GASTBEITRAG

Vermögensverwalter können von Mifid-Start profitieren

Börsen-Zeitung, 14.6.2017 Die Umsetzung der EU-Richtlinie Mifid II zum 3. Januar 2018 sorgt für einen massiven Umbruch in der Welt der unabhängigen Vermögensverwalter. Neben vielen Herausforderungen halten die neuen Vorschriften aber auch große...

Vermögensverwalter können von Mifid-Start profitieren

Die Umsetzung der EU-Richtlinie Mifid II zum 3. Januar 2018 sorgt für einen massiven Umbruch in der Welt der unabhängigen Vermögensverwalter. Neben vielen Herausforderungen halten die neuen Vorschriften aber auch große Chancen bereit.Als eines der umfangreichsten Regulierungsvorhaben der Europäischen Union (EU) in der jüngeren Vergangenheit wirft die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive, Mifid II) bereits seit Jahren ihre Schatten voraus. Seit einigen Wochen herrscht nun Gewissheit darüber, dass die meisten Punkte wie erwartet umgesetzt werden: Am 12. Mai hat das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) auch den Bundesrat passiert, nachdem es zuvor bereits vom Bundestag abgesegnet worden war. Damit steht zum 3. Januar 2018 einem pünktlichen Inkrafttreten des Gesetzes, das die Mifid-II-Richtlinie in nationales Recht umsetzt, nichts mehr im Wege.Gleichzeitig steht die gesamte Finanzdienstleistungsbranche damit nun mit letzter Gewissheit vor deutlichen Umwälzungen und erheblichen Herausforderungen. Zwar bleiben durch eine Auslagerung der zugehörigen Verordnung aus dem Gesetzgebungsverfahren (Wertpapier-Dienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung, WpDVerOV), die einige Vorschriften des Gesetzes konkretisiert, noch immer Details offen. Dennoch stehen die wesentlichen Eckpfeiler hinreichend fest, um die Konsequenzen für die unterschiedlichen Akteure der Branche einschätzen zu können. Alle betroffenGrundsätzlich sind von den Neuregelungen zumindest mittelbar alle Beteiligten betroffen – neben Banken, Vertriebsorganisationen, Anlageberatern und Vermögensverwaltern auch die Verwahrstellen und Fondsgesellschaften sowie Anbieter sonstiger Investmentprodukte. Klar ist: Sowohl Produktlandschaft als auch Vertriebspraxis werden sich nachhaltig verändern.In besonderem Maße treffen diese Veränderungen unabhängige Vermögensverwalter, die Privatanleger und deren Depots betreuen. Je nach Geschäftsmodell erfordert die Mifid-II-Umsetzung mehr oder weniger große Anpassungen. Denn zum einen sehen sich Vermögensverwalter mit einer Ausweitung von Reporting- und Überwachungspflichten konfrontiert, die einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand mit sich bringen. Zum anderen müssen sie künftig sämtliche Vertriebs- und Bestandsprovisionen an den Kunden weiterreichen. Insbesondere bei einem Modell der Fremdfonds-basierten Vermögensverwaltung kann das zu merklichen Ertragseinbußen führen, die sich nur über eine Erhöhung des Honorars kompensieren ließen.Eine solche Erhöhung durchzusetzen dürfte jedoch in vielen Fällen nicht leichtfallen, stellt sie doch die langjährige Praxis auf den Kopf: Aufgrund der Einbehaltung von Bestandsprovisionen haben viele Vermögensverwalter und Vermögensberater ihre Kunden an eine ganz oder großenteils honorarfreie Verwaltung und Beratung gewöhnt; schon in der bisherigen Marktpraxis wird die Höhe der Honorare für Vermögensverwalter von vielen Anlegern vielfach kritisch beäugt. Gerade bei kleineren Vermögensverwaltern kann das einen Ertragsdruck zur Folge haben, dem sich nur über Kooperationen oder Zusammenschlüsse begegnen lässt.Allerdings eröffnet die Mifid-II-Einführung durchaus auch die Möglichkeit, die Anleger an alternative Vergütungsmodelle zu gewöhnen oder bereits eingeführte Honorarkonzepte noch besser zu begründen und ihre Attraktivität für Anleger stärker hervorzuheben. Schließlich ermöglicht das neue Regelwerk unabhängigen Vermögensverwaltern, ihre Kompetenzen noch deutlich stärker in den Fokus zu rücken.Wettbewerbsvorteile ergeben sich für Vermögensverwalter vor allem daraus, dass der klassische Filialvertrieb von Finanzprodukten, aber auch derjenige über Vertriebsorganisationen wie Maklerpools künftig noch deutlich stärker standardisiert werden und gleichzeitig das Angebot an Produkten auch seitens der Fondsgesellschaften gestrafft werden wird. So werden sich Banken und Vertriebsorganisationen aller Voraussicht nach künftig auf wenige Produktanbieter beschränken, mit denen sie Mifid-II-konforme Prozesse zur Vertriebssteuerung und -überwachung etabliert haben.Die Fondsgesellschaften wiederum sind zwar selbst keine direkten Adressaten des Mifid-Regulariums, doch müssen sie über Produktgestaltung und die Bereitstellung umfangreicher Daten und entsprechender Schnittstellen ebenfalls dazu beitragen, dass der Vertrieb den neuen Anforderungen überhaupt genügen kann. Der damit verbundene Kostenaufwand wird die Gesellschaften veranlassen, ihre Produktpaletten weiter zu bereinigen. Besser positionierenGerade vor dem Hintergrund eines beschränkteren Produktangebots und eines vielfach stärker standardisierten Beratungsprozesses werden unabhängige Vermögensverwalter sich mit ihren unbestrittenen Stärken noch besser positionieren können. Ob per eigenem vermögensverwaltenden Fonds – eine Lösung, die vor allem für größere Volumina unter Verwaltung in Frage kommt -, per klassischer Portfolioverwaltung oder per Drittfonds-Lösung: Unabhängige Vermögensverwalter überzeugen schon seit langem mit klaren Konzepten. Insbesondere bei einer mittel- bis langfristigen Betrachtung sowie bei einer Berücksichtigung von verschiedenen Risikomaßen schneiden etliche unabhängige Vermögensverwalter regelmäßig hervorragend ab. Dabei liefern sie vielfach Ergebnisse, die vergleichsweise gering mit den Märkten und mit Mainstream-Fonds korrelieren sowie zudem häufig geringere Risiken aufweisen. Schließlich zählt das Risikomanagement traditionell zu den Stärken etablierter Vermögensverwalter. Ein reicher Erfahrungsschatz, Spezialwissen in bestimmten Segmenten und persönliche Überzeugung tragen in den meisten Fällen entscheidend zum Erfolg bei. Ein hohes Maß an Kontinuität, ohne die nötige Flexibilität vermissen zu lassen, kennzeichnet dabei nicht nur die jeweilige Anlagestrategie, sondern auch die Beziehung zu den Kunden.Für viele Vermögensverwalter wird es jetzt darum gehen, sich bei allen neuen regulatorischen Anforderungen auf diese klassischen Kompetenzen und ihre Kunden zu konzentrieren und mit intelligenten und individuellen Investmentlösungen zu überzeugen. Klar im Vorteil werden hier Verwalter sein, die mit regulierungserfahrenen Dienstleistern mit entsprechenden Netzwerken zusammenarbeiten; diese können maßgeblich zur reibungslosen Anpassung der Geschäftsmodelle und -abläufe an die Mifid-II-Regulierung beitragen und zudem über eine laufende Unterstützung im Vertrieb für eine erfolgversprechende Positionierung sorgen.Internationale Vergleiche zeigen, dass es für unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland noch ansehnliches Potenzial gibt. So liegt der Marktanteil von Vermögensverwaltern etwa in der Schweiz und in den USA wesentlich höher als hierzulande. Unabhängige Vermögensverwalter, die jetzt die Weichen richtig stellen, sollten dieses Potenzial gerade auch dank Mifid-II-Umsetzung erschließen können.—-Anja Schlick, Leiterin Asset Servicing/Financial Assets Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG