Versicherer testen neue Hybridbonds

Erste Emissionen von Tier 1 und Tier 3 - Hohe Komplexität - Arbeitsgruppe beim GDV soll Musterbedingungen entwickeln

Versicherer testen neue Hybridbonds

Nachrang-Anleihen sind in der europäischen Assekuranz in Mode. Die neuen Möglichkeiten unter Solvency II werden aber nur zögerlich ausgeschöpft. Grund sind ungeklärte, aber wesentliche Detailfragen. Erste Versicherer haben jetzt aber doch den Markt getestet.Von Antje Kullrich, DüsseldorfDie Bond-Welt der Versicherer wird bunter. Solvency II macht es möglich. Das neue Aufsichtsregime hat den Eigenmittelbedarf europäischer Versicherer offengelegt. Viele Gesellschaften arbeiten derzeit daran, ihre Solvenzquoten zu stärken. Hybridkapital ist dabei ein gefragtes Instrument.Die nachrangigen Bonds, mit denen die Solvenzquoten aufgepäppelt werden können, gibt es in mehreren Schattierungen. Die Regeln haben sich mit dem Start von Solvency II Anfang 2016 geändert. Während derzeit noch Tier-2-Emissionen klar dominieren, haben einige Unternehmen jetzt den Markt für andere Formen getestet. Die aufsehenerregendste Emission gelang gerade der französischen CNP Assurances. Ihre Tier-3-Anleihe im Volumen von 1 Mrd. Euro war siebenfach überzeichnet und der erste in Euro denominierte Tier-3-Bond überhaupt. Im Mai hatte in der gleichen Kategorie die britische Aviva den Markt mit einem Bond über 450 Mill. kan. Dollar getestet.Noch ein bisschen interessanter sind Anleihen der Kategorie Restricted Tier 1 (RT 1). Sie sind das Instrument, das echtem, harten Eigenkapital am nächsten kommt. Doch noch gibt es nur eine einzige Emission. Ende August gelang dem norwegischen Versicherer Gjensidige Forsikring eine Platzierung im Volumen von 1 Mrd. nkr.Die Zurückhaltung der Versicherer ist derzeit groß. Dabei besteht bei vielen unzweifelhaft Bedarf, die Eigenmittel zu stärken. Hybridkapital ist zum Beispiel für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit die einzige Möglichkeit, sich extern Eigenmittel zu beschaffen. Der Weg über Kapitalerhöhungen wie bei Aktiengesellschaften ist ihnen versperrt. Standards fehlenDoch deutsche Adressen sind vorsichtig: “Für eine Tier-1-Emission gibt es unseres Wissens derzeit noch keinen ,etablierten` Marktstandard, so dass wir in diesem Segment aktuell eher wenig Potenzial sehen”, heißt es aus dem Hause Gothaer. Der Gegenseitigkeitsversicherer aus Köln gehört zu den wenigen mittelgroßen Assekuranzadressen, die sich bereits in der Vergangenheit mit Hybridemissionen an den Kapitalmarkt gewagt haben.Es zeichnet sich ab: Die Einführung der neuen Hybridbond-Klassen war ein Schnellschuss. Marktteilnehmer bemängeln, dass es im Vorfeld keine offiziellen Konsultationen gab. So sei auf das Know-how von Investmentbanken in der Ausgestaltung solcher Bonds nicht zurückgegriffen worden – vermutlich auch angesichts eines latenten, durchaus nachvollziehbaren Misstrauens gegen diese Adressen, wie es heißt.Doch wichtige Einzelheiten sind nicht geklärt. Über die steuerliche Behandlung für Emittenten und für Investoren herrscht in vielen Ländern Europas Unsicherheit. Und im schlimmsten Fall kann es sogar so sein, dass RT1-Bonds durch die komplexe Ausgestaltung der Wirkungsmechanismen krisenverschärfend wirken – für Investoren keine attraktive Aussicht. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht Hybridanleihen grundsätzlich als sinnvolles Instrument an. “Allerdings sind die aufsichts- und steuerrechtlichen Regelungen – auch im europäischen Kontext von Solvency II – so komplex, dass das Instrument für Investoren und Unternehmen schwer handhabbar ist. Der GDV strebt daher Vereinfachungen an”, sagte ein Sprecher.Beim GDV hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit Tier 1 beschäftigt. Der Verband will sich zu den Themen und Stand der Diskussionen nicht äußern. Nach Informationen der Börsen-Zeitung geht es aber darum, ähnlich wie bei den Banken Musterbedingungen zu entwickeln.Mit Hybridbonds können die Versicherer einen großen Teil ihres Eigenmittelbedarfs nach Solvency II decken. Maximal die Hälfte des erforderlichen Solvenzkapitals namens SCR (Solvency Capital Requirement) darf aus Tier-2- und Tier-3-Bonds bestehen. Weite ObergrenzenDiese Limits haben die meisten Versicherer in Deutschland bei weitem nicht ausgeschöpft. Die beiden Marktführer Allianz und Munich Re sind dafür gute Beispiele: Als sie im vergangenen November vor Investoren ihre Solvency-II-Bilanzen zum Start des neuen Aufsichtsregimes präsentierten, bestanden bei der Munich Re 85 % der Eigenmittel aus Kapital höchster Qualität (Unrestricted Tier 1), bei der Allianz waren es 66 %. Weil dadurch viel Spielraum für Tier 2 und Tier 3 bleibt, sagt Volker Kudszus, Analyst bei der Ratingagentur Standard & Poor’s auch: “Wir haben keine konkrete Erwartung, kurzfristig viel Tier 1 in Deutschland zu sehen.”Überhaupt haben sich hiesige Versicherer in den vergangenen Jahren gut eingedeckt. So traten neben der Allianz als regelmäßigste Emittentin von Hybridbonds auch die Hannover Rück, die Württembergische Leben, Arag und Gothaer in den Jahren 2014 und 2015 am Markt auf.