Versicherer hoffen auf Durchbruch
Blockchain für Versicherer steckt noch in den Kinderschuhen. Viele Konzerne experimentieren mit Anwendungen, marktweit wartet die Technik aber noch auf ihren Durchbruch. Die weltweit beachtete Initiative B3i, hinter der zahlreiche Branchengrößen als Investoren stehen, will Ende des Jahres mit einem ersten Produkt an den Markt. Von Antje Kullrich, DüsseldorfDer Praxistest rückt näher. Im vierten Quartal will die weltweit wohl am breitesten aufgestellte Blockchain-Initiative in der Versicherungswirtschaft ein erstes Produkt an den Markt bringen. Seit knapp zwei Jahren testet B3i eine Naturkatastrophendeckung in der Rückversicherung. In wenigen Monaten soll sie sich in der Realität bewähren.Mit Hilfe der Blockchain-Technologie sollen die Transaktionen, an denen im Regelfall Erstversicherer, Konsortien von mehreren Rückversicherern und Broker beteiligt sind, schneller und günstiger werden. Etwa ein Drittel der bisherigen Kosten könnten nach Einschätzung von Marktteilnehmern eingespart werden. “Üblicherweise gibt es bei diesen Transaktionen viel Abstimmungsbedarf, es gehen eine Menge Mails hin und her, jeder hat andere Verwaltungssysteme”, sagt Markus Tradt, Chief Technology Officer von B3i. “Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Hier kommen die Vorteile von Distributed Ledger, mit dem in Echtzeit Daten synchronisiert werden können, so richtig zum Tragen.”Die Entwicklung eines marktreifen Produkts hat etwas länger gedauert als zunächst erwartet. Im September 2017 hatte B3i beim jährlichen Rückversicherertreffen in Monte Carlo der Branche die Anwendung vorgestellt und zu Tests eingeladen. Hinter dem Unternehmen, das seinen Sitz in Zürich hat, stehen 16 große Versicherer als Investoren. Vor wenigen Wochen kam noch der japanische Technologiefonds Softbank hinzu.”Was wir machen, ist eigentlich revolutionär. Wir bauen ein Peer-to-Peer-Business-Netzwerk auf, das Anwendungen über Unternehmensgrenzen hinaus öffnet und ermöglicht. Da tasten sich die Nutzer erst einmal heran”, sagt Tradt. B3i war ursprünglich mit einer Blockchain auf Basis von Hyperledger Fabrics, einem Open-Source-Projekt der Linux Foundation, gestartet. “Nach der ersten Phase haben wir festgestellt, dass es nicht passt, wir fanden das Produkt damals noch nicht reif genug”, so Tradt. B3i wechselte zu Corda, einer Entwicklung der 2015 von Banken und Finanzdienstleistern gegründeten Blockchain-Initiative R3.Corda genügte vor allem den Anforderungen an die Vertraulichkeit von Daten. Denn die Softwareentwickler haben bei Corda eine Lösung gefunden, wie die Daten einer Transaktion nur an die beteiligten Parteien und nicht an alle Teilnehmer der Blockchain verteilt werden. Auch über die Standardisierung von Begrifflichkeiten mussten sich die Beteiligten einigen: “Alle müssen die gleiche Sprache sprechen. Auch das hat gedauert”, sagt Tradt.Doch jetzt ist die erste Rückversicherungsanwendung von B3i fast fertig: “Wir wollen in der Lage sein, zur Erneuerung 2019/2020 die ersten echten Transaktionen ausführen zu können.” Die Erwartungen sind groß. “Wenn es funktioniert, hindert uns nichts daran, für die nächste Erneuerungsrunde zu skalieren”, so Tradt. “Wir glauben, dass wir relativ schnell weitere Produkte herausbringen können.” Im Fokus stehen andere Rückversicherungsdeckungen sowie die Industrieversicherung.Neben der konkreten Produktentwicklung baut B3i an einem Netzwerk. Ziel ist ein breit aufgestelltes Ökosystem. “Wir gehen davon aus, 2020 ein größeres Spektrum abbilden zu können”, sagt Tradt. Erste Partner sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Corda-Applikationen ins B3i-Netzwerk zu bringen. Axa hält sich zu Fizzy bedecktNeben Zusammenschlüssen wie B3i oder die Riskblock Alliance in den USA, die an 15 bis 20 Blockchain-Anwendungen für verschiedene Versicherungssparten arbeitet, beschäftigen sich auch einzelne Konzerne mit Projekten, in denen die Distributed-Ledger-Technologie zum Zuge kommen soll. Naturgemäß sind vor allem die großen Marktteilnehmer bereit, in dieses neue Feld zu investieren. Viele Projekte befinden sich jedoch noch in der Testphase, die Zahl der Blockchain-Anwendungen, die tatsächlich am Markt sind, ist noch überschaubar.Die Axa hat “Fizzy” bereits 2017 gestartet – eine Versicherung, die bei Flugverspätungen greift. Fizzy ist an eine Flugverkehrsdatenbank gekoppelt und leistet Zahlungen automatisch, wenn der Flug mehr als zwei Stunden verspätet ist. Axa hält sich zu der Entwicklung von Fizzy jedoch bedeckt. Angaben zur Zahl der Verträge, Prämieneinnahmen und geleisteten Zahlungen gibt der Versicherer nicht heraus. “Wir haben das Produkt gelauncht, um die Blockchain-Technik besser zu verstehen, und wir haben eine Menge gelernt”, teilte ein Sprecher auf Anfrage lediglich mit.Die Allianz experimentiert im Konzern nach eigenen Angaben an zahlreichen Stellen mit der Blockchain. Mit einer Flugverspätungsversicherung ist das Unternehmen ebenfalls bereits am Markt, allerdings nur in Indien. In Frankreich existiert eine Blockchain-Anwendung, mit der die Versicherung von teurem Hausrat und Wertgegenständen vereinfacht und schneller dokumentiert wird.Ganz frisch ist die Ankündigung von Legal & General, eine Blockchain-Plattform für die Lebensrückversicherung zu schaffen. Sie soll es ermöglichen, langlaufende Pensionsverträge effizienter zu managen. Unterstützt und getrieben wird die etablierte Assekuranz von zahlreichen Start-ups, die sich der Blockchain in der Versicherungswelt widmen. Der Industrieversicherer HDI will hier mitspielen und investierte jüngst im April in den Company Builder Next Big Thing, der den Fokus auf Blockchain und das Internet der Dinge legt.