Vanguard will Europa aufrollen

US-Fondsriese will ETF-Palette verdoppeln - Hohes Wachstum angekündigt

Vanguard will Europa aufrollen

Reuters Zürich – Der weltweit zweitgrößte Vermögensverwalter Vanguard will mit seinen Fonds stärker in Europa landen. “Wir sind im Begriff, in Kontinentaleuropa ziemlich groß zu investieren”, sagt Regionalchef Sean Hagerty der Nachrichtenagentur Reuters. “Wir wollen in der Schweiz und Deutschland beträchtlich ausbauen.” Auch Italien stehe im Visier der Amerikaner. Vanguard hat vor allem dank seiner kostengünstigen Indexfonds Daten von Thomson Reuters Lipper zufolge zuletzt mehr Marktanteile gewonnen als jeder andere Anbieter. “Es ist unvermeidlich, dass die Preise sinken werden”, prognostiziert Hagerty.Die US-Fondsgesellschaft hat die verwalteten Vermögen in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt und wird mit 4,2 Bill. Dollar inzwischen nur noch von BlackRock überflügelt. Insgesamt wächst der Markt verhalten. Grundstein der Strategie von Vanguard ist die Erkenntnis, dass hohe Verwaltungskosten bei Fonds oft zu einer ungenügenden Rendite führen. Entsprechend brachte die Gesellschaft bereits 1976 einen Fonds auf den Markt, dessen Zusammensetzung nicht aktiv von einem Fondsmanager bestimmt wird, sondern passiv einen Index abbildet.Der Löwenanteil der Gelder stammt aus dem Heimatmarkt USA. In der Schweiz verwaltet der Fondsriese mit Hauptsitz in einem Vorort von Philadelphia 15 bis 20 Mrd. sfr, in Deutschland ist Vanguard seit Anfang Jahr präsent und kommt deshalb erst auf rund 2 Mrd. Euro.Im Geschäft mit börsengehandelten Fonds (ETF) zählt Vanguard bislang nur zu den mittelgroßen Adressen (siehe Tabelle). Gegenwärtig biete die Gesellschaft in Europa 22 ETF an. “Das dürfte sich über die nächsten drei bis fünf Jahre problemlos verdoppeln, vielleicht auch mehr.” Über alle Produkte hinweg entfallen 142 Mrd. Dollar auf den Kontinent. “Das Momentum ist auf unserer Seite”, sagt Hagerty. Die Wachstumsrate in Europa habe bei jährlich fast 30 % gelegen. “Ich weiß nicht, ob wir das aufrechterhalten können, denn wir sind von einer tiefen Basis gestartet.” Das Wachstum werde aber robust bleiben. “Zweistellig wird es schon sein.”Vanguard setzt nicht auf Breite, sondern vor allem auf niedrige Gebühren, und das erreicht die Gesellschaft über große Volumen in den einzelnen ETF. Anfang der 1980er Jahre, als Vanguard erst einige Milliarden an Kundengeldern verwaltete, beliefen sich die Kosten eines Fonds auf 60 Basispunkte der Vermögen. Inzwischen ist dieser Wert auf 12 Basispunkte geschrumpft. “Disruptive Kraft”Wie in den USA könnten mit der verstärkten Präsenz von Vanguard auch in Europa die Fondspreise unter Druck geraten. Hagerty zeigt sich selbstbewusst: Bisher habe die Fondsbranche komfortabel gelebt, weil vielen Kunden die hohen Gebühren nicht richtig bewusst gewesen seien, erklärt er. Doch mit der steigenden Transparenz, die auch von Regulatoren eingefordert werde, könnte sich das ändern. “Was passiert bei einer Branche mit wirklich hohen Margen?”, fragt Hagerty rhetorisch. “Üblicherweise tritt eine disruptive Kraft auf den Plan, die an diesen Margen nagt.” Ist Vanguard diese disruptive Kraft? “Das können wir sein”, sagt Hagerty und schiebt beschwichtigend nach: “Aber haben uns das nicht ausgesucht.”