Verbriefte Derivate sind ein Geschäftsfeld mit Zukunft

Geringe Volatilität bietet geeignetes Investmentumfeld für Anlagezertifikate - Finanztransaktionssteuer stellt große Herausforderung dar

Verbriefte Derivate sind ein Geschäftsfeld mit Zukunft

Heute stehen Privatanleger vor anderen Herausforderungen als früher. Viele Gesetzmäßigkeiten haben sich verändert oder folgen einer anderen Logik – das gilt auch für den Börsenhandel. Ging es früher mit den Aktienmärkten deutlich nach oben, stieg meist auch das Handelsvolumen an den Börsenplätzen. Dies ist heute nicht mehr so, die neuen Allzeithochs bei Dax und Dow Jones sind dafür ein gutes Beispiel. Die Rekordjagd der Leitindizes in diesem Jahr korrespondiert nicht mit einer steigenden Handelsaktivität an den Börsen. Schreck sitzt noch im NackenSo verzeichnete etwa die Börse Stuttgart in den ersten sieben Monaten 2013 einen Umsatzrückgang von rund 5 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Ein wesentlicher Grund für den Umsatzschwund ist das immer noch fehlende Vertrauen der Anleger in die Märkte – das gilt insbesondere für private Anleger. Der Schreck der im Herbst 2008 ausgebrochenen Finanzkrise und der späteren Euro-Staatsschuldenkrise sitzt vielen Privatanlegern noch im Nacken und hält sie von der Börse fern.Allerdings ist die momentane Entwicklung nicht monokausal mit der Zurückhaltung der Anleger zu erklären. Auch die zunehmende Ausdifferenzierung der Liquiditäts- und Orderströme auf MTFs und die außerbörslichen OTC-Märkte hat einen maßgeblichen Anteil daran. Hinzu kommt, dass die Märkte derzeit sehr stark von institutionellen Investoren getrieben werden. Die Indexhöchststände haben daher wenig mit einem klassischen Bullenmarkt zu tun und sind eher Beleg für ein Übermaß an Liquidität, nicht zuletzt ausgelöst durch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken. Auch wenn dies vereinzelt zu Inflationsängsten führt, zeigen sich die Märkte insgesamt sehr stabil und auch die politische Makrolage gibt derzeit keinen Grund zur Sorge.Wie ist die aktuelle Marktsituation bei verbrieften Derivaten einzuordnen? Im Gleichklang mit den steigenden Aktienmärkten hat sich die Nervosität bei den meisten institutionellen Anlegern gelegt. Die geringe Volatilität, die momentan vorherrscht, ist charakteristisch für sich langsam nach oben entwickelnde Märkte. So notierte der Volatilitätsindex VDax-New während des gesamten bisherigen Jahres fast durchgängig unter 25 Punkten. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren stand der VDax-New bei mehr als 40 Zählern.Privatanleger sollten sich die Frage stellen, wie sie von dieser Entwicklung profitieren können. Denn wer sein Geld beim aktuell niedrigen Zinsniveau einfach auf das Tagesgeldkonto legt, wird automatisch Opfer der Inflation. Wer dagegen regelmäßig Geld anlegt und dabei auch Risiken und Renditechancen einschätzen kann, schafft sich Perspektiven für Vermögen und Vorsorge. Es gibt durchaus strukturierte Produkte, die in die aktuelle Phase der geringen Schwankungen passen. Dies sind jedoch weniger Optionsscheine, denn bei ihnen führt die niedrige Volatilität zu verminderten Renditechancen.Die geringe Volatilität bietet eher ein geeignetes Investmentumfeld für Anlagezertifikate. Dies zeigt sich auch an den Umsatzzahlen im bisherigen Jahresverlauf. An der Börse Stuttgart lag das Handelsvolumen mit klassischen Anlageprodukten wie Bonus-Zertifikaten und Index-Zertifikaten deutlich über dem Umsatz im Vorjahreszeitraum Januar bis August. Die positiven Marktbedingungen eignen sich daher besonders für Investments in stabile Werte und klassische Anlageprodukte. KonsolidierungstendenzenObwohl sich die Märkte in den vergangenen Jahren im Zuge der Börsenhausse positiv entwickelt haben, gibt es auch in der Zertifikatebranche gewisse Konsolidierungstendenzen. Macquarie Structured Products beendete im Februar 2012 die Neuemission strukturierter Produkte in Europa. Die Royal Bank of Scotland (RBS) kündigte im Juni dieses Jahres an, sich von ihrem Zertifikategeschäft zu trennen. Beide Entscheidungen sind vor allem vor dem Hintergrund einer strategischen Neuausrichtung der Unternehmen einzuordnen. Markt nimmt neue Ideen anDass verbriefte Derivate dennoch ein Geschäftsfeld mit Zukunft sind, zeigt nicht zuletzt das große Interesse am Zertifikategeschäft der RBS. Bestehende und neue Emittenten springen in die Bresche und wollen große Teile des Produktportfolios übernehmen. Abseits der Konsolidierungstendenzen beweist die Zertifikatebranche, dass sie Innovationen hervorbringen kann – zum Vorteil der Anleger. Dass der Markt neue Ideen offen annimmt, zeigt sich aktuell im sogenannten “Social Trading”. Hier können Privatanleger Märkte und Mechaniken kennenlernen. Das Know-how von erfahrenen Tradern bietet Anlegern Orientierung und interessante Anregungen. Natürlich gilt es auch hier, neben den Chancen die Risiken immer im Blick zu behalten.Definiert man die künftigen Herausforderungen der Zertifikatebranche, steht eine regulatorische Maßnahme besonders im Fokus: die geplante Finanztransaktionssteuer (FTS). Sollte der momentane Richtlinienentwurf der EU-Kommission umgesetzt werden, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auf Privatanleger. Diese müssten die Hauptlast der Steuer tragen, da sie im Gegensatz zu Finanzinstituten oder institutionellen Anlegern keine Möglichkeit haben, dem Anwendungsbereich der Steuer zu entkommen. Mehrfache BelastungZudem würden Privatanleger durch die FTS gleich mehrfach finanziell belastet. Neben der Besteuerung des Handels entstehen weitere Kosten für die Konstruktion der Papiere. Um beispielsweise ein Zertifikat begeben zu können, muss ein Emittent an den Terminmärkten Optionen und Futures kaufen beziehungsweise verkaufen. Da auch dieser Handel voraussichtlich besteuert wird, ist davon auszugehen, dass diese höheren Preise für die Finanzinstrumente unmittelbar an die Anleger weitergereicht werden. Neben der Kostenbelastung kann die FTS auch einen unmittelbaren Einfluss auf die Liquidität haben. Sollte es beim bisherigen Entwurf bleiben, der keine Ausnahme für Liquiditätsspender wie Market Maker vorsieht, wird die Steuer letztlich auch zur Austrocknung der Liquidität an den Märkten führen.Trotz aller Hürden und Hindernisse gibt es eine Reihe von Gründen für einen positiven Ausblick: Der Weg der Derivatebranche – Transparenz und Anlegerbildung weiterhin zu forcieren – ist und bleibt der richtige, denn Anleger müssen die Chancen und die Risiken der Produkte kennen und mit der Vielfalt umgehen können. Noch nie gab es ein größeres Angebot an individuellen Produkten. Dennoch kam es bei der Preisstellung und dem Handel zu keinen nennenswerten Verwerfungen. Die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Emittenten, die bei verbrieften Derivaten als Market Maker fungieren, kann sich also sehen lassen.Darüber hinaus verfügt die Branche über einen hohen Transparenzstandard, was beispielsweise anhand der Fülle von Produktinformationsblättern (PIB) oder den online angebotenen Realtime-Kursen deutlich wird. Emittenten und Börsen haben zudem in die Infrastruktur investiert und damit hohe Qualitätsstandards beim Handel mit strukturierten Produkten etabliert. Die Branche leistet seriöse, vernünftige und gute Arbeit, die das Vertrauen der Anleger rechtfertigt. Nicht zuletzt der Deutsche Derivate Verband konnte durch sein Engagement in den letzten fünf Jahren mit dazu beitragen, der Branche eine Stimme zu geben und den Weg hin zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit weiter zu festigen. Nicht frei von RisikenAnleger stehen nun vor der Entscheidung: Bleiben sie den Finanzmärkten auf Dauer fern oder wollen sie das Angebot prüfen? Beide Wege sind nicht frei von Risiken. Wenn sie ihr Geld lieber auf “die Seite” legen und sich nicht mit dem Produktuniversum an den Finanzmärkten befassen, ist zumindest eines sicher: Durch die Inflation droht ihnen ein realer Kaufkraftverlust. Wer hingegen am Kapitalmarkt agieren will, muss auch die nötige Zeit investieren. Insbesondere bei strukturierten Produkten müssen sich Anleger über Produkte informieren, ihre Funktionsweise verstehen und mögliche Risiken kennen. Nur so können sie ein Investment tätigen, das ihrer Markteinschätzung und ihrem Risikoprofil entspricht.—Von Ralph Danielski, Stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Boerse Stuttgart Holding GmbH