DIE FOLGEN DES BREXIT

Versicherer sehen sich "nicht so stark" betroffen

Verband warnt aber vor "Schockstarre"

Versicherer sehen sich "nicht so stark" betroffen

dpa-afx/mic Berlin/München/London – Die Versicherungsbranche reagiert bestürzt auf die britische Entscheidung für einen Austritt aus der Europäischen Union. Für die Aktien der großen Versicherer ging es am Freitagmorgen mit dem allgemeinen Rutsch an den Börsen kräftig abwärts. Bis zum Mittag erholten sich die Kurse nur teilweise wieder. Die Papiere der Allianz lagen zuletzt mit rund 9 % im Minus, die Aktien der Munich Re mit 6 %, während der Dax ebenfalls fast 7 % einbüßte. Befürchtungen dämpfenAllianz und Munich Re versuchten Befürchtungen zu dämpfen, dass der Austritt der Briten die Branche arg in Mitleidenschaft ziehen könnte. “Auf die Versicherungswirtschaft wird sich die Entscheidung vermutlich nicht so stark auswirken wie auf andere Branchen”, sagte Munich-Re-Ökonom Michael Menhart. Allerdings werde der Finanzplatz London Gewicht an bedeutende Börsenplätze wie Singapur oder New York verlieren. “Dies betrifft auch die Versicherer.”Die Allianz hob ihre langfristige Anlagestrategie hervor. Er erwarte keine negativen Folgen des Brexit für die Anlagen des Konzerns, sagte Allianz-Chefanleger Andreas Gruber. Auch kurzfristige Marktturbulenzen träfen die Finanzanlagen nicht wesentlich, sagte ein Konzernsprecher. Die Kunden könnten auf die breit gestreuten Investitionen des Versicherers bauen.Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re findet es noch zu früh, um über Konsequenzen aus dem Brexit zu entscheiden. Größtes Risiko seien zunächst die verstärkten Schwankungen an den Finanzmärkten. Mittel- bis langfristig gehe es um Risiken etwa bei der Regulierung. Die Swiss Re habe rund 38 Mrd. Dollar in britischen Pfund angelegt, davon 10 Mrd. in Staatsanleihen. In britische Aktien habe sie hingegen kaum investiert. Rückzug nicht geplantEinen Abschied aus dem Versicherungsgeschäft in Großbritannien können sich weder die Allianz noch die Munich Re, Talanx oder der Schweizer Versicherer Zurich vorstellen. Die Allianz ist zuversichtlich, dass das Versicherungsgeschäft im engeren Sinne vorerst nicht getroffen wird. Als Versicherer ändere sich erst einmal gar nichts, hatte Finanzvorstand Dieter Wemmer bereits Mitte Mai erklärt. Denn die Allianz betreibe eine vollständig eigenständige Gesellschaft vor Ort. “Wir bekennen uns weiterhin zu dem britischen Markt und unseren Kunden im Vereinigten Königreich”, sagte ein Allianz-Sprecher jetzt. Keine WährungsverlusteWährungsverluste fürchten die Münchner nicht. Die Allianz halte ihre Verpflichtungen und die Investments fast ausschließlich in den gleichen Währungen, sagte Wemmer: “Wir haben daher darauf geachtet, dass wir keine offenen Positionen gegen das Pfund haben.” Auch für die Munich Re bleibe das Land ein wichtiger Markt, sagte Finanzchef Jörg Schneider dem Sender Bloomberg TV. Der Versicherer Zurich sieht Großbritannien sogar als “Schlüsselmarkt” für sein Geschäft. Talanx baut Geschäft ausDer Versicherer Talanx, zu dem neben Marken wie HDI und Targo Versicherung auch die Mehrheit am weltweit drittgrößten Rückversicherer Hannover Rück gehört, will sein Geschäft in Großbritannien trotz des bevorstehenden EU-Austritts weiter ausbauen. Der Brexit bringe für Talanx keine wesentlichen Veränderungen, sagte Finanzvorstand Immo Querner. Der drittgrößte deutsche Versicherungskonzern kommt in Großbritannien auf rund 300 Mitarbeiter und ein Prämienvolumen in der Industrie- und Rückversicherung von etwa 500 Mill. Euro (von konzernweit insgesamt rund 30 Mrd. Euro).Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rief die EU zu Reformen auf. “Mit Blick auf den inneren Zusammenhalt, aber auch auf die schnell wachsenden Regionen außerhalb Europas muss die Wettbewerbsfähigkeit nun endlich gestärkt werden”, sagte GDV-Präsident Alexander Erdland. Man dürfe jetzt nicht in eine “Schockstarre” verfallen. Die Entscheidung der Briten sei schmerzlich für alle Europäer. Der Staatenbund müsse seinen “vielfach überbordenden Regulierungseifer” beenden. Die Menschen müssten die Vorteile stärker spüren, die ein vereintes Europa in der Welt habe, sagte Erdland.