Versicherer ächzen unter Stress

EIOPA identifiziert im Test Anfälligkeiten - Aufseher sollen im Ernstfall Dividenden beschneiden

Versicherer ächzen unter Stress

Unter extremen Marktbedingungen sind die Verpflichtungen einzelner europäischer Lebensversicherer nicht mehr von ihren Assets gedeckt. Der Stresstest der europäischen Aufsicht EIOPA zeigt die Anfälligkeit der Branche für Zins- und Marktschocks. Die nationalen Aufseher sollen im Ernstfall unter anderem in die Dividendenpolitik eingreifen.ak Düsseldorf – Die europäischen Lebensversicherer stehen im anhaltenden Zinstief unter Druck, doch auch in extremen Marktszenarien übersteigen die Assets in den Bilanzen in fast allen Fällen die Verpflichtungen. Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA veröffentlichte am Donnerstagabend die Ergebnisse des Stresstests 2016, in dem sie 236 Unternehmen in 30 Ländern untersucht hatte, die 77 % des Marktes repräsentieren.Ziel sei es gewesen, die Risiken unter sehr adversen Marktbedingungen zu identifizieren und einzuschätzen. “Die Ergebnisse des Stresstests bestätigen die signifikanten Herausforderungen für die europäische Versicherungswirtschaft durch das aktuelle makroökonomische Umfeld”, sagte EIOPA-Präsident Gabriel Bernardino. “Der Stresstest 2016 zeigt ein hochauflösendes Bild der Verwundbarkeiten der Branche, die die Aufsicht intensiv im Blick behalten muss.”Die getesteten Lebensversicherer – in Deutschland nahmen 20 Gesellschaften teil – mussten zwei Szenarien durchrechnen. Im “Double Hit”-Fall wurde ein niedriger risikofreier Zins mit einem Werteverfall nahezu aller Anlageklassen kombiniert. Auf die Bilanzen der Versicherer hatte das einen negativen Effekt von insgesamt knapp 160 Mrd. Euro, denn die Assets auf der Aktivseite gingen mit 608 Mrd. Euro deutlich stärker zurück als die Verpflichtungen auf der Passivseite mit 449 Mrd. Euro. Bei 2 % der Versicherer (fünf Unternehmen) hätten in diesem Fall die Assets nicht mehr ausgereicht, die Verpflichtungen zu decken, d. h., das Asset-Liability-Verhältnis wäre unter 1 gefallen. In Deutschland wäre der Durchschnitt der Lebensversicherer ohne die Übergangsmaßnahmen für Solvency II ebenfalls unter 1 gefallen, die Bilanzen wären mit 26,8 Mrd. Euro belastet worden.Im “Low for long”-Szenario wurden historische Zinstiefstände auf ganz lange Sicht angenommen. Hier betrug der Negativeffekt auf die Bilanzen 100 Mrd. Euro, und nur 1 % der gestressten Versicherer – das waren drei Unternehmen – konnte die Verpflichtungen nicht mehr mit den Assets decken. In diesem Fall blieben die deutschen Versicherer auch ohne Übergangsmaßnahmen auf einem Asset-Liability-Niveau über 1. Der negative Effekt auf die Bilanzen betrug 27,9 Mrd. Euro.Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft bezeichnete die Ergebnisse als nicht überraschend, findet aber die Aussagekraft des Tests angesichts der unwahrscheinlichen Szenarien gering. EIOPA äußerte sich nicht dazu, wie stark die Solvabilitätsquoten in beiden Stressszenarien fallen würden. Es gehe nicht um Bestehen oder Durchfallen, hieß es. Im Pre-Stress-Zustand hatten die getesteten Versicherer eine durchschnittliche Solvabilitätsquote von 196 %. Die deutschen Teilnehmer wiesen 272 % und ohne Übergangsmaßnahmen 145 % auf. Bernardino forderte die nationalen Aufseher auf, auf die identifizierten Verletzlichkeiten zu reagieren. In kritischen Situationen und bei Gefahr für das Geschäftsmodell müssten die nationalen Aufseher auch in Dividendenzahlungen eingreifen und sie beschränken oder die Aussetzung fordern.