SERIE: DERIVATE-REGULIERUNG (3)

US-Regulierung nach Dodd-Frank offenbart Unterschiede zu EU-Regeln

Börsen-Zeitung, 26.2.2013 Mangelnde Transparenz und Beaufsichtigung von OTC-Derivaten haben die Staats- und Regierungschefs der G 20 im September 2009 zu dem Beschluss veranlasst, dass alle standardisierbaren OTC-Derivate an Börsen beziehungsweise...

US-Regulierung nach Dodd-Frank offenbart Unterschiede zu EU-Regeln

Mangelnde Transparenz und Beaufsichtigung von OTC-Derivaten haben die Staats- und Regierungschefs der G 20 im September 2009 zu dem Beschluss veranlasst, dass alle standardisierbaren OTC-Derivate an Börsen beziehungsweise elektronischen Handelsplattformen gehandelt und spätestens ab Ende 2012 über eine Zentrale Gegenpartei abgewickelt werden sollen. Zudem wurde vereinbart, dass OTC-Derivate an Transaktionsregister gemeldet werden müssen. Die Umsetzung dieser Selbstverpflichtung der G 20 wurde sowohl in den USA als auch in der Europäischen Union schnell vorangetrieben. So führten die USA bereits am 21. Juli 2010 mit dem Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank Act) Regeln für den Handel und das Clearing von Derivaten ein. In der EU veröffentlichte die Kommission am 15. September 2010 ihren Vorschlag für eine Verordnung über OTC-Derivate, Zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, die entsprechend ihrem ursprünglichen Arbeitstitel als Emir bezeichnet wird (European Market Infrastructure Regulation, Verordnung über die europäische Marktinfrastruktur). Die Verordnung wurde im europäischen Gesetzgebungsverfahren am 4. Juli 2012 beschlossen und ist seit dem 16. August 2012 in Kraft.Kernpunkt sowohl des Dodd-Frank Act als auch der Emir ist neben der Pflicht, Kerndaten sämtlicher Derivatekontrakte an Transaktionsregister zu melden (Meldepflicht), die Pflicht, bestimmte standardisierte OTC-Derivate durch zugelassene Zentrale Gegenparteien (Central Counterparty, CCP; im Dodd-Frank Act als Derivatives Clearing Organization, DCO, bezeichnet) abzuwickeln (Clearing-Pflicht). Zentrale Gegenparteien sind Stellen, die in die zwischen Verkäufer und Käufer geschlossenen Derivatekontrakte eintreten und im Wege der Novation Vertragspartner von Käufer bzw. Verkäufer werden. Somit besteht das Ausfallrisiko nur noch gegenüber der CCP, die sich durch die Hereinnahme von Sicherheiten (Margins) ihrer Nutzer (Clearing-Mitglieder) und durch deren Verpflichtung zur Einhaltung strikter Eskalationsregeln (Default Waterfall) bei Ausfall einer Partei gegen Verluste absichern kann.Das Volumen der ausstehenden Geschäfte sinkt zudem, da die offenen Positionen gegenüber den jeweiligen Clearing-Mitgliedern aus verschiedenen Geschäften täglich saldiert werden. Auf der anderen Seite erhöht sich durch ein zentrales Clearing das Konzentrationsrisiko, da in Zukunft fast alle Marktteilnehmer Vertragspartei von wenigen CCPs werden. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, enthalten sowohl der Dodd-Frank Act als auch die Emir weitgehende und detaillierte Anforderungen an die Zulassung, Organisation und Kapitalausstattung der CCPs bzw. DCOs. Sie müssen zudem eine Reihe von Wohlverhaltenspflichten im Hinblick auf die Transparenz von Preisen und Entgelten sowie die Trennung und Übertragbarkeit von Vermögenswerten und Positionen ihrer Kunden erfüllen. ESMA entscheidetDie EU-Verordnung erfasst grundsätzlich alle Arten von Derivaten. Ob für eine bestimmte OTC-Derivatekategorie eine Clearing-Pflicht besteht, hängt allerdings in erster Linie davon ab, ob für diese Kategorie durch die nationalen Aufsichtsbehörden eine CCP zum Clearing zugelassen wird. Ohne eine solche Zulassung besteht zunächst auch keine Clearing-Pflicht. Entscheidet die europäische Wertpapieraufsicht ESMA sodann, dass für alle derartigen Kontrakte eine Clearing-Pflicht besteht, so gilt sie in der gesamten EU. Für diese Festlegung hat die ESMA sechs Monate nach Zulassung der CCP Zeit. Ergänzend zu diesem Verfahren kann die ESMA nach Anhörung des Ausschusses für Systemrisiken selbst festlegen, welche Kontrakte einer Clearing-Pflicht unterliegen. Es wird im Markt erwartet, dass die Clearing-Pflicht für bestimmte Derivate noch im ersten Quartal 2013 greift. In den USA legen ebenfalls die jeweils zuständigen Behörden fest, ob für eine bestimmte Klasse eine Clearing-Pflicht besteht.Unter dem Dodd-Frank Act ist der sachliche Anwendungsbereich etwas enger als unter der Emir. Dies liegt nicht so sehr daran, dass in den USA Derivate als Swaps bezeichnet werden, denn mit diesem Begriff werden nicht nur Swaps im eigentlichen Sinn, sondern auch andere Derivate wie Optionen und Futures erfasst. Während des Gesetzgebungsverfahrens war zunächst umstritten, ob auch Währungsswaps und -forwards der Clearing-Pflicht unterliegen. Als Kompromiss hat man dem Secretary of the Treasury übertragen, diese Frage zu entscheiden. Wie im Markt erwartet, hat der Secretary of the Treasury am 16. November 2012 aufgrund der Besonderheiten dieser Verträge im Hinblick auf die Erfüllung und Kurzfristigkeit entschieden, Foreign Exchange (FX) Swaps und Forwards aus der Swap Definition herauszunehmen. Sie unterliegen daher nicht der Clearing-Pflicht. Die aktuelle Diskussion in Europa geht im Bereich FX ähnliche Wege. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die ESMA dieser Einschätzung folgen wird.Der Dodd-Frank Act unterscheidet ferner zwischen Swaps, Security-Based Swaps und Mixed Swaps, folgt damit aber nur der historisch vorgegebenen Unterteilung der Zuständigkeiten zwischen der Börsenaufsicht SEC für alle Wertpapier bezogenen Derivate und der Commodity Futures Trading Commission (CFTC) für alle sonstigen Derivate. Da die meisten Bestimmungen für Swaps und Security-Based Swaps gleichlautend sind, ist die Unterscheidung hauptsächlich als Anknüpfung für die Zuständigkeit der Behörden wichtig. Auch für die RealwirtschaftDie Clearing-Pflicht erfasst nach der Emir nicht nur Unternehmen des Finanzsektors wie etwa Kreditinstitute, Versicherungen, Investmentfonds und Wertpapierfirmen als sogenannte finanzielle Gegenparteien, sondern auch Unternehmen der Realwirtschaft (nichtfinanzielle Gegenparteien), die sich gegen Geschäftsrisiken durch Derivategeschäfte absichern. Die dabei geltenden Schwellenwerte wurden von der ESMA in ihrem Verordnungsentwurf hoch angesetzt (zwischen 1 und 3 Mrd. Euro für die Nominalwerte der Verträge), sodass europaweit lediglich 100 bis 150 nichtfinanzielle Unternehmen der Clearing-Pflicht unterliegen werden. Bei der Berechnung der Clearing-Schwelle sind Absicherungs- und Treasury-Geschäfte nicht einzubeziehen. Damit nicht jedes Geschäft als Absicherungsgeschäft deklariert werden kann, folgt die Definition den Regeln unter IFRS oder des jeweiligen nationalen Rechnungslegungsstandards. Erreichen die Unternehmen die Clearing-Schwelle, so unterliegen sie allerdings mit sämtlichen Derivatekontrakten der Clearing-Pflicht.Außerhalb der EU abgeschlossene OTC-Derivatekontrakte unterfallen der Clearing-Pflicht, wenn sie unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen in der EU haben und die Clearing-Pflicht notwendig oder zweckmäßig ist, um die Umgehung der Emir-Regelungen zu verhindern. Eine ähnliche Regelung ist in den USA zu finden: Der Dodd-Frank Act erfasst auch Geschäfte, die einen direkten und bedeutenden Zusammenhang mit der US-Wirtschaft aufweisen oder dazu dienen, die Regelungen des Dodd-Frank Act zu umgehen.Der Dodd-Frank Act nimmt Vertragsparteien von der Clearing-Pflicht aus, die keine Finanzunternehmen sind, Swaps nur zu Absicherungszwecken nutzen und zudem der Aufsichtsbehörde mitteilten, wie sie ihre Zahlungsverpflichtungen aus den nicht geclearten Swap-Verträgen erfüllen. Die Definition des Begriffs Finanzunternehmen ist sehr weit und erfasst neben Banken u. a. auch Swap-Händler und Major Swap Participants. Hierin liegt auch ein wichtiger Unterschied zur Emir. Anders als Emir unterstellt der Dodd-Frank Act aus dem Kreis der Handelsteilnehmer für Derivategeschäfte zwei Gruppen einer besonderen Erlaubnispflicht und Aufsicht. Von dieser Sonderaufsicht sind zum einen Swap-Händler (Swap Dealer) betroffen. Wer kein Swap-Händler ist, aber wesentliche Positionen in bestimmten Swap-Kategorien hält, die nicht dem Hedging dienen und dadurch einem Ausfallrisiko ausgesetzt ist, dass eine ernsthafte Beeinträchtigung des US-Banksystems oder der Finanzmärkte darstellen könnte, gilt als Major Swap Participant. Swap-Händler und Major Swap Participants müssen sich bei der CFTC bzw. der SEC registrieren lassen und unterliegen umfassenden Organisations- und Verhaltenspflichten. Haben sie ihren Sitz außerhalb der USA, müssen sie einen Zustellungsbevollmächtigten benennen und den zuständigen US-Behörden Zugang zu ihren Geschäftsunterlagen gewähren.Die Emir unterstellt bestimmte Marktteilnehmer zwar keiner Sonderaufsicht, auf viele Unternehmen kommen aber unabhängig von der Clearing-Pflicht erhöhte Anforderungen zu. Unternehmen, die OTC-Derivatekontrakte abschließen, für die keine Clearing-Pflicht besteht, müssen angemessene Verfahren einführen und Vorkehrungen treffen, um das mit diesen Geschäften einhergehende Ausfallrisiko sowie das operationelle Risiko zu messen, zu beobachten und zu reduzieren. Dazu gehört etwa die rechtzeitige Bestätigung der abgeschlossenen Geschäfte. RisikomanagementBesonderes Augenmerk ist auf die Hereinnahme von Sicherheiten als Initial Margin und Variation Margin zu legen. So sind auch nichtfinanzielle Gegenparteien verpflichtet, sobald sie die Clearing-Schwelle überschreiten, Risikomanagementverfahren einzurichten, die den zeitnahen, korrekten und separierten Austausch von Sicherheiten vorschreiben. Daher müssen in vielen Fällen die bestehenden Rahmenvertragswerke für Derivategeschäfte an die Emir-Regelungen angepasst werden. Die Bedeutung dieser Verpflichtung wird allerdings von der Anforderung überlagert, dass eine Zentrale Gegenpartei ihrerseits von ihren Clearing-Mitgliedern Sicherheiten einfordern muss. Diese Verpflichtung geben Clearing-Mitglieder in der Regel eins zu eins an ihre Kunden weiter. Art und Umfang der Sicherheiten sind noch in technischen Regulierungsstandards festzulegen, die gemeinsam von der ESMA, der European Banking Authority (EBA) und der European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) zu entwerfen sind.—-Bisher erschienen:- 12. Februar: Emir bedeutet einen tiefen Einschnitt- 20. Februar: Emir greift tief in die Liquiditäts- und Collateral-Steuerung ein