, ein Rückgang von 9% gegenüber dem zweiten Quartal 2023.
Die konzernweiten Erlöse kletterten um 22% auf 50,2 Mrd. Dollar, wozu insbesondere eine Stärke im Corporate sowie Commercial und Investment Banking beitrug. Der Wall-Street-Riese verteidigte dabei seine Spitzenposition im globalen Kapitalmarktgeschäft: Inzwischen kommt J.P. Morgan auf einen Anteil von 9,5% an den weltweiten Gebühreneinnahmen. Allerdings richtet sich der Fokus der Anleger zunehmend auf die Effekte einer konjunkturellen Eintrübung und anhaltend hoher Zinsen, die sich im Privatkundengeschäft der Bank niederschlagen.
Zinsmarge unter Druck
So kletterten die Nettozinserträge gegenüber dem Vorjahr um 4% auf 22,9 Mrd. Dollar. Die Nettozinsmarge als wichtige Profitabilitätskennziffer bröckelte allerdings auf 2,62% ab – dies bedeutete den zweiten Rückgang in Folge, nachdem sie zwischen Januar und März von 2,81% auf 2,71% abgerutscht war. Denn während die US-Großbanken zunächst davon profitierten, infolge der restriktiven Geldpolitik höhere Raten auf Kredite verlangen zu können, stecken auch sie nun im Depositenwettbewerb. Damit steigen ihre Zinsaufwendungen kontinuierlich.
Hinzu kommt, dass die US-Banken von Problemen im Kartengeschäft eingeholt werden. Insgesamt haben sich die Kreditkartensalden bei den größten Instituten seit 2018 um rund 250 Mrd. Dollar ausgeweitet. Zugleich sind die Ausfallraten um 60 Basispunkte gestiegen. J.P. Morgan musste im zweiten Quartal infolge dieser Entwicklung Kredite im Volumen von 2,2 Mrd. Dollar abschreiben – deutlich mehr als im Vorjahr – und stockte die Risikovorsorge um 821 Mill. Dollar auf.
Wells Fargo schraubt Ausblick zurück
Bei der traditionell deutlich stärker am Privatkundengeschäft orientierten Wells Fargo ging der Nettogewinn um rund 1% zurück. Die Nettozinserträge sackten infolge höherer Finanzierungskosten bereits um 9% auf 11,9 Mrd. Dollar ab – für das Gesamtjahr 2024 rechnet das Geldhaus nun mit einem Einbruch um 8 bis 9%, nachdem es zuvor einen Rückgang von wenigstens 7% erwartet hatte.
Positiv stach zunächst hingegen die zuletzt gebeutelte Citigroup hervor. Das Geldhaus, das in einer umfangreichen Transformation steckt, vermeldete einen Gewinnanstieg um 10% auf 3,2 Mrd. Dollar. Im Zuge der Reorganisation hat Vorstandschefin Jane Fraser nicht nur die Präsenz der einst „globalsten Bank der Welt“ im internationalen Consumer Banking verringert, sondern auch die Aufteilung des Geldhauses in zwei große Divisionen, die sich um institutionelle bzw. Privatkunden kümmerten, abgeschafft.
Citigroup macht Fortschritte
Stattdessen sind die Leiter der fünf Geschäftsbereiche, die Fraser als zentral ausgemacht hat, der CEO direkt unterstellt. Nun haben diese fünf Einheiten – neben dem gemeinsam firmierenden Investment, Corporate und Commercial Banking gehören dazu die Wertpapiersparte, das Consumer Banking, das Wealth Management sowie das Treasury- und Verwahrgeschäft für Großkunden – erstmals seit der im vergangenen September kommunizierten Neuaufstellung allesamt die Erlöse gesteigert.
Allerdings geht die Transformation auch mit umfangreichen Entlassungen einher, bis Ende 2026 will Citigroup 20.000 Jobs streichen. Der Personalabbau soll zwar große Einsparungen ermöglichen, zieht kurzfristig aber hohe Abfindungskosten nach sich. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet Citigroup durch die Restrukturierung mit Mehrkosten von bis zu 1 Mrd. Dollar.
„Wir wussten immer, dass ein mehrjähriges Unterfangen wie dieses nicht geradlinig verlaufen und es entlang des Weges Rückschläge geben würde“, betonte Fraser in einem Schreiben an die Mitarbeiter, das der Börsen-Zeitung vorliegt. Dabei bezog sie sich auf die in der abgelaufenen Woche verkündeten Strafen, die US-Regulatoren aufgrund von Mängeln im Datenmanagement gegen das Geldhaus verhängten.
Neue Auflagen vom Regulator
Citigroup muss weitere 136 Mill. Dollar an die Federal Reserve und das für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständige OCC zahlen, nachdem diese bereits 2020 wegen „anhaltender Schwächen“ hinsichtlich des Risikomanagements und interner Kontrollen 400 Mill. Dollar erhoben hatten. Die Bank habe gegen damals vereinbarte Auflagen verstoßen, kritisierte die Federal Reserve. Neben der Geldstrafe muss das Institut sich nun einem vierteljährlichen Prüfprozess stellen und dabei beweisen, dass es genügend Ressourcen für eine verbesserte Compliance verwendet.
Zudem steht Citigroup wegen Problemen in ihrem sogenannten „Living Will“, der Maßnahmen für den Fall einer Abwicklung beinhaltet, im Fokus der US-Behörden. Die US-Einlagensicherung FDIC wies den Plan im vergangenen Monat als „mangelhaft“ zurück.
Aktien sacken ab
Die Aktien aller drei Großbanken, die am Freitag die Bücher öffneten, standen im frühen New Yorker Handel unter Druck. Wells Fargo sackten nach der Abwärtskorrektur des Ausblicks zeitweise um über 7% ab, Zuletzt hatten Amerikas führende Finanzinstitute ihre Anteilseigner mit Dividendenanhebungen und umfangreichen neuen Rückkaufprogrammen verwöhnt, nachdem sie sich im jährlichen Stresstest der Federal Reserve in der Lage gezeigt hatten, auch eine schwere Rezession zu überstehen.
Allerdings rollen nun deutlich härtere Vorgaben bezüglich der harten Kernkapitalquoten (CET1) auf die Institute zu. Damit reduziere sich auch das überschüssige Stammkapital, betonen die Analysten von Bloomberg Intelligence – folglich stünden auch die Buybacks auf der Kippe. Ohne diese Stimmungsaufheller dürften die Probleme im Privatkundengeschäft laut Branchenkennern noch stärker in den Blickpunkt der Bankinvestoren rücken.